Jan in der Falle. Carlo Andersen

Jan in der Falle - Carlo Andersen


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Tag einbrechen und sich bedienen.»

      «Und dann?»

      «Dann machen wir uns auf nach Kopenhagen.» Manuelos Gesicht wurde plötzlich finster und haßerfüllt. «Wir sind ja nicht nur ausgebrochen, um endlich wieder frei zu sein, sondern auch um Rache zu nehmen.»

      «Rache? An wem?» fragte sein Kamerad.

      «Du hast wohl Jan Helmer und seine Freunde vergessen, die schuld waren, daß wir erwischt wurden? Das werden wir ihnen heimzahlen, bevor wir das Land verlassen.»

      *

      Als Kriminalkommissar Mogens Helmer am Abend von seiner Arbeit im Polizeipräsidium nach Hause kam, war er sehr ernst. Beim Abendbrot antwortete er nur einsilbig, was die Familie gar nicht gewöhnt war. Selbst wenn Helmer sehr viel Arbeit hatte, zu Hause war er gewöhnlich lustig und gutgelaunt.

      Nach dem Essen saß Jan in seinem Zimmer und machte Schulaufgaben, als der Vater zu ihm kam und sich neben ihn setzte. «Jan», sagte er, «hör zu. Ich habe da eine böse Sache, über die ich mit dir reden muß.»

      Jan schob das Physikbuch auf die Seite und schaute seinen Vater erstaunt an. «Nanu, Vater. Was ist los? Eine böse Sache, die mich angeht?»

      Der Kriminalkommissar nickte. «Ich bin dessen nicht sicher, aber die Möglichkeit besteht. Erinnerst du dich an die Diebstähle im Warenhaus Dupont, an den Portugiesen Manuelo und seinen Freund Peder Madsen, die beiden Schwerverbrecher, denen du damals auf die Spur kamst und die wir mit Hilfe der Seepfadfinder im Walde bei Kastrup überraschten, als sie gerade mit ihrer Beute ins Ausland fliehen wollten?»a

      «Natürlich!»

      «Heute morgen sind beide aus der Strafkolonie in Jütland entflohen.»

      Jan saß einen Augenblick stumm da. Er dachte an die gefahrvollen Erlebnisse, die er im Warenhaus Dupont und später auch in Kastrup gehabt hatte. Der Portugiese hatte ihn umbringen wollen. Das war gewiß eines der gefährlichsten Abenteuer gewesen, das er und seine Freunde je erlebt hatten.

      «Das klingt ja nicht gerade angenehm, Vater», sagte er schließlich ernst. «Aber sicher wird es nicht lange dauern, bis die Polizei die beiden Kerle wieder eingefangen hat.»

      «Wir wollen es hoffen.» Der Kriminalkommissar nickte. «Jedenfalls werde ich erst dann beruhigt sein, wenn die beiden Verbrecher wieder hinter Schloß und Riegel sitzen. Vorerst sind sie spurlos verschwunden. Sei deshalb in nächster Zeit unbedingt vorsichtig, mein Junge.»

      «Ich?» fragte Jan erstaunt.

      Helmers Gesicht war sehr ernst.

      «Ja, gerade du. Aber das gilt auch für Erling und deine anderen Freunde. Manuelo ist ein sehr gefährlicher und rücksichtsloser Mensch. Er hat ja damals geschworen, daß er sich an dir und deinen Freunden rächen wolle, weil ihr ihn entlarvt habt.»

      «Aber das waren doch leere Drohungen, Vater!»

      «Nein, bei Manuelo nicht. Er ist nicht nur ein rücksichtsloser Verbrecher, sondern meines Erachtens auch ein rachelüsterner Mensch, von dem man alles erwarten kann. Peter Madsen ist nicht so geartet, aber er steht völlig unter Manuelos Einfluß und wird alles tun, was dieser ihm befiehlt.»

      «So wie damals Fräulein Höyer?»

      «Ja, genau so.»

      Jan dachte wieder nach. Fräulein Höyer, die so nett und freundlich war, war damals im Warenhaus Dupont in einen großangelegten Juwelendiebstahl verwickelt, zu dem Manuelo sie durch Drohungen gezwungen hatte. Auf Grund der vielen mildernden Umstände erhielt sie jedoch eine sehr milde Strafe mit Bewährungsfrist, und Erling Krags Vater hatte ihr eine Chance gegeben, indem er ihr eine Vertrauensstellung in seinem Geschäft anbot. Herr Krag fand, daß dies die beste Art sei, einem Menschen wieder auf die richtige Bahn zu helfen, und er hatte es nie bereut. Fräulein Höyer gehörte jetzt zu seinen tüchtigsten Mitarbeitern.

      Der Kriminalkommissar betrachtete seinen Sohn; dann hellte sich sein Gesicht auf, und er sagte: «Na, mein Junge, laß dich nicht unterkriegen. Die Aussichten, daß die Polizei die beiden Ausreißer bald erwischt, sind natürlich gut, und dann ist ja alles in Ordnung. Ich wollte dich bloß warnen.»

      Jan lächelte. «Ich sah schon beim Abendbrot, daß etwas los war, aber sicher wolltest du Mutter nicht beunruhigen.»

      Helmer erhob sich und lächelte auch. «Stimmt! Wir kennen doch unsere Mutter, und wollen ihr keine Angst machen. Es besteht ja nur geringe Wahrscheinlichkeit, daß du und deine Freunde den Verbrechern begegnen, aber wenn es dazu kommen sollte, Jan, darfst du nichts riskieren. Wenn es sich um so gefährliche Leute wie Manuelo und Madsen handelt, muß sich die Kriminalpolizei darum kümmern.» — «In Ordnung, Vater.»

      «Gute Nacht, mein Junge. Mach jetzt weiter mit deinen Aufgaben.»

      Als der Vater gegangen war, fiel es Jan jedoch sehr schwer, sich auf die Schularbeit zu konzentrieren. Seine Gedanken kreisten unablässig um die Ereignisse im Warenhaus Dupont, wo er seinerzeit beinahe ums Leben gekommen wäre. Dann dachte er auch an den darauffolgenden spannenden Kampf draußen im Wald bei Kastrup, wo Björn Höberg und die anderen Seepfadfinder ihm tapfer beigestanden hatten; diese schneidigen Burschen mußte er jedenfalls auch warnen.

      Eine Stunde später kam Erling, um ihn zu besuchen. Er setzte sich ihm gegenüber auf einen Sessel und sagte: «Na, edler Herr, kann Onkel Erling dir eine helfende Hand reichen? In Physik vielleicht? Oder bist du schon soweit, daß wir einen Sprung zum Segelklub machen können?»

      «Das würde ich vorziehen», erwiderte Jan und schlug das Physikbuch zu. «Ich brauche frische Luft, denn ... ja, Dicker, es liegen Unannehmlichkeiten in der Luft ...»

      «Unannehmlichkeiten?» fragte Erling erstaunt und rutschte in seinem Stuhl hin und her. «Sag bloß nicht, daß wir schon wieder ...»

      Jan unterbrach ihn lachend. «Nein, das habe ich nicht gemeint. Aber es ist wohl besser, ich erzähle dir alles der Reihe nach, wie ich es eben von Vater erfahren habe.» Und dann erklärte Jan seinem dicken Freund, was er wußte, während der Dicke ein recht unglückliches Gesicht dazu machte.

      «Ach Jan», seufzte er, «du bist doch wirklich ein Pechvogel. Jetzt kommen wieder tausenderlei Scherereien auf uns zu. Von allen scheußlichen Leuten, die wir im Laufe der Zeit kennengelernt haben, war Manuelo gewiß der, den ich am wenigsten ausstehen konnte. Es hätte ihm gar nichts ausgemacht, dich seinerzeit vom Dach des Warenhauses Dupont herunterzuwerfen. Ich kann nur prost Mahlzeit sagen, wenn wir mit diesem Schuft nochmals zu tun bekommen.»

      Tröstend sagte Jan: «Noch ist ja nichts passiert, Dicker, und die Möglichkeit, daß etwas geschieht, ist äußerst gering. Vater sagte bloß, daß wir aufpassen und uns im Notfall gleich an die Polizei wenden sollen.»

      «Bravo!»

      «Aber da ist noch etwas, Dicker. Du solltest deinen Vater bitten, Fräulein Höyer zu sagen, daß Manuelo entflohen ist. Wenn er es wirklich schaffen sollte, Kopenhagen zu erreichen, wird er sie vielleicht aufsuchen; sicher ist er unverschämt genug, das zu probieren.»

      Erling seufzte tief. «Ach mein Freund, ich habe so ein komisches Gefühl, daß das Ganze schlecht enden wird.»

      Zweites kapitel

      Eine schändliche Tat

      Die Kriminalpolizei von ganz Dänemark arbeitete daran, die beiden entlaufenen Verbrecher wieder einzufangen. In den ersten Tagen konnte man ihre Spur auf Grund der vorgekommenen Einbrüche leicht verfolgen, denn man durfte mit Sicherheit annehmen, daß diese Einbruchdiebstähle in Jütland auf ihr Konto gingen. In vielen Höfen waren Kleidungsstücke gestohlen worden; trotzdem konnte man keine genaue Beschreibung ihrer derzeitigen Bekleidung herausgeben. Nach und nach hatten sie nämlich so viele Kleider gestohlen, daß sie für ein halbes Dutzend Leute ausgereicht hätten. Außerdem hatte man auch keinen wirklichen Beweis dafür, daß alle diese Einbrüche von den beiden begangen worden waren.

      Sowohl in Jütland wie auch auf den Inseln fuhren Funkstreifen auf den Landstraßen


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