Jack und seine drei Flammen. F. C. Phillips
zu haben, dass Peter der Grosse zur Zeit, da er als Schiffsbauer in Deptford beschäftigt gewesen, nicht nur jeden Mann am Ort bezwungen, sondern auch eine ausserordentliche Vorliebe für das Kegelspiel gezeigt habe. Uebrigens kenne ich thatsächlich einen gelehrten Richter, der ebenfalls eine grosse Schwäche für das Kegeln hat und gar kein Geheimnis aus dieser Thatsache macht, und auch in Marlborough-Housea) befindet sich eine Kegelbahn.
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass meine Studiengenossen und die jüngeren Advokaten im grossen Ganzen vortreffliche, ehrenwerte Menschen waren und ich zahlreiche Freundschaften schloss, die wesentlich dazu beitrugen, mein Leben angenehm zu gestalten. Braucht irgend jemand mehr, um glücklich zu sein?
Auch Mrs. Brabazon darf ich nicht vergessen. Manchmal benutzte ich eine günstige Strömung und ruderte sie nach Richmond, von wo wir mit der Bahn zurückfuhren, nachdem wir in dem lieben alten Schloss gespeist hatten. Alle Arten vergnügter kleiner Ausflüge machten wir zusammen — nach Ham House, nach Hampton Court mit seinen Galerien und Gärten, nach Farmingham in den Löwen, wo wir den ganzen Tag lang mit mehr oder weniger Glück dem Fischfang oblagen und dann behaglich unter einem offenen, üppig von Rosen und Geissblatt umrankten Fenster unser Mahl einnahmen. Nichts machte ihr so viel Freude, als an einen neuen Ort zu gehen, und mich beglückte nichts mehr, als einen neuen Punkt zu finden, an den ich sie führen konnte. Wir waren glücklich wie Kinder, und so weit ich es beurteilen kann, auch unschuldig wie solche. Es freute uns, unser Leben für uns, auf unsre eigne Weise zu leben, und wenn dies eine Sünde ist, welche Ansicht Miss M’Lachlan energisch zum Ausdruck brachte, so kann ich nur versichern, dass es eine sehr angenehme Sünde ist und ich alle bedaure, die sie nie begangen haben. Es gibt Leute, von denen ich fest überzeugt bin, dass sie den Vögeln das Singen am Sonntag verbieten und die Kaninchen mit ihren glänzenden Aeuglein während des Gottesdienstes am liebsten in ihre Höhlen sperren würden, und zu dieser Sorte gehörte auch Miss M’Lachlan, die von ihrem Pfefferminz und Anis und Kümmel pünktlich den Zehnten entrichtete, während sie sich mit heiterer Gleichgültigkeit über die wichtigeren Bestimmungen des Gesetzes hinwegsetzte.
Bei Tisch gab es gelegentliche Scharmützel zwischen der schottischen alten Jungfer und Mrs. Brabazon, bei welchen die letztere dermassen die Oberhand behielt, dass Miss M’Lachlan zu allgemeiner Erleichterung und unter nicht verhehlter Heiterkeit Mr. Brattles in Thränen ausbrach und das Zimmer verliess, was dem boshaften Herrn willkommenen Stoff zu allerlei Scherzen über die alte Hexe gab.
Drittes Kapitel.
Das Glück war mir nicht immer hold. Beim Billard spielt der Zufall eine geringere Rolle als bei irgend einem Spiel der Welt, allein sogar im Billard kann man beharrlich Pech haben, und so erinnere ich mich eines Tages, an dem ich gar kein Geld mehr hatte. Mein Vater war mit seinem Zuschuss im Rückstand geblieben, und ich wusste buchstäblich keinen Menschen, an den ich mich hätte wenden können; so kleidete ich mich denn mit mehr als gewöhnlicher Sorgfalt an, wobei ich den Stiefeln meine ganz besondre Aufmerksamkeit zuwandte, und begab mich nach dem Geschäft des Mr. Raphael in Half-moon Street, Piccadilly.
Mr. Raphael war ein Geldverleiher, aus welcher Thatsache er keinerlei Geheimnis machte; an der Hausthür befand sich ein blankes Messingschild und eine Geschäftsglocke mit einem kleinen Plättchen darunter. Ich wurde in ein mit ausgezeichneten Bildern, Statuetten und kostbarem Porzellan ausgestattetes Wartezimmer geführt. Offenbar war Mr. Raphaels Geschmack ebenso gut wie seine Menschenkenntnis. In sein Allerheiligstes zugelassen, kam ich gleich zur Sache, ich brauchte hundert Pfund und sagte dies Mr. Raphael. Dieser betrachtete mich scharf, und ich erwies ihm die nämliche Höflichkeit. Zweifellos war er ein Hebräer, aber einer der besseren Sorte; er war einfach gekleidet und hatte nicht einmal einen Diamantring an den Händen, und diese waren — dem Aeussern nach wenigstens — klein, weiss und rein.
Bald hatte er ermittelt, dass ich nach dem Tode meiner Mutter die Anwartschaft auf ein kleines Vermögen hatte.
„Sehr gut, Mr. Severn,“ sagte er, „Sie müssen mir einen Pfandschein darüber ausstellen, den mein Sachwalter, Mr. Jakobs, aufsetzen wird. Es ist doch noch nicht verpfändet?“
„Gewiss nicht,“ antwortete ich, „ich habe nie daran gedacht. Wie bald kann ich das Geld haben?“
„Nun, Mr. Jakobs muss erst Erkundigungen einziehen. Vermutlich haben Sie’s eilig?“
Ich versicherte äusserst nachdrücklich, dass dem also sei.
„Nun wenn, wie ich glaube, alles stimmt, so können Sie übermorgen um ein Uhr das Geld haben.“
„Und unterdessen können Sie mir eine Zehnpfundnote geben?“
„Ich halte Sie für ehrlich, Mr. Severn; ja, ich glaube, man kann Ihnen mit einer Zehnpfundnote trauen.“
So brachte er denn zwei Fünfpfundnoten zum Vorschein, für die ich ihm einen Schuldschein ausstellte, während er auch noch eine Flasche sehr guten Sekt und ein Kistchen Cigarren hervorholte.
„Beiläufig bemerkt,“ sagte er, „Sie haben noch gar nicht gefragt, wieviel ich Ihnen für diese hundert Pfund anrechne, und mir auch nicht gesagt, wie lange Sie das Geld brauchen.“
Ich wurde dunkelrot; er hatte mich empörend rasch durchschaut.
„Ein armer Teufel darf nicht wählerisch sein,“ erwiderte ich. „Vermutlich werden Sie Ihre Bedingungen schon stellen.“
„Nun, ich rechne zwanzig Pfund und nehme Ihren Wechsel auf drei Monate. Nach Ablauf dieser Frist werde ich ihn wohl wieder erneuern. Beiläufig bemerkt, haben Sie einen Beruf?“
„Ich bereite mich zur Advokatur vor.“
„Ah so! Ich wünsche Ihnen alles Glück, aber dieser Beruf ist furchtbar überfüllt, und soweit ich es beurteilen kann, schneiden sich die Advokaten untereinander den Hals ab. Um Ihretwillen hätte ich lieber gesehen, Sie wären irgend etwas andres geworden. Wenn Sie nach den ersten fünf Jahren auf Ihre Kosten gekommen sind, so ist es Ihnen ausserordentlich gut gegangen. Nehmen Sie mir’s nicht übel, aber für gewöhnlich rühre ich einen Advokaten nicht mit einem Stecken an. Sie sollten die Tochter eines Anwaltes heiraten; Jakobs hat eine, die gut für Sie passen würde. Eine Schönheit ist sie gerade nicht, auch hat sie ein höllisches Temperament, aber man kriegt auch was für sein Geld, denn sie wird wohl so ihre zwei Zentner wiegen. Jedenfalls könnten Sie schlimmer fahren — überlegen Sie sich’s!“
Lachend versprach ich dies, und im nämlichen Augenblick trat ein Schreiber ein.
„Nun, Mason, was gibt’s?“
„Oberst Pierre ist da.“
„Ganz recht, ich bin nicht für ihn zu sprechen. Sagen Sie ihm dies.“
„Er sagt, er habe noch zwei weitere Bürgen und hat das Schriftstück mitgebracht. Es sind gute Namen, Mr. Raphael.“
„Das ist was andres. Lassen Sie ihn eine halbe Stunde warten; dann führen Sie ihn herein. Guten Morgen, Mr. Severn. Mason begleiten Sie Mr. Severn hinaus.“
Wir schüttelten uns die Hand, und ich verliess Mr. Raphael, ohne einen allzuschlechten Eindruck von ihm mitzunehmen.
Hat man sich einmal von dem Gedanken losgemacht, dass ein Geldverleiher durchaus zu den unreinen Tieren gehört, so wird man, falls der Geldverleiher ein Jude ist, wahrscheinlich finden, dass er einen weit höheren Begriff von Ehre hat, als die meisten seiner Kunden. Jedenfalls ist er mir lieber als ein Sachwalter, und ich glaube, auf die Länge wird man ihn auch billiger finden. Anwälte haben schon mehr Güter verschlungen und mehr Familien zu Grunde gerichtet, als noch einmal so viele Geldverleiher.
Hier wohnt in stiller, in ländlicher Pracht
Der Anwalt, so lang er’s nicht weiter gebracht;
Ihn plagen nur wenig des Lebens Sorgen
Hinter seinem Parkthor, auf seinen zwölf Morgen.
Doch wart’ eine Weile: sein Nachbar, gross,
Ist bald ruiniert, und in seinen Schoss
Fällt all das Silber