Jack und seine drei Flammen. F. C. Phillips
ich alt werde, soll kein reuevolles sein.“
„Ich spreche nicht von mir selbst, Jack; im Gegenteil, ich spreche in vollem Ernst. Es ist albern von Ihnen, mich heiraten zu wollen, und von mir wäre es mehr als albern, wenn ich Sie in der Absicht bestärken wollte. Sie wissen ja gar nichts von mir.“
„Doch.“
„O nein, Sie wissen nichts — nicht das Geringste. Ich habe eine sehr schlimme Vergangenheit und abgesehen davon bin ich faul, selbstsüchtig und ausserordentlich verschwenderisch. Einen oder zwei Monate würde ich mit Ihnen leben wie im Schlaraffenland und dann würden Sie sich eines Morgens allein sehen und dazu noch den weiteren Aerger haben, aus der besten Quelle zu wissen, dass ich mich mit einem andern davon gemacht habe. Ich habe Sie viel zu lieb, um Sie etwas Derartigem auszusetzen, und werde mich, sei es auch noch so indirekt, bei nichts beteiligen, was ein solches Ergebnis haben könnte; davon dürfen Sie ganz fest überzeugt sein. Sie sind ein lieber, guter, liebenswürdiger Junge, — wenn Sie es wünschen, kann ich auch sagen, ein lieber, guter, liebenswürdiger Mann, und deshalb will ich Sie gegen sich selbst beschützen. Und nun, Jack, bin ich furchtbar müde. Begleiten Sie mich in die Grove und geben Sie mir Gefrornes, und eine Woche lang, während welcher Sie hoffentlich wieder zur Besinnung kommen, soll über diesen Unsinn kein Wort mehr gesprochen werden.“
Natürlich musste ich gehorchen, aber ich war mir wohl bewusst, dass ich dies mit möglichst wenig Anmut that, und in dieser Gemütsverfassung begleitete ich Mrs. Brabazon nach Westbourne Grove; dort nahmen wir Gefrornes und einiges Obst, nebst einer harmlosen Pint Claret mit Siphon zu uns. Nach dieser einfachen Bewirtung bestand sie darauf, allein nach Hause zu gehen.
„Sie können gehen und Billard spielen,“ sagte sie, „das ist ein Spiel, bei dem Sie Ihre armen, kleinen Flügel nicht verbrennen werden.“
Ich weiss nicht, ob dies eine Stichelei sein sollte, oder nicht — jedenfalls sah es allzusehr nach einer solchen aus, als dass meine Stimmung sich dadurch wesentlich verbessert hätte.
„Souvent femme varie,
Bien fou qui s’y fie.“
So summte ich vor mich hin, als ich mich aufmachte, Calverleys virides sed non e gramine mensas zu suchen.
Sechstes Kapitel.
Ich erfreute mich nicht meines gewöhnlichen Glückes, wodurch ich das alte Sprichwort: „Unglück in der Liebe, Glück im Spiel“, glänzend widerlegte. Es misslangen mir leichte Stösse, die mir anstandslos hätten gelingen sollen, und ich blieb beharrlich in der Mitte des Tisches. Endlich wurde es mir leid, und ich ging mit einem Gewinn von nur zwei oder drei Schilling fort. Der Marqueur goss noch Oel ins Feuer, indem er mir leise den freundlichen Rat gab, meinen offenbar angegriffenen Nerven mit braunem Cognac und grünem Curaçao aufzuhelfen, was er für ein vorzügliches „Mittel“ erklärte. Ich selbst bin damals und immer ein mässiger Mann gewesen, ich habe mir aber von Veteranen aus dem andern Lager versichern lassen, dass brauner Cognac und grüner Curaçao, auch in bescheidenen Dosen angewendet, innerhalb einer Woche ein Rhinoceros umbringen könnten.
Am andern Morgen stand ich früh auf, schrieb ein Briefchen an Mrs. Brabazon, dass ich gegen zwölf Uhr zurückkommen werde, und ging, ohne das Frühstück abzuwarten, in den Park. Ich hielt mich scharf nach Süden, bis ich an den Fluss kam. Dort lagen einige Nachen am Ufer, und die Bootsknechte standen dabei. In sorgloser Laune lud ich die Biedermänner ein, auf meine Kosten ein Glas Bier zu trinken. Sie nahmen miteinander etwa eine Gallone zu sich, und ich erinnere mich, dass ich mit einem alten Schiffsmann eine Partie Kegel spielte, die er glänzend gewann. Der Einsatz war unwesentlich, und nachdem das Spiel zu Ende war, schickte ich mich zum Gehen an.
„Wenn Sie einmal eine Fahrt machen wollen, Herr,“ sagte ein Seebär mit einem blauen Wollhemd und einer Mütze aus Katzenfell, „dann fragen Sie nur hier in diesem Haus nach der ‚Matilda und Klara‘. Hier kann man immer erfahren, wo ich bin, und in meiner Kabine gibt’s stets eine Pritsche; wenn es auch nicht sehr bequem ist, so ist es doch reinlich, und ich lande Sie, wo Sie wollen.“
Ich dankte meinem neuen Freund, schrieb seinen Namen in mein Taschenbuch und ging. Von Battersea nach Hyde Park und durch den Park nach Bayswater ist ein angenehmer Weg, den ich mit ungeheuren Schritten zurücklegte, so dass ich eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit zu Hause ankam. Das Dienstmädchen musste nach mir ausgeschaut haben, denn sobald ich meinen Drücker in das Thürschloss steckte, öffnete sie auch und händigte mir einen Brief ein, worauf sie sich wieder in die oberen Regionen zurückzog.
Der Umschlag, von der grössten Sorte, die man in der Schreibstube eines Advokaten finden kann, war schreckenerregend, aber mein Name war von Susans Hand darauf geschrieben, und auch das Siegel war das ihre.
Ich eilte in mein Zimmer und riss das Paket auf; zu allererst fiel die Urkunde heraus, die ich Mr. Raphael ausgestellt hatte, den Stempel ausgeschnitten und in die Kreuz und die Quere mit kräftigen Strichen durchzogen. In starrem Erstaunen sah ich sie an, und dies Erstaunen wuchs noch, als ich auf der Rückseite eine vollständige Quittung sah. Soweit sah ich klar. Aber dabei war noch eine zweite Einlage, — ein Brief von Susan selbst. Ich schloss die Thür und öffnete eiligst den Brief; zwei- oder dreimal musste ich ihn lesen, ehe ich seinen Inhalt fassen und glauben konnte.
Er lautete folgendermassen:
„Mein lieber, einziger Junge!
„Ich sende Ihnen hier das Papier zurück, das Sie thöricht genug waren, Raphael auszustellen, um das Geld für mich verschwenden zu können. Ein Streich nach dem andern. In dem Augenblick, in dem Sie diesen Brief erhalten, bin ich schon viele Meilen von Ihnen entfernt — thatsächlich aus Ihrem Bereich, wenn ich auch hoffe und vertraue, dass wir uns als die alten, guten Freunde einmal wiederfinden. Sie sind weit mehr als ein flüchtiger Sonnenblick gewesen in meinem stürmischen Leben.
„Was Sie auch thun mögen, sorgen Sie, dass Sie möglichst bald als Advokat zugelassen werden. Ich bin überzeugt, Sie werden in Bälde vorwärts kommen, ohne zu wissen wie, warum und durch wen, und dann liegt die Welt offen vor Ihnen, mit der besten Aussicht, sich ihrer auch erfreuen zu können.
„Verlieben Sie sich in niemand — nicht einmal in Miss M’Lachlan; Sie können, wenn Sie wollen, fortfahren mich zu lieben. Morgen bin ich in Paris und von dort werde ich Ihnen meine Photographie senden.
„Ich werde keinen Brief von Ihnen beantworten, aber Sie dürfen mir schreiben, wenn Ihnen was daran liegt. Mein Sachwalter, Mr. Amos Clarke, wird mir Ihre Briefe zustellen, aber er gibt Ihnen meine Adresse nicht und seinen Schreibern ist sie nicht bekannt. Seien Sie gut und passen Sie wohl auf sich auf, und dann werden Sie eines schönen Tages wieder von mir hören.
Immer die Ihre
Susan Brabazon.“
Ich steckte den Brief in meine Tasche und eilte durch den Park nach dem Kanal, dessen Leinpfad um diese Tageszeit völlig verödet ist. Hier ging ich auf und ab und dachte über den Brief nach.
Offenbar war Susan, wenigstens für den Augenblick, fest entschlossen, sich vor mir zu verbergen, und falls ich nicht grosse Summen zur Verfügung hatte, schien es vergeblich, sie aufspüren zu wollen. Sie konnte in Wien, Venedig, Biarritz, Rom oder sonst wo sein, und angenommen selbst, sie wäre in Paris gewesen, wie hätte ich sie auffinden sollen? Ein Aufruf in den Zeitungen wäre auch vergeblich gewesen und hätte sie nur geärgert.
Es blieb mir nichts anders übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, was ich denn auch, mein Schicksal verwünschend, that, und dann versuchte ich, mich in einer unter dem Namen „York und Albany“ bekannten Wirtschaft mit englischem Bier und einer Thonpfeife zu betäuben.
Von hier schlenderte ich über die Brücke in den Regents-Park und hinunter bis an den Portland Road Bahnhof. Dicht neben demselben führt ein Weg südlich nach der Oxford Street. Ich verfolgte diese Strasse und ging über den Soho Square und durch Soho nach dem Piccadilly Rondell. Da mir der Gedanke, in Bayswater zu essen, unerträglich war, so begnügte ich mich mit einem Beefsteak und einem Glas Bier bei Stone, von wo ich in das Adelphi-Theater ging. Nachdem die Vorstellung zu Ende war, bummelte ich langsam nach Hause.