Die Schlinge. Pavel Kohout
im Lucernapalast bei der ersten großen Manifestation gegen den Faschismus auf.
Um ihre Hand hielt Felix noch am Tag seiner Scheidung an. Sie heirateten drei Tage bevor in München Hitler, Mussolini, Daladier und Chamberlain über der tschechoslowakischen Landkarte getagt hatten. Ein halbes Jahr später, in der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten März 1939, wurde er durch die Nachricht des Vorsitzenden der Sozialdemokraten Pýcha geweckt, dass die Wehrmacht gerade das Land besetze und er wahrscheinlich in der Frühe von der Gestapo als Vertrauensmann von Eduard Beneš, dem Nachfolger Masaryks verhaftet werden würde. Dieser legte sein Präsidentenamt bereits im Herbst nieder und emigrierte nach England.
Kamila spielte bereits Julia, für die man Schlange stehen musste. Ohne sie hätte das Theater schließen können. Nach einer bloßen Stunde einigten sie sich, dass Felix auf der Stelle nach London abfahren würde und sie nachkäme, so schnell es ginge. Sein Plan glückte. Ihrer scheiterte. Noch bevor die Vorstellung aufgrund von Provokationen seitens tschechischer Faschisten im Zuschauerraum abgesetzt werden konnte, machten die Deutschen die Grenzschotten dicht. Sie war verzweifelt. Über die britische Botschaft ließ sie es ihrem Mann mitteilen und bekam als Antwort von ihm die inständige Bitte, sich zum Schein von ihm scheiden zu lassen. Kurz darauf schlossen die Protektoratsbehörden das Theater, und ihr Chef landete in einem deutschen Konzentrationslager. Sie erfuhr dann im Nationaltheater, das sie bis zu diesem Zeitpunkt ständig zurückholen wollte, dass sie leider, leider! ein öffentliches Auftrittsverbot hätte.
Sie fuhr nach Brünn, lehrte ein paar Wochen am Konservatorium, von wo aus sie als Schülerin geflüchtet war, und dann durfte sie nicht einmal mehr das; zusammen mit der Mutter verdiente sie sich daher ihren Lebensunterhalt mit Pulloverstricken. Ihr Dudelsackspieler Schwanda war schon Doktor und verheiratet, ließ ihr aber bestellen, dass er sich augenblicklich scheiden lassen und sich um sie beide kümmern würde. Sie traf sich mit ihm im Grandhotel, um sich für die Vergangenheit wie auch für die Zukunft zu entschuldigen. Zum ersten Mal sah sie einen Mann weinen.
Die Nachbarn flüsterten ihr manchmal zu, wie schön Felix Fischer aus England zu ihnen redete und dass er jedes Mal mit den Worten »Gute Nacht und feste Hoffnung« abschloss. Auch an ihrem Radio hing ein obligatorischer roter Zettel mit der Warnung ›Achtung, Achtung, das Hören eines fremden Rundfunksenders ist streng verboten und wird mit Gefängnis oder der Todesstrafe geahndet! ‹ Die Sendung ›London Calling‹ hörte sie sich niemals an, nicht aus Angst, sondern weil sie sich vor der Sehnsucht fürchtete, welche die leicht belegte und schwer geliebte Stimme in ihr hervorrufen würde.
Im Sommer 1944 kam sie zum Totaleinsatz ins Reich und wurde nach Dresden geschickt. Dort fand sie ihren dritten Liebhaber und entschied sich, dass dieser auch ihr letzter sein würde.
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