DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7). Alex Lukeman

DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7) - Alex  Lukeman


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ihnen auf und prüfte das Gewicht. »Leicht«, sagte er. »Um einiges leichter als die, die wir derzeit benutzen.«

      Ronnie grinste ihn an. »So ist es, aber sie halten trotzdem problemlos alles unter Kaliber .50 ab. Sie sind mit irgendeiner neuartigen Nano-Keramik-Technologie hergestellt, die Sekundärschäden vermeiden soll.«

      »Wie gebrochene Rippen, meinst du? Damit kennst du dich ja aus.«

      »Ich hab die letzten beiden noch nicht richtig überstanden«, erwiderte Ronnie.

      Mit einer Schussweste von einer Kugel getroffen zu werden, war kein Spaß. Normalerweise zog man sich wenigstens ein paar gebrochene Rippen zu. Auch wenn die Weste ein Projektil aufhalten konnte, bestand immer noch die Gefahr, dass der hydrostatische Schock des Aufpralls einen umbrachte.

      »Ich hoffe, wir müssen die Westen nicht austesten«, sagte Nick und legte die Körperpanzerung auf den Stapel zurück.

      Ronnie lief an seine Station und begann seine Waffe auseinanderzunehmen, eine Sig Sauer P229 mit Kaliber .04 Smith& Wessen-Munition. Jeder im Team des PROJECTs trug eine Sig.

      Ronnie war ein Navajo-Indianer, ein kräftiger, muskulöser Mann, nur fünf Zentimeter kleiner als Nick. Er lebte allein in einem Appartement am Rande der Stadt. Soweit Nick wusste, galt Ronnies einzige Schwäche seiner umfangreichen Kollektion aus Hawaiihemden.

      »Harker will uns oben sehen«, sagte Nick.

      »Wo brennt es denn dieses Mal?«, wollte Ronnie wissen.

      »Keine Ahnung. Russland vielleicht.«

      »Du weißt es nicht? Wie können wir eine Mission haben, wenn wir nicht wissen, wo wir hinsollen?«

      »Schätze, dass wir das noch herausfinden werden. Seid ihr beide soweit fertig?«

      »Sobald ich meine Waffe gesäubert habe«, antwortete Selena.

      »Gilt auch für mich«, stimmte Ronnie ihr zu.

      »Dann kommt in Harkers Büro, wenn ihr fertig seid.« Nick lief wieder nach oben.

      Stephanie Willits unterhielt sich gerade mit Harker, als Nick das Büro betrat. Steph war Harkers Stellvertreterin und ein Computergenie. Das PROJECT verfügte über maximal aufgerüstete Crays, die sich mit denen in Langley messen konnten, und Steph konnte mit ihnen Dinge anstellen, die an Wunder grenzten. Sie trug einen dunkelblauen Rock und eine Bluse, die ihre dunkelbraunen Haare zur Geltung brachte. Steph liebte große, herunterhängende Ohrringe und goldene Armbänder an ihrem linken Handgelenk. Nick mochte sie.

      Von ihrem Platz am Schreibtisch konnte Elizabeth durch die Verandatüren auf die großzügige, mit grauen Steinen gepflasterte Veranda hinaussehen. Dahinter erstreckten sich Rasen und in voller Sommerblüte stehende Blumenbeete, die in einem sanften Abhang bis zu einer Baumgrenze abfielen, welche die Rückseite des Anwesens abschloss.

      Gegenüber von Elizabeths Schreibtisch stand eine lange Ledercouch, flankiert von zwei Sesseln. Nick nahm am Rand der Couch Platz. Stephanie wählte einen der Sessel. Als auch Selena und Ronnie zu ihnen stießen, ließen sie sich ebenfalls auf der Couch nieder.

      Harker begann mit den Unruhen in Nowosibirsk. Dann wandte sie sich Stephanie zu.

      »Steph, was haben Sie für uns?«

      »Langley weiß nicht, was dort vorgefallen ist«, erklärte Stephanie. »Moskau hat eine Spetsnaz-Division in die Stadt abkommandiert. Sie sollten in diesen Minuten in der Stadt ausschwärmen.«

      »Eine ganze Division?« Nick war überrascht. »Diese Jungs schickt man nicht ohne Grund los. Die Lage muss komplett außer Kontrolle geraten sein.«

      »Da ist noch etwas anderes«, sagte Stephanie. »Ich beschloss, mir mal die Satellitenaktivität über Russland anzusehen und stieß auf eine Anomalie. Sie wäre mir beinahe durchgerutscht. Es könnte auch ein Zufall sein, aber das glaube ich nicht.«

      »Ich mag weder Zufälle noch Anomalien«, sagte Elizabeth. »Was ist es?«

      »Kurz bevor die Unruhen ausbrachen, gab es eine Hochfrequenzübertragung, mit Nowosibirsk als Zentrum. Vielleicht hat es mit den Ereignissen zu tun. Ein Angriff vielleicht.«

      »Was für eine Art von Übertragung?«

      »Ein Mikro-Ausbruch an Energie. Ein Signal. Direkt, bevor die Lage eskalierte.«

      »Woher kam dieses Signal?«

      »Nun, das ist genau die Frage«, sagte Stephanie. »Es gab zu diesem Zeitpunkt nur drei Satelliten, die infrage kommen. Einer von ihnen russisch. Aber ich glaube nicht, dass die Russen ihre eigene Stadt angreifen würden. Der andere war chinesisch, ist aber ein Kommunikationssatellit.«

      »Sie sagten drei. Welcher ist der Dritte?«, hakte Elizabeth nach.

      »Einer von uns, relativ neu, der erst vor sechs Monaten hinaufgeschossen wurde und vom Pentagon kontrolliert wird. Seinen Zweck kenne ich nicht. Überwachung, nehme ich an.«

      »Glaubst du, das Pentagon hat Russland damit gegrillt?«, fragte Ronnie.

      »Das habe ich nicht gesagt. Soweit ich weiß, verfügen wir derzeit über nichts, was einen solchen Effekt produzieren kann. Aber diese elektronische Entladung ist ein Warnsignal«, sagte Stephanie, »und unser Satellit befand sich direkt über dem Gebiet.«

      »Ich glaube nicht, dass wir so etwas tun würden, selbst wenn wir dazu in der Lage wären«, sagte Selena. »Das könnte Krieg bedeuten, und das will niemand.«

      Für einen Moment wurde es still im Raum, denn jeder hier wusste, was ein solcher Krieg bedeuten würde.

      Dann sagte Nick: »Niemand in diesem Raum will einen Krieg. Aber wenn Steph recht hat, dann hat jemand absichtlich diese Unruhen ausgelöst und das irgendwie mit Hilfe eines Satelliten.«

      Harker seufzte. »Steph, es muss eine Befehlsübertragung vom Boden gegeben haben, um den Satelliten zu aktivieren. Sehen Sie nach, ob Sie den Ursprung des Signals bestimmen können.«

      »Sobald wir hier fertig sind, werde ich mich an die Computer setzen und die Quelle des Signals aufspüren.«

      »Und was sollen wir tun, Direktorin?«, fragte Nick.

      »Halten Sie sich bereit. Solange wir nicht mehr wissen, können wir nicht viel tun.«

      Kapitel 4

      In Jassenewo, einem Stadtviertel Moskaus, brannte die Sonne eines schwülen russischen Sommertages auf ein graues Bürogebäude herunter. In dessen oberster Etage schritt ein großer, athletischer Mann mit kurzgeschnittenen blonden Haaren auf das Büro seines Vorgesetzten zu. Die Sohlen seiner Schuhe hallten von dem Linoleumboden des Korridors wider. Seine Augen waren so strahlend blau wie der arktische Himmel. Zwei goldene Sterne prangten auf den roten und goldenen Schulterstücken seiner Uniform, und an seiner Brust hingen Auszeichnungen für Geheimeinsätze, die nie ihren Weg in die Geschichtsbücher finden würden.

      Oberstleutnant Arkady Korov diente bei den Spetsnaz, einer russischen Spezialeinheit. In seiner linken Hand trug er eine dünne Akte. Vor der Tür von General Alexei Vysotsky blieb er kurz stehen, um seine Gedanken zu sammeln, dann klopfte er zweimal und trat ein.

      Alexei Vysotsky leitete das Department S des Sluschba Wneschnei Raswedki, Russlands Auslandsnachrichtendienst. Der SVR war Moskaus Äquivalent zur CIA und der jüngste in einer ganzen Reihe russischer Geheimdienste, die ihren Ursprung zur Zeit der Zaren gefunden hatten. Dem Department S war auch eine geheime Spetsnaz-Einheit namens Zaslon unterstellt. Der Kreml bestritt, dass Zaslon überhaupt existierte, aber es war Zaslon, der verdeckte Operationen zufielen, die man von offizieller Seite aus abstreiten konnte. Jeder innerhalb von Zaslon hatte ein hartes Spetsnaz-Training durchlaufen, Gefechte miterlebt und sprach mindestens drei Sprachen. Korov war einer von Vysotskys hochrangigsten Kommandanten bei Zaslon.

      Vysotsky saß hinter einem altmodischen hölzernen Schreibtisch, den er aus einem Lagerraum im Kreml gerettet hatte. Der Tisch hatte einmal Lawrenti


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