Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi. Jógvan Isaksen

Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi - Jógvan Isaksen


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in the Lake’.”

      “Sieh mal an, du kennst deinen Chandler.” Aus dem Sie war ein Du geworden.

      “Das ist nicht so überraschend wie die Tatsache, daß ein Bankdirektor ihn kennt.”

      “Wir Bankleute lesen auch noch was anderes als Zahlen.” Er zog die Manschetten mit den Goldknöpfen weiter aus den Jackenärmeln, schob den Schlips gerade und sah mich über den Brillenrand an. Die Unterhaltungspause war vorbei.

      “Wir haben einen gemeinsamen Freund, aber jetzt ist nicht die Zeit, über ihn zu reden. Sag mir, worum es geht und...” Er schaute auf die Uhr.

      “Und beeil dich ein bißchen, ich muß gleich zu einer Sitzung.” Ich erzählte dem Geschäftsleiter, daß die beiden Toten meine besten Freunde gewesen waren und daß ich wissen wollte, ob die kleine Elsa etwas bekommen würde, jetzt, wo ihre Mutter und deren zukünftiger Mann tot waren. Ich murmelte etwas davon, daß ich sonst versuchen würde, ihr zu helfen.

      “Sie müssen wissen, eigentlich dürfen wir nicht jedem Erstbesten Auskünfte über unsere Kunden geben. Aber wenn es um eine Samaritertat geht...” Er drückte auf ein paar Tasten seines Computers.

      “Stimmt, sowohl Sonja Pætursdóttir als auch Hugo Jensen hatten eine hübsche Summe Geld auf ihrem Konto. Mehr darf ich nicht sagen, aber jetzt können Sie ja wieder beruhigt schlafen. Die Kleine ist versorgt.” Er sagte das in einem spöttischen Ton, und die kalten, blauen Augen schauten mich durchbohrend an. Ganz offensichtlich hatte er nicht ein Wort von dem geglaubt, was ich gesagt hatte. Er war scharf wie ein Rasiermesser.

      Ich verabschiedete mich und eilte davon.

      Mir war bestätigt worden, daß Sonja und auch Hugo Geld auf ihrem Konto hatten, während sie doch sonst keinen roten Heller besaßen. Hugo fuhr außerdem ein neues, teures Auto. Irgendwo mußten sie auf eine Goldader gestoßen sein, aber wo? Und ob das etwas mit ihrem Tod zu tun hatte? Mammon und Tod wandern gemeinsam...

      Der Verkehr auf der R.C. Effersøesgøta strömte ohne Unterlaß in beide Richtungen, alle wollten zur gleichen Zeit nach Hause, um Mittag zu essen. Man stopfte sich was in den Mund, wobei man Radio hörte, hastete aufs Klo und dann wieder davon. In den meisten Familien arbeiteten beide, da war es nicht besonders lustig, am Ende eines Arbeitstages heim zu den Resten des Mittagessens und dem Abwasch zu kommen, wenn eigentlich das Abendbrot an der Reihe ist. An immer mehr Arbeitsplätzen änderte sich das, die Leute wollten lieber etwas früher fertig sein und nicht mehr mittags nach Hause gehen. Aber diese Veränderung hatte sich noch nicht soweit durchgesetzt, daß die Straßen in Tórshavn vor und nach der Mittagspause leerer waren.

      Ich saß im Kadett und wartete, bis das Schlimmste vorbei war. Ich tat, als nähme ich Tabletten, damit die Leute glaubten, ich stünde mit Recht auf einem Parkplatz der Apotheke, aber vielleicht glaubte doch niemand, daß meine Zigarette ein Wundermittel der Pharmaindustrie sei?

      Als der Autofluß auf der Straße nicht mehr ganz so dicht war, startete ich den Wagen und fuhr Richtung Norden. Ich wollte nach Eysturoy, und wenn es sich machen ließ, rauf aufs Støðlafjall. Und es schien ganz so, als ließe es sich machen, bei hohem Himmel und Sonne.

      Auf dem Weg den Oyggjarvegur hinaufblickte ich auf Tórshavn hinunter, das friedlich und still dalag und sich sonnte. Ich versuchte, soviel wie möglich von diesem Anblick in mich aufzunehmen. In diesem Jahr hatte es bisher wenige schöne Tage gegeben, und es war nicht sicher, daß noch viele kommen würden. Der Winter war hart gewesen, der schlimmste seit Menschengedenken, dann ein nasses Frühjahr, und jetzt fast kein Sommer, so daß niemand noch Hoffnungen für die verbleibenden zwei Sommermonate hegte. Aber heute war alles eitel Freude, die Stadt genoß den Augenblick und stellte sich vor, sie könne, was das Wetter betraf, ebensogut im Mittelmeer liegen. Draußen auf dem Fjord gab es einige Schiffe, die meisten lagen zwischen Borðan und Kirkjubønes, und ich überlegte, ob ich nicht lieber zum Fischen rausfahren sollte. Es gab viele, die ein Boot hatten, es wäre also kein Problem, irgendwo mitzufahren. Ich wußte sowieso nicht, was ich auf dem Støðlafjall wollte und hatte auch nicht viel Hoffnung, daß die Fahrt etwas bringen würde, was ich nicht schon im Voraus wußte. Es wäre bestimmt lustiger zu angeln, als im Gebirge herumzukraxeln.

      Während ich bei dem schönen Wetter weiter in den Norden fuhr, die meiste Zeit ganz allein auf der Straße, träumte ich von Dorschen und Schellfischen, die glänzend über die Reling kamen. Als ich an der alten Walstation bei Air vorbeikam, hatte ich auch einen kleinen Heilbutt gefangen.

      Der Blick vom Støðlafjall war großartig. Der Himmel war blau und wolkenlos. In allen Richtungen ein Berg nach dem anderen, die nächsten hellgrün, um dann in die Ferne hin immer dunkler zu werden. Das Gebirge in der hintersten Reihe hatte einen bläulichen Schimmer, schattenblau. Es lag ein Hauch von etwas Unwirklichem über dem Panorama, man konnte es nicht so recht glauben, es sah zu sehr aus wie auf einer Postkarte. Eine sanfte Brise streichelte die Ebene, und ich hatte das Gefühl, als wollte dieser Windhauch unterstreichen, wie schön und still Land und Meer sich zusammenfügten. Abgesehen von einem grauen Inspektionsschiff, das in schnellem Tempo nach Norøragøta fuhr, lag die Gøtuvík glatt und unberührt. Von oben aus gesehen, aus einer Höhe von fast 600 Metern, ähnelten Bucht und Häusergruppen einer Spielzeuglandschaft, wie man sie auf größeren Bahnhöfen sehen kann. Steck eine Krone rein, und die Züge fahren los. Aber hier gab es keine Möglichkeit, die Krone loszuwerden, und die Gebirge waren keine Spielzeugberge, sondern hohe, steile Berge, von denen man hinunterfallen konnte. So wie Sonja Pæturdóttir.

      Die Ebene auf dem Støðlafjall war groß, man konnte bequem darauf Fußball spielen. Es wuchs ein wenig Gras und Moos, das meiste war jedoch von Kieselsteinen und Schlamm bedeckt. Es gab hier auch ein kleines Haus mit einer großen Antenne, eine Transformatorstation. Sonst war es kahl. Ich ging die östliche Kante entlang, und mir schien es nicht so leicht, hier hinunterzufallen, aber sie war runtergefallen, und zwar ganz offensichtlich, und ich hatte keinen Zweifel daran, daß jemand ihr eine helfende Hand gereicht hatte. Andererseits konnte man sicher im Halbdunkel, leicht betrunken, hinunterstürzen, von daher leuchtete mir der Standpunkt der Polizei auch ein.

      Ich blieb einen Augenblick stehen und schaute die steilen Felswände hinunter, dabei fiel mir ein, daß während des Krieges ein englischer Kapitän hinuntergefallen und gestorben war. Aber er war auf dem Felsen herumgeklettert, das war etwas ganz anderes. Nur zur Syørugøta hin fiel der Berg so steil ab, mehrere hundert Meter fast senkrecht in die Tiefe. Alle anderen Seiten waren zugänglich, jedenfalls einigermaßen. Warum um alles in der Welt war Sonja auf die Idee gekommen, in die einzige Richtung zu gehen, in die sie nicht gehen sollte, wenn die Sicht so schlecht war?

      Während ich dastand, in die verschiedenen Richtungen sah und erneut das Inspektionsschiff entdeckte, das den Silberspiegel der Bucht zerstörte, kam mir der Gedanke, daß es wohl kaum eine Landspitze auf den Färöern gab, an der noch kein Schiff kollidiert war. Ganz gleich, wieviele moderne Instrumente es gab, die Küste wurde torpediert wie nie zuvor. Vielleicht sollte man einmal alle Landzungen auf den Färöern zählen, dagegen alle Kollisionen und die Prozentzahl ermitteln. Außerdem könnte man berechnen, welches die am meisten angefahrene Landspitze ist und ob es noch welche gibt, die ungeschoren davon gekommen sind. Ich schüttelte den Kopf, um all diese unnützen Gedanken loszuwerden. Ich wußte, wie schnell ich mich in irgendwelche bedeutungslosen Sackgassen verirren konnte.

      Außerdem war ein Grund für die vielen Kollisionen, daß die Mannschaft auf einem modernen Frachtschiff nicht groß genug war. Und die wenigen, die es gab, konnten nur auf den Strecken auf offener See schlafen. So kam es vor, daß sie in Landnähe, zwischen den Inseln, während der Wache einschliefen. Schlicht und ergreifend vor Übermüdung. “Du bist nur eine Figur im Schachspiel, bei dem das Geld die Leute regiert”, summte ich. Das Auto stand vor dem großen, grünen Zelt der Zeltmission bei Gøtueiði. Das Zelt hatte vor allem Aufmerksamkeit erregt, weil es die Postnummer 666 hat, die Zahl aus der Offenbarung. Der Rundfunk berichtete oft von Veranstaltungen im Zelt, aber ich hatte nie aufmerksam genug zugehört, um mitzukriegen, worum es sich dabei drehte. Das Zelt stand in einem alten Steinbruch, und mitten am Tag ähnelte es einem Reservelager der Ingenieure, wie es so verschlossen dastand. Aber wer weiß, vielleicht spielten sie da im Dunkeln splitternackt Blinde Kuh,


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