Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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diese Worte seiner Mutter vernahm, errötete er, weil er sein Geheimnis entdeckt sah. Da er aber bedachte, daß niemand besser als sie imstande sei, seinem Verlangen Gewährung zu verschaffen, überwand er seine Scheu und sagte: „Mutter, ich habe meine Liebe nur vor Euch verborgen gehalten, weil ich bemerkt habe, daß die meisten Menschen, wenn sie zu Jahren kommen, sich nicht mehr daran erinnern wollen, daß auch sie einmal jung waren. Weil ich Euch aber hierin so verständig finde, will ich nicht leugnen, daß es sich so verhält, wie Ihr vermutet. Mehr noch, ich will Euch auch offenbaren, wen ich liebe, vorausgesetzt, daß Ihr Euer Versprechen nach Kräften erfüllt, denn nur dadurch könnt Ihr mich gesund machen.“

      Im Vertrauen darauf, daß ihr gelingen werde, was ihr nicht gelang, zumindest nicht so, wie sie sich’s gedacht hatte, erwiderte die Dame in zuversichtlichem Ton, er möge ihr seine Wünsche ohne Bedenken mitteilen, und sie werde sich sogleich bemühen, sein Verlangen zu stillen.

      Darauf sagte der Jüngling: „Liebe Mutter, die hohe Schönheit und das mustergültige Benehmen unserer Jeannette, die Unmöglichkeit, sie meine Liebe erkennen zu lassen, geschweige denn ihr Mitleid zu wecken, und meine eigene Scheu, die mich gehindert hat, zu jemandem von meiner Liebe zu sprechen, haben mich in den Zustand versetzt, in dem Ihr mich jetzt seht. Und sollte aus irgendeinem Grund das unterbleiben, was Ihr mir versprochen habt, so dürft Ihr überzeugt sein, daß mein Leben bald ein Ende nimmt.“

      Die Dame, die spürte, daß es im Augenblick besser war, ihn zu ermutigen, statt ihm Vorwürfe zu machen, antwortete lächelnd: „Darum also hast du dich krank gegrämt? Nun, wenn es das ist, so sei guten Mutes und lasse mich sorgen, sobald du wieder gesund bist.“

      Von froher Hoffnung erfüllt, wies der Jüngling binnen kurzem Zeichen entschiedener Besserung auf, und die Dame, hocherfreut über den Erfolg, dachte nun daran, wie sie das dem Sohn gegebene Versprechen erfüllen wolle. Zu diesem Zweck rief sie eines Tages Jeannette und fragte sie unter freundlichen Scherzen, ob sie einen Liebsten habe. Jeannette errötete über und über und erwiderte: „Gnädige Frau, für ein armes, von Hause verstoßenes Mädchen wie mich, das in fremden Diensten steht, ziemt es sich nicht, sich mit der Liebe abzugeben.“ Darauf sagte die Dame: „Wenn Ihr denn keinen Liebhaber besitzt, so wollen wir Euch einen verschaffen. An dem sollt Ihr Eure Freude haben und Eurer Schönheit erst recht froh werden. Ein so schönes Mädchen wie Ihr darf nicht ohne einen Liebsten sein.“ „Gnädige Frau“, entgegnete darauf Jeannette, „Ihr habt mich der Armut meines Vaters entrissen und wie eine Tochter aufgezogen. Darum wäre es meine Pflicht, alles zu tun, was Ihr verlangt. In diesem einen Punkte aber kann ich Eurem Willen nicht gehorchen und glaube, daran recht zu tun. Wenn es Euch gefällt, mir einen Mann zu geben, so werde ich den lieben, aber keinen andern; denn mir ist von dem Erbe meiner Vorfahren nichts geblieben als die Sittsamkeit, und so will ich die hüten und bewahren, solange mein Leben währt.“

      Diese Worte waren dem Plane sehr entgegen, den die Dame ersonnen hatte, um das dem Sohn gegebene Versprechen zu erfüllen, obwohl sie, verständig wie sie war, in ihrem Herzen das Mädchen dafür um so höher achten mußte. Sie sagte darauf: „Wie aber, Jeannette, wenn unser gnädiger Herr König, der ein junger Ritter ist, von deiner Liebe eine Gunst begehrte, weil du ein schönes Mädchen bist? Würdest du sie ihm abschlagen?“ Sogleich erwiderte jene: „Gewalt könnte mir der König antun, aber mit meinem Willen erlangte er nie etwas anderes von mir, als was der Sittsamkeit gemäß ist.“

      Die Dame sah nun wohl, wie es um die Gesinnung des Mädchens stand. Deshalb sparte sie sich weitere Reden und sanndarauf, sie durch die Tat auf die Probe zu stellen. Deshalb sagte sie zu ihrem Sohn, sie werde ihn, sobald er genesen sei, mit dem Mädchen in eine Kammer bringen. Dann möge er versuchen, selbst ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen; denn es scheine ihr unschicklich, wie eine Kupplerin ein gutes Wort für ihren Sohn einzulegen und ein Mädchen zu bitten, das in ihren Diensten stehe.

      Der junge Mann war mit diesem Vorschlag keineswegs zufrieden und wurde alsbald wieder um vieles kränker. Als die Mutter das sah, gab sie Jeannette in aller Offenheit ihre Wünsche zu erkennen, fand diese aber noch standhafter als zuvor. Darauf erzählte sie alles, was sie bisher getan hatte, ihrem Gemahl. So schwer es ihnen auch fiel, entschlossen sie sich dennoch gemeinsam, Jeannette ihrem Sohn zur Frau zu geben, da sie immer noch lieber den Sohn unstandesgemäßverheiratet, aber lebendig als unverheiratet und tot sehen wollten. Und so taten sie denn nach vielem Hin- und Herreden wirklich. Jeannette freute sich dessen innigst und dankte Gott aus vollem Herzen, daß er sie nicht vergessen habe, sagte aber dennoch nichts anderes, als sie sei die Tochter eines Pikarden. Der junge Mann genas, feierte sein Hochzeit, fröhlich wie kein anderer, und begann die Freuden zu genießen, welche die Liebe ihm bot.

      Inzwischen hatte sich Pierrot, bei dem anderen Marschall des Königs von England aufwachsend, ebenfalls die Gunst seines Herrn erworben. Er war schön von Gestalt und so wacker wie kein anderer auf der Insel, so daß in Kampfspielen und Turnieren niemand unter den Einheimischen sich der Waffen so mächtig erwies wie er. So war er denn unter dem Namen Pierrot der Pikarde, den sie ihm beigelegt, überall gekannt und geehrt. Wie aber Gott seine Schwester nicht vergessen hatte, so zeigte sich bald, daß er auch seiner gedachte. Es kam über jene Gegenden eine verheerende Seuche, die fast die Hälfte der Bevölkerung hinwegraffte, davon ganz zu schweigen, daß auch von den übrigen so viele in ferne Landschaften flohen, daß das Land völlig verlassen zu sein schien. In diesem allgemeinen Sterben kamen auch Pierrots Herr, der Marschall, dessen Gemahlin und Sohn nebst mehreren anderen Brüdern, Neffen und Verwandten des Hauses um, so daß niemand übrigblieb als eine schon mannbare Tochter, Pierrot und einige andere Diener. Als die Seuche ein wenig nachgelassen hatte, entschloß sich die junge Dame auf den Rat und zur Freude einiger am Leben gebliebener Nachbarn, Pierrot als einen tapferen und tüchtigen Menschen zum Manne zu nehmen, und machte ihn zum Herrn über alles, was ihr durch Erbschaft zugefallen war. Auch dauerte es nicht lange, so vernahm der König von England den Tod des Marschalls und ernannte darauf Pierrot den Pikarden, dessen Tüchtigkeit ihm bereits bekannt geworden war, an Stelle des Verstorbenen zu seinem Marschall.

      Dies sind in kurzen Zügen die Schicksale der beiden unschuldigen Kinder des Grafen von Antwerpen, die dieser als verloren zurückgelassen hatte.

      Es waren schon achtzehn Jahre verstrichen, seit der Graf aus Paris entflohen war, als er nach mancherlei Leiden und gar dürftigem Leben Lust bekam, Irland, wo er sich bisher aufgehalten hatte, zu verlassen, um nun, im Alter, zu vernehmen, was aus seinen Kindern geworden war. Er sah wohl, daß er in der langen Zeit seine Gestalt völlig verändert hatte, auch war er durch die langen körperlichen Anstrengungen rüstiger geworden als zuvor, während er in der Muße lebte. So verließ er, arm und schlecht gekleidet, wie er war, den Herrn, bei dem er lange Zeit gelebt hatte, und fuhr nach England hinüber. Zunächst ging er an den Ort, wo er Pierrot zurückgelassen hatte, fand ihn als einen großen Herrn und königlichen Marschall wieder und sah, daß er gesund und kräftig und schön von Gestalt geworden war. Zwar freute er sich darüber herzlich, doch wollte er sich nicht eher zu erkennen geben, als bis er über Jeannette Auskunft erhalten hatte.

      Zu diesem Zweck machte er sich auf den Weg und gönnte sich keine Ruhe, bis er in London angekommen war. Hier fragte er sorgfältig nach der Dame, welcher er die Tochter gelassen, und nach ihren Familienverhältnissen und erfuhr, daß Jeannette die Frau ihres Sohnes geworden war. Seine Freude darüber war so groß, daß er alles vergangene Ungemach gering achtete, weil er seine Kinder lebend und in glücklicher Lage wiedergefunden hatte. Voller Verlangen, die Tochter wiederzusehen, ging er nun täglich in der Nähe ihres Hauses betteln. Hier sah ihn eines Tages Jakob Lamiens, denn so hieß der Gemahl Jeannettes, und er erbarmte sich des armen alten Mannes. Er befahl einem seiner Diener, ihn ins Haus zu führen und ihm zu essen zu geben. Der Diener tat willig, was ihm geboten war. Jeannette aber hatte Jakob schon mehrere Kinder geboren, von denen das älteste nicht mehr als acht Jahre zählte und die sämtlich die hübschesten und artigsten Kinder von der Welt waren. Als diese den Grafen essen sahen, waren sie gleich alle um ihn her und taten ihm schön, als ob sie, von einer verborgenen Kraft getrieben, geahnt hätten, daß er ihr Großvater sei. Der Graf wurde bald gewahr, daß er seine Enkel vor sich hatte, und herzte und liebkoste sie, weshalb denn die Kinder nicht von ihm lassen wollten, soviel auch der, dem die Aufsicht über sie oblag, nach ihnen rief. Jeannette hörte das und kam aus einem anstoßenden Gemach in das Zimmer, wo sich der


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