Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien. Dirk van den Boom

Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien - Dirk van den Boom


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ich doch. Frühstück.« Kamgung grinste und begann, in den Regalen der kleinen Küche zu rumoren. »Ist noch Reiskuchen da? Ich habe irren Kohldampf auf Reiskuchen!«

      »Im Schrank. Die letzten sechs. Wann kommt der Nachschub?«

      Man verlor das Gefühl für Zeit hier draußen, für die Tageszeit ebenso wie für das Datum. Auch Kamgung musste erst einmal angestrengt nachdenken, um die Frage zu beantworten.

      »Drei Tage.«

      »Drei Tage nur Kimchi«, schlussfolgerte Choi, ohne Bedauern oder Schmerz in der Stimme. Es gab Schlimmeres. Sie würden auf die Jagd nach Schneehasen gehen und sich einen Braten machen, das verschaffte Kraft und Abwechslung. Für Ersteres hatten sie zwar keine Verwendung, Letzteres aber war immer hochwillkommen.

      »Das Kimchi ist super«, meinte Kamgung. Er war in der Tat absolut in der Lage, sich nur von der Leib-und-Magen-Speise zu ernähren, ohne dabei die geringste Klage zu erheben. Choi aber verlangte es nach Abwechslung und er wusste, dass eine solche generell gut für die Moral war. Seine Männer waren schlecht gelaunt, weil es hier tödlich langweilig war, und obgleich sich die Aggressionen noch in Grenzen hielten, war jeden Tag morgens, mittags und abends das gleiche Essen nichts, was dem zuträglich war. Choi war verantwortlich. Er hatte nichts zu tun, er war abgestellt worden, zumindest fühlte er sich so, und seine eigene Frustration wuchs jeden Tag.

      Aber er war verantwortlich.

      Also war es an der Zeit, den Schnaps beiseitezustellen. Mit betont exakten Bewegungen verschloss er die Flasche und schob sie von sich, ein symbolischer Akt, der bei Kamgung zu einem beifälligen Nicken führte.

      »Ich gehe zu den Bauern. Vielleicht haben die ein paar Reiskuchen, oder Jeonggwa.« Chois Gesicht bekam für einen Moment einen träumerischen Eindruck. Er hatte in den Jahren beim Militär gelernt, sich zu bescheiden und nicht allzu viel Luxus zu erwarten, auch nicht als Offizier, erst recht nicht, seit er offenbar unter strenger und tendenziell eher kritischer Beobachtung stand. Aber Jeonggwa, das war ein kleiner, flüchtiger Genuss, nach dem er sich hin und wieder sehnte. Es waren in Honig gekochte Früchte oder Nüsse, die dadurch lange haltbar waren und manchmal auch gut in den Winter gerettet werden konnten. Wenn er irgendwas anzubieten hatte, was eine Bauersfrau dazu überreden konnte, sich von einem kleinen Vorrat zu trennen – der träumerische Ausdruck wollte sein Gesicht gar nicht mehr verlassen.

      »Zu den Kims? Haben hübsche Töchter!« Kamgung schnalzte mit der Zunge. Obgleich er gerne solche Sprüche machte, war er tatsächlich sehr harmlos, sobald er den hübschen Töchtern auch einmal begegnete. Da verhielten sich alle hier stationierten Männer überraschend tadellos. Choi hatte da schon andere Dinge gehört und erlebt, und die meisten davon waren wenig ehrenvoll gewesen.

      Indien, erinnerte er sich. Das waren keine schönen Gedanken.

      »Ich interessiere mich für Jeonggwa«, sagte der Offizier betont zurechtweisend.

      »Ich bin hier der Älteste. Da sollte sinnlose Fresserei meine Präferenz sein.«

      »Dir reicht ein Berg Kimchi und eine Tasse Tee.«

      Der ältere Mann seufzte. »Es ist wahr. Ich sollte vehement widersprechen, aber es ist wahr. Wenn du Reiskuchen mitbringst, bin ich dankbar, oh tapferer Anführer. Wenn du dieses Honigzeugs beschaffst, dann lasse ich die Finger davon. In meinem Alter setzt das zu schnell an.« Er tappte sich auf den Bauch, der in der Tat aus etwas mehr als nur Muskeln bestand. Und der Dienst hier beförderte das nur. Es wurde so kalt und windig, dass es an vielen Tagen kaum möglich war, sinnvoll auf Streife zu gehen. Stürmten die Schneemassen auf einen ein, konnte man die Hand vor den Augen kaum erkennen. Und in letzter Zeit war es häufig zu Schneestürmen gekommen.

      Jetzt aber schien es langsam aufzuklaren. Choi warf einen prüfenden Blick ins Freie, erkannte, wie sich die Konturen der rauen Landschaft deutlicher abzeichneten, der Himmel sich zu zeigen begann. Mit etwas Glück war jetzt für einige Stunden Ruhe und damit genug Zeit, sich auf Handelsmission zu begeben.

      »Was haben wir an Geld?«

      Kamgung verwaltete die gemeinsame Kasse. Die Bauern konnten im Winter mit den Won nichts anfangen, aber sobald der Frühling kam, wurde auch wieder gehandelt. Dann machte sich ein voller Beutel ganz gut und so war das Ansinnen der Soldaten, ehrlichen Handel zu betreiben, durchaus gerne gesehen. Die Preise waren entsprechend. Aber Choi rühmte sich, kein schlechter Händler zu sein und beim Feilschen zu guten Ergebnissen zu kommen. Daher überreichte ihm Kamgung den kleinen Beutel mit den Münzen, ohne weiter zu zögern. Er wusste das Geld in guten Händen.

      Es dauerte keine fünf Minuten und Choi stand im Freien, angetan mit einer dicken, gefütterten Winterjacke, einer passenden Mütze, festen Stiefeln und Handschuhen. Die Winterausrüstung der Armee war von hoher Qualität und schützte vorbildlich, dennoch trieben der beißende Wind und die durchdringende Kälte dem Mann Tränen in die Augen. Er atmete vorsichtig ein, um seine Lunge langsam an die klirrende Luft zu gewöhnen, dann sah er den Weg hinab in Richtung seines Ziels: Das Gehöft des nächstgelegenen Bauern war zu Fuß in etwa zwanzig Minuten zu erreichen und jetzt, da es aufklarte, war es sogar in der Ferne gut zu erkennen. Mit einem leeren Rucksack auf dem Rücken marschierte es sich leicht und so setzte sich der Offizier in Bewegung. Die Kälte vertrieb auch die vom Schnaps ausgelöste Leichtigkeit aus seinem Kopf.

      Das war eher bedauerlich.

      Es war die Stille, die es hier draußen so eigentümlich machte. Der ständige Schnee dämpfte alle Geräusche und mit seinem oft sehr dichten Gestöber auch die Wahrnehmung durch die Augen. Es war, als wäre alles in Watte gepackt, und wenn es dann auch noch trübe war, schien es, als würde einem alles entgleiten, da es nichts mehr gab, auf das man seine Aufmerksamkeit heften konnte. Jetzt, ohne Schnee und beim Blitzen der Sonne auf der weißen Pracht, verflog dieser Eindruck, und das Knirschen des Weiß unter seinen Sohlen untermalte seinen Marsch nachdrücklich. Er musste aufpassen, dass er nicht ausrutschte, denn oft genug lag unter den Flocken eine Eisdecke, gerade dort, wo der Weg so uneben war, dass sich Wasser ansammelte, wenn der Schneefall einmal durch Regen ersetzt wurde.

      Doch Choi ging hier nicht das erste Mal. Er kannte die Tücken. Die Augen fest auf sein Ziel geheftet, erreichte er das Gelände des Gehöfts in der kalkulierten Zeit. Die Haut auf seinem Gesicht war kalt und fühlte sich taub an, der Rest seines Körpers aber war warm. Die Kleidung isolierte hervorragend und er war mit vollem Bauch gestartet, es gab genug Energie zum Verbrennen. Mit einer Faust hämmerte er gegen die Eingangstür des flachen Gebäudes und Augenblicke später öffnete sie sich. Ein Mann mittleren Alters mit zerknittertem, wettergegerbtem Gesicht und einem sofortigen Erkennen in den Augen. Er schob die Tür ganz auf.

      »Ah, der Offizier. Ye-Eun! Hier will jemand sich aufwärmen!«

      Die Frau des Hauses, klein, rundlich, mit ähnlich von der Natur gezeichnetem Gesicht und geschäftigen Händen, tauchte auf, als Choi hineingebeten wurde. Ihr Gatte zog sich mit einer höflichen Verbeugung zurück. Geschäftliches überließ er seiner Frau, die mit Geld offenbar besser umgehen und auch hartnäckiger handeln konnte. Es lag wohl an ihrem Lächeln. Man wollte nicht zu rücksichtslos handeln, nicht den Offizier herauskehren, die eigene Autorität zur Geltung bringen, wenn man dieses mütterliche Lächeln sah. Choi ging davon aus, dass Ye-Eun das absolut wusste und diese Gabe mit ihrer eigenen Rücksichtslosigkeit zur Wirkung brachte. Den Offizier weichzulächeln, schien ihm jedoch eine erträgliche Folter, und da die anstehenden Verhandlungen mit einem Platz am Steinofen, einer Tasse Tee und etwas Gebäck begleitet wurden, konnte er ihr beileibe nicht böse sein.

      Was bedeutete, dass ihr ein lukrativer Nachmittag bevorstand.

      »Wie ergeht es unseren tapferen Kriegern?«, fragte sie, als sie ihm Tee in eine irdene Tasse eingoss, die sie zweifelsohne auch selbst hergestellt hatte.

      »Sie langweilen sich tapfer.«

      »Lieber Langeweile als der Tod.«

      Ye-Eun wusste, wovon sie sprach. Abgesehen von ihren beiden Töchtern hatte sie zwei weitere Kinder, einen Sohn und eine Tochter, beide in den Streitkräften Baekyes tätig. Sie sprach nicht gerne über sie, war vorsichtig in Gegenwart eines Offiziers, aber es bedurfte nicht vieler


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