Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien. Dirk van den Boom

Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien - Dirk van den Boom


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offener gegenüberzustehen. Er beneidete sie ein wenig um diese Haltung.

      Verdammt, ihm war immer noch richtig schlecht! Er legte eine Hand auf seinen Magen, ritt den aufwallenden Krampf ab und stöhnte kurz, obgleich er es gar nicht wollte. Er spürte Terzias Hand auf seiner Schulter, gleichermaßen Trost wie Aufforderung.

      »Wir müssen die Luke öffnen!«, sagte die Frau mit Nachdruck.

      »Aber wir wissen nicht, was uns da draußen erwartet!«

      »Deswegen müssen wir sie ja öffnen.«

      Köhler kam gegen diese entwaffnende Logik nur schwer an, war jedoch darauf bedacht, in der Enge ihres Gefährts keinen Streit zu beginnen. Die Luke hatte ein Fenster, mehr ein glorifiziertes Guckloch, das von innen verschlossen wurde. Er schob die Abdeckung langsam beiseite und versuchte, etwas zu erkennen.

      »Es ist dunkel!«, stellte er fest.

      »Vielleicht ist Nacht.«

      »Vielleicht sind wir mitten in einem Berg gelandet.«

      Terzia schüttelte den Kopf und hob das Handbuch in der metallenen Kladde, das sich an Bord befand und in dem, so Seliger, allerlei interessante Informationen zum Betrieb dieser Kapsel niedergelegt waren. Dass Terzia als Wissenschaftlerin in einem ersten Reflex zur Literatur gegriffen hatte, um ihre Fragen zu beantworten, war nicht überraschend. Sie hatte wahrscheinlich auch deutlich weniger Kopfschmerzen.

      »Das hier sagt, so etwas gäbe es nicht.«

      »Dann unter Wasser.«

      »Die Kapsel ist nur kurze Zeit wasserdicht. Es gibt über der Luke ein Außenlicht. Da, das ist der Schalter.«

      »Moment. Dieses Ding sagt uns doch die Jahreszahl an, oder?«

      Köhler zeigte auf eine Anzeige. Terzia nickte. Sie lasen beide: 1920.

      Das war ein wenig wie ein Schlag mit einem nassen Lappen mitten ins Gesicht. Es vertrieb den Schmerz und Köhler starrte auf die Zahlen. So richtig glauben konnte er es nicht.

      »Verdammt!«, murmelte Köhler. »Das ist … sehr, sehr weit in der Zukunft.«

      »Es ist, kurze Zeit nachdem die Kaiserkrieger in die Vergangenheit gereist sind«, versuchte Terzia etwas umständlich die richtige Aussage zu treffen. Köhler verstand sie natürlich sofort.

      Er zögerte nicht länger und legte den Schalter um. Durch das Guckloch war der Lichtschimmer gut erkennbar und der Mann lugte wieder hindurch.

      »Nein, kein Wasser. Es ist Nacht. Wir stehen im Freien, ich sehe Erdboden, einige Pflanzen, aber keine Bewegung, niemanden, auch keine Gebäude. Wir werden gewiss keine unmittelbare Aufmerksamkeit errungen haben.«

      »An welchem Ort sind wir herausgekommen?«, fragte Terzia sich sinnierend. »Wird man uns hier verstehen? Und ist unser Gegner bereits hier angekommen und hat irgendwelche üblen Machenschaften begonnen?«

      »Angekommen gewiss, wenn unsere Kapsel seiner Spur gefolgt ist.«

      »Falls dem so ist.«

      Köhler seufzte. »Es passt mir nicht, aber wir sollten die Luke tatsächlich öffnen. Ich brauche etwas frische Luft.«

      Sie traten ins Freie. Die Luft war frisch und bemerkenswert kühl. War hier vielleicht Winter? Terzia atmete geräuschvoll ein.

      »Sumpf. Es gibt Sumpf in der Nähe, wenn du mich fragst. Oder zumindest ein flaches, stehendes Gewässer mit viel feuchter Erde drumherum.«

      Köhler nickte, streckte seine Beine. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, und er wollte sich nicht weit von der Kapsel fortbewegen. Er lauschte, doch außer ein paar fernen Tiergeräuschen war nur das Rauschen eines sehr sanften Windes zu vernehmen, das Geraschel von Blättern oder Gräsern. Über allem lag eine Atmosphäre des Friedens, doch davon ließ er sich nicht täuschen. Das war eine Wahrnehmung, die viel mehr seinem Bedürfnis als den Tatsachen entsprach, vor allem, da in der Dunkelheit Letztere vor ihm verborgen blieben. Er gemahnte sich zur Vorsicht. Doch so angespannt und aufmerksam er seine Umgebung auch beobachtete, keine plötzliche Gefahr machte sich bemerkbar.

      Sein Magen grummelte. Das war keine plötzliche Gefahr. Hunger. Aber es konnte ein Problem werden.

      »Wir müssen zurückkehren«, sagte er. »Egal, wo wir hier sind, wir müssen in unsere Zeit.«

      »Nein.«

      Die klare, ablehnende Haltung Terzias kam nicht überraschend. Bereits als Seliger mit seinen Schilderungen begonnen hatte, war Köhler keinesfalls entgangen, wie fasziniert die Wissenschaftlerin darauf reagiert hatte. Ihre Augen hatten einen ganz eigentümlichen Glanz eingenommen, und als Seliger seine Absicht ausgesprochen hatte, Köhler auf diese Reise zu schicken, als Jäger durch die Zeiten, war seine unmittelbare und spontane Abneigung von ihr … nun, jedenfalls nicht halb so energisch unterstützt worden, wie er sich das wünschte.

      »Terzia, das ist unvernünftig.«

      »Wenn stimmt, was der alte Mann uns gesagt hat, ist es das Gegenteil.«

      »Du glaubst das im Ernst?« Köhler schüttelte den Kopf. »Was ist das überhaupt für eine Geschichte? Ein verrückter Zeitreisender bringt das Gefüge von Raum und Zeit in Erschütterung und droht die ganze Welt zu vernichten? Wer denkt sich so was aus? Wer glaubt so was? Wer will so was ernsthaft hören?«

      »Die Fakten passen zu der Geschichte. Dein Vater wäre sonst nicht in unsere Zeit gereist und du würdest gar nicht existieren.«

      »Das behauptet Seliger.«

      Terzia zeigte auf die sanft im Sternenlicht schimmernde Kapsel.

      »Er hat da etwas, mit dem er seine Theorie untermauern kann, und das ist mehr, als jede andere Theorie bisher aufzubieten hatte. Und die Tatsache allein, dass wir Zeuge des Angriffes dieses Irren wurden, der ganz offensichtlich versucht hat – zum exakt richtigen Zeitpunkt! –, uns alle drei auszuschalten – das ist ebenfalls ein starkes Argument dafür, dass Seliger recht hatte. Und dass es jetzt an uns ist, Schlimmeres zu verhindern.«

      Köhler rang ein wenig um Worte. Er konnte ja gar nicht abstreiten, dass Terzias Haltung keinesfalls völlig absurd war. Er hatte all das ja miterlebt, er hatte sogar Dinosaurier gesehen, ein weiteres Beispiel für die immer brüchiger werdende Zeit, deren Durchlässigkeit keine Laune der Natur sein konnte.

      »Terzia, ich weiß nicht …«, sagte er dann bemerkenswert kraftlos. Er fühlte ihre Hand auf seiner Schulter, wie sie zu seinem Nacken wanderte, sanft seine Wirbelsäule kitzelte.

      »Ich weiß, mein Großer«, hörte er sie flüstern und ihr warmer Atem strich über seinen Hals. »Du hast Angst.«

      »Du nicht?«

      »Oh ja! Aber ich weiß auch, was ich möglicherweise alles zu sehen bekomme, zu hören, zu fühlen, zu erfahren und zu lernen. Es ist nicht nur die Notwendigkeit, eine Katastrophe zu verhindern! Es ist die Chance, ein ganzes Universum menschlicher Geschichte zu erforschen, Dinge zu sehen, die wir nur erahnen, und damit die Menschheit auf eine Art kennenzulernen, wie es niemals sonst jemandem gestattet ist. Wie kann ich diese Chance verstreichen lassen?«

      Köhler nickte langsam. So war sie. Aber war er genauso?

      »Wenn du es nicht kannst«, hörte er sie leise sagen, mit der Andeutung von Schmerz und Enttäuschung in der Stimme, »dann reise zurück und ich tu es alleine.«

      An ihrer Entschlossenheit konnte es keinen Zweifel geben. Dies war nicht die Frau, die solch eine Möglichkeit, so eine faszinierende Reise für einen Mann opfern würde, egal was sie für ihn empfand. Und aus irgendeinem Grunde, den Köhler selbst nicht so recht verstand, machte ihn das mit einem Male sehr stolz – und half ihm, zu einer eigenen Entscheidung zu kommen.

      »Ich lass dich nicht hängen«, sagte er.

      »Es geht nicht nur um mich.«

      »Mir geht es sehr wohl um dich.«

      Terzia sah ihn prüfend an, als überlege sie,


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