Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien. Dirk van den Boom

Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien - Dirk van den Boom


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ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Er wusste gar nichts darauf zu sagen, starrte die Frau einen Moment ratlos, ja überrumpelt an. Die Hauptstadt. Das war nicht irgendein Ort, irgendein Posten. Es war … die Hauptstadt!

       Verdammt!

      »Pjöngjang? Ich?«

      »In der Tat.«

      Das war keine richtig gute Nachricht. Als eine der ältesten Städte dieser Region hatte sich Pjöngjang, nach allem, was man hier durch die Zeitreisenden von der Zukunft erfahren hatte, als Hauptstadt durchgesetzt. Weil sie das auch in ihrer Zeit war und weil … nun, der Geliebte Marschall es eben so befohlen hatte.

      Und es war damit kein Ort, den man einfach so besuchte. Da dort die geheiligte Person des Geliebten Marschalls residierte, wurde der Zugang sehr restriktiv gehandhabt. Nur Bürger mit einem Passierschein konnten die Metropole betreten. Den Passierschein bekam man auf unterschiedlichen Wegen, Voraussetzung war aber in jedem einzelnen Fall eine sehr intensive und zeitaufwendige Sicherheitsprüfung. Und jemand, der einmal in einem Lager gesessen hatte … nein, das war im Grunde ganz ausgeschlossen.

      »Das kann ich nicht glauben.«

      Die Bauersfrau nickte verständnisvoll.

      »Jetzt verstehen Sie gewiss, warum wir so viel Zeit benötigt haben. Sie wurde dringend gebraucht, um die Hürden zu überwinden, die Sie sich gerade, nicht unberechtigt, ausmalen.«

      »Was soll ich in der Hauptstadt tun?«

      »Wir müssen etwas über den Großen Plan erfahren.«

      Choi runzelte die Stirn. Er hörte das allererste Mal von diesem Begriff, konnte ihn nicht einordnen. Alles in Baekye war, soweit es vom Marschall kam, irgendwie »groß«, tatsächlich war dieses Adjektiv angesichts der sonst weitaus blumigeren Lobpreisungen und Beschreibungen eher als bescheiden und zurückhaltend zu bewerten.

      »Ich habe davon noch nie gehört.«

      »Wir auch erst vor Kurzem, und allein für die Preisgabe der bloßen Existenz dieses Vorhabens starben zwei Menschen.« Ye-Eun sagte es mit unbewegter Stimme. »Wir wissen nur, dass es eine Sache ist, die militärische Auswirkungen hat, machtpolitische Konsequenzen, etwas, das die oberste Ebene um den Marschall in große Aufregung, ja Begeisterung versetzt. Gewiss in große Erwartung. Wir müssen es wissen, damit wir einschätzen können, ob es zu verhindern ist. Es wird Zeit, dass wir handeln.«

      »Und mich haben Sie dafür auserkoren?«

      »Sie und die siebzehn, die wir hier versammelt haben.«

      Choi starrte sie an.

      »Wie bitte?«

      Ye-Eun lächelte, es war nicht das warme Lächeln einer wohlmeinenden Bauersfrau. Es war das Lächeln eines Raubtiers, das sich darüber freute, dass seine Beute die eigene Situation zu erkennen begann. Choi fühlte sich angesichts dieser Mimik ein klein wenig unwohl. Schnell nahm er noch einen Schluck Tee. Der war jetzt kalt und bitter. Das machte ihm alles keine Freude mehr.

      »Sie haben sich gewiss gefragt, warum man Sie hier so hat leiden lassen.«

      »Die Frage drängte sich mir auf.«

      »Sie werden alle an unterschiedlichen Stellen in der Hauptstadt einsickern. Es hat lange gedauert, für alle Passierscheine zu erhalten und damit eine ausreichende Tarnung. Wir durften nichts erfinden, wir mussten auf Gelegenheiten warten. Eigentlich hatten wir mit mehr gerechnet. Ursprünglich bestand die Gruppe aus 25 Leuten.«

      »Was geschah mit den restlichen acht?«, wagte Choi die Frage.

      »Sie haben es nicht geschafft.«

      Choi sah die Frau an, deren Gesicht mit einem Mal eine Totenmaske war, ermahnte sich selbst, keine unnötigen Nachfragen zu stellen. Wenn bereits in der Vorbereitung dieser beachtlichen Aktion mehr als ein Fünftel der Widerständler entdeckt und getötet worden waren oder, was wahrscheinlicher war, sich selbst vor unausweichlicher Entdeckung aus dem Spiel gebracht hatten, dann sagte das alles, was er über das Risiko wissen musste.

      »Angst? Rückzieher?«, fragte sie.

      »Nein. Aber danke für die Möglichkeit.«

      »Es war nur eine Frage. Ein Rückzieher wäre ein Risiko an sich. Ich bin mir nicht sicher, ob es gut wäre, wenn Sie das überleben. Allein schon deswegen, weil es nach all der Arbeit schwierig wäre, Sie woanders unterzubringen, ohne Verdacht auszulösen.«

      Sie sagte es ohne sichtbare Anteilnahme. Wie sehr man sich doch in einem Menschen irren konnte. Und wie kalt dieses System alle darin machte, sowohl jene, die es unterstützten, wie auch jene, die sich gegen es wandten.

      Er beugte sich nach vorne.

      »Ich weiß, dass ich nicht erfahren werde, wer diese Infiltration geplant hat«, begann er. »Aber Sie wollten 25 schicken und entsenden jetzt 17. Ehrliche Frage, ehrliche Antwort: Von wie vielen von uns erwarten Sie, dass wir diese Mission überleben und danach jemals wieder eine weitere werden antreten können?«

      Auf das Gesicht der Frau stahl sich nun ein bedauerndes Lächeln.

      »Tja«, machte sie, schüttelte den Kopf. »Es gibt da unterschiedliche Sichtweisen. Wir haben wenig Vergleichsmöglichkeiten, eine solche Operation haben wir vorher noch nie geplant. Es gibt viele Unwägbarkeiten, auf so vielen Ebenen, und …«

      »Wie viele?«

      Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn es einer von Ihnen schafft, sind wir bereit, es als Erfolg anzusehen.«

      Sie sah ihn abwartend an, seine Reaktion genau abschätzend. Choi sagte für einen Moment gar nichts, dann nickte er.

      »Das Gebäck ist gut«, murmelte er.

      Da war wieder dieses mütterliche Lächeln, so falsch wie hier fast alles.

      »Danke, ich habe es selbst gemacht. Ein altes Familienrezept.«

      Und dann war es Zeit für den Rückweg.

      4

      Der Schwindel ließ nach und gab allen anderen schlechten Eindrücken Raum: Übelkeit, Gliederschmerzen, einem starken Druck auf dem Kopf, brennenden Augen. Es war keine Grippe, dessen war sich Köhler durchaus bewusst, aber es war durchgehend unangenehm, ein Gefühl von Erschöpfung und Schmerz, das jede Faser seines Körpers durchströmte und durch seine ungemütliche und absolut unentspannte Haltung auf dem Stuhl, festgeschnallt und in jeder Bewegung eingeschränkt, nur noch potenziert wurde.

      Es war so unangenehm, es dauert tatsächlich einige Sekunden, bis ihm siedend heiß einfiel, dass er ja nicht alleine war.

      »Terzia!« Es war ein Krächzen.

      »Wach?« Ihre Stimme klang weitaus entspannter und weniger gestresst als die seine. Ein Gefühl der Erleichterung wusch für einen Moment den Kopfschmerz weg.

      »Wie geht es dir?«

      »Beschissen. Wir sind da.«

      »Wo sind wir?«

      Im Halbdunkel der Zeitkapsel war das Gesicht seiner Gefährtin nur undeutlich auszumachen, obgleich die Instrumentenbeleuchtung sowie ein rötliches Notlicht einen Schimmer in das Innere des Gefährts warfen. Die Metallkonstruktion knackte etwas, als müsse sich beanspruchtes Material entspannen.

      »Die Frage ist doch eher, wann wir sind.«

      Terzia hatte absolut recht. Sie waren dem Attentatsversuch mit Glück entkommen, dem Seliger III. zum Opfer gefallen sein musste, und hatten sich auf eine Jagd begeben, zu der zumindest Köhler eigentlich absolut nicht bereit gewesen war. Aber weder das Schicksal noch Terzia – zwischen beidem waren die Unterschiede sowieso eher vage – hatte sich um seine Einwände gekümmert. Die Kapsel war aktiviert worden, und wie Seliger es ihnen erklärt hatte, folgte sie dem Zeitsprung ihrer Nemesis, des Mannes, der für so viel Unheil verantwortlich war und dessen fortgesetzte Aktivitäten drohten die Struktur von Raum und Zeit dauerhaft in Mitleidenschaft zu ziehen.

      Soweit


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