Gott singt. Ulrike Gadenne

Gott singt - Ulrike Gadenne


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hatte ich einen Traum: Baba in einer Ansammlung mehrerer Menschen. Meine Mutter spricht mit Ihm, die anderen sind in ihre Probleme verwickelt und sehen Baba nicht.

      Gegen 24 Uhr fliegt eine Eule, ein Käuzchen, vom Alten Mandir (der »Alte Tempel« ist der Vorläufer des neuen und wird für viele Zwecke benutzt) und landet in der Nähe im Hof des Tempels. Gewöhnlich sitzt fast jeden Abend eine Gruppe dieser kleinen weißen Eulen mit den ausdrucksstarken Gesichtern hoch oben auf der Spitze des Tempels und macht sich mit merkwürdig zwitschernden Lauten bemerkbar. Es scheint, dass das Käuzchen verletzt ist, denn selbst als eine Devotee ihm eine Schale mit Wasser bringt, bleibt es sitzen.

      Durch die Ungeschicklichkeit des Wachmannes, der offenbar meint, es verscheuchen zu müssen, erschreckt es sich, flattert auf und fliegt Richtung Flussmauer, dorthin, wo in der Ecke ein Brunnen ist, der mit einem schweren, einzementierten Eisengitter gesichert ist. Ganz gegen Seine Gewohnheit springt Baba vom Spiel auf, ohne es zu beenden, folgt dem Tier und sagt: »Wir wollen es fangen und pflegen!« Über dem Brunnen an der Mauer hängt es kopfüber, festgekrallt mit einem Fuß. Als wir uns nähern, lässt es aus Angst los und fällt in das Wasser. Alle stehen erschrocken um das Eisengitter und schauen in die Tiefe. Das schwache Licht einer Taschenlampe spiegelt sich auf dem Wasser, etwa drei Meter unter dem Gitter. Dort schwimmen nur ein paar alte Blätter. Die Eule ist nicht zu sehen. Niemand spricht ein Wort, aber allen scheint klar, dass angesichts der Umstände – Dunkelheit, Eisengitter, Tiefe der Wasseroberfläche, die Eule scheint ertrunken, usw. – eine Rettung unmöglich ist.

      »Wir müssen sie herausholen!«, fallen Babas Worte in die Stille. Alle Augen taxieren skeptisch das Eisengitter, das in dicke Steinplatten eingemauert ist, aber Baba insistiert: »Es ist ein lebendiges Wesen! Wir müssen alles versuchen! Try maximum!« Schließlich holt einer eine Brechstange und einen Vorschlaghammer. Die Steinplatten werden aufgehebelt, die Eisenstangen gelockert und herausgebrochen, bis das Gitter abgenommen werden kann. Während lebhaft verschiedene Möglichkeiten erwogen werden, die Wasserfläche zu erreichen (eine Leiter hatte sich als zu kurz erwiesen), schwimmt plötzlich mit heftigen Flügelschlägen die Eule aus einem Loch in der Mauer, wo sie sich verborgen hatte, in den Brunnen hinein. Jetzt scheint eine Rettung aussichtsvoll, und man einigt sich, einen Korb an einem Seil herunterzulassen. Jemand holt ein Seil, das an einen Korb geknotet wird. Langsam wird der Korb heruntergelassen, aber kaum hat er die Wasserfläche berührt, stößt er auch schon auf, die Wassertiefe ist zu gering! Trotzdem versucht man, die Eule in den Korb zu manövrieren, und es scheint zu gelingen! Alle halten den Atem an – gleich ist sie im Korb – aber der Korb verliert das Gleichgewicht und sie gleitet wieder heraus. Immerhin – noch lebt sie! Ein flacherer Korb wird vorbereitet und in der Mitte mit einem Stein beschwert, aber jetzt sind die Stricke zu kurz. Zwischendurch verschwindet die Eule im Loch, kommt aber nach einer Weile wieder heraus. Das Taschenlampenlicht wird schwächer und der lange Stock ist zu kurz, um sie in den Korb zu befördern. Etwa eineinhalb Stunden sind seit Beginn der Rettungsaktion vergangen. Seit einer Weile bewegt sich das Tier nicht mehr, alle haben die Hoffnung aufgegeben, das Käuzchen lebend zu retten, und wollen die Aktion beenden, aber Baba besteht darauf, sie zu holen: »Es würde uns keine Ruhe lassen! Wir müssen wissen, ob sie tot oder lebendig ist!« Irgendwann rutscht sie in den Korb. Jeder fasst noch einmal Hoffnung, als sie hochgezogen wird. Unendlich vorsichtig nimmt Baba das Tier aus dem Korb: »Sie muss mit dem Föhn getrocknet werden!« Dann untersucht Er sie mit der Taschenlampe – der Augenreflex bleibt aus … Alle stehen ergriffen und viele zu Tränen gerührt. Baba hält die Eule in Gesichtshöhe und berührt sie zärtlich mit der Wange – das herzzerreißende menschlich anmutende Gesicht der kleinen toten Eule mit den dunklen, offenen Augen neben Babas Gesicht, das keine Trauer kennt, nur unendliches Mitgefühl … Einen Augenblick schließt Er die Augen und Sein Gesicht strahlt nur die unfassbare göttliche Liebe für Seine Kreatur wider. Wie zum Trost wendet Er sich uns zu und erklärt: »Das Bein war schon lange gebrochen, der Gelenkknochen liegt frei, sie war durch eine Blutvergiftung geschwächt!« Und um uns aufzumuntern: »Auch wenn sie tot ist, jetzt müssen wir nicht mehr überlegen, wie es ihr geht!«

      Mit Liedern und Blumen wird die kleine Eule unter einem Baum im Garten beerdigt. Mittlerweile ist es Karsamstag Morgen. Tod und Auferstehung – mit welcher Ernsthaftigkeit hatte Baba sich um jede Phase der Rettungsarbeit gekümmert, wie sehr ist Er unserer menschlichen Tendenz zu Resignation und Kleinmütigkeit, Zweifel und Bequemlichkeit entgegengetreten. Ohne Ihn hätte niemand die Rettungsaktion auch nur angedacht. Baba hat alles getan, damit wir aufstehen – auferstehen – konnten, um am Schluss zu zeigen: Ich bin die Eule! Sie ist in mir aufgehoben! Wie um das zu bestätigen, sagt Mr. Subramanyam: »Nach einem Begräbnis ist es bei uns Sitte, zusammen zu essen!« Und bei einem kräftigen indischen Ostermahl mit Baba kehren auch unsere Lebensgeister zurück.

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       Osterrückflug

      In zwei Tagen ist mein Flug nach Deutschland. Nach der nachmittäglichen Gartenaktion sagt Baba: »Wir sehen uns nach dem Darshan!«

      Zwischendurch Kofferpacken, Aufräumen. Baba kommt wie versprochen und nimmt die Wartenden mit zum Rundenlaufen um den Tempel. Ich darf neben Ihm laufen. »Willst du mir was sagen?« Damit gibt Er mir Gelegenheit, Fragen zu stellen, die mir wichtig sind. Mein Kopf ist wie immer in solchen Situationen leer und ich wage nicht, nach dem Sitzen zu fragen, aus Angst, nicht verstanden zu werden. »Ich bin glücklich«, sage ich.

      Nach einigen Bemerkungen zu meiner Reise und Rückkehr kommt die merkwürdige Aussage: »Wir laufen die Runden für dich!« Pradakshina, das Umrunden eines Heiligtums, ist eine spirituelle Übung. Heute ist Ostern, was segnet Baba damit? Genau neun Runden sind beendet, als wir bei Annapurna, der Frau des Trust-Managers, einkehren. Es gibt Kaffee, danach lässt Baba eine Waage holen, jeder wird gewogen, Baba wiegt sechzig Kilogramm. Danach Carromboard. Mein neuer Platz nahe beim Board ist noch leer, also setze ich mich dahin. Auch heute stellt sich keine Ruhe ein, die Beine sind heiß, durch die Anstrengung fließt der Schweiß, die vierzig Grad Außentemperatur tun das Übrige. Als ich nach einer Stunde plötzlich ohne Schwierigkeiten weiter hätte sitzen können, steht Baba auf. Wir stehen vor der Tür, ich erwarte das abendliche Abschiedszeremoniell, aber Baba geht ohne Segen hinein, ich sehe nur noch Seinen Daumen, der nach oben zeigt.

      Am nächsten Morgen ein letzter Gang zur Mauer, verwelkte lilafarbene Bougainvilleen fliegen in den Fluss, Uncle gibt mir feuerrote Hibiskusblüten, die ich Ganesha zu Füßen lege. Am Busbahnhof steht ein Bus nach Hyderabad bereit. Die Reisfelder sind geerntet, die Garben liegen gebündelt auf dem Feld, teilweise schon gedroschen, bei anderen sieht man die reifen braunen Rispen. Während des Sitzens im Bus kommt mehrfach ein zarter Rosenduft. Im Ashram habe ich Zeit, mich auszuruhen und auszustrecken. Girija, die Ashrammanagerin, bringt mir Idlis und Tee.

      Im Flughafen-Restaurant ist nur noch Platz neben drei netten Engländern. Einer trägt einen Cowboy-Hut und spricht ein breites, aber klangvolles Londoner Pidgin-Englisch. Als sie hören, woher ich komme, entsteht ein Gespräch über Gott, das mit dem alten Argument endet, Gott sei eine Erfindung des Menschen. Der mit dem Hut war bei Sathya Sai Baba und hält ihn für einen Magier wie Merlin. Er kann sich dessen Kräfte zwar nicht erklären, aber es reißt ihn auch nicht »aus der Tagesordnung«.

      Ostermontag. Landung in Frankfurt. Die Bäume stehen in voller Blüte. Abends bei Freunden sehen wir ein Video über Babas Geburtstag. Baba ist mir noch sehr nah und ich habe den Wunsch, Ihn zu sehen. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich auf der Straße eine orangefarbene Gestalt – erst nach dem Bruchteil einer Sekunde erkenne ich die Mülltonne. Baba – unser Mülleimer … Wie viel Gedankenmüll, Emotionsmüll und Handlungsmüll muss Er täglich ertragen und aufnehmen, ohne etwas ändern zu können?

      »Für eure Gefühle und Gedanken seid ihr selbst verantwortlich. Selbst Gott kann daran nichts ändern. Ohne eigene Anstrengung geht nichts! Aber ihr könnt Ihn bitten, euch dabei zu helfen!«, betont Baba immer wieder, wenn ein Devotee erwartet, dass Er ihm diese Arbeit am eigenen Charakter abnimmt. Wer ist in der Lage, Balasai Babas Angebot Gebt mir eure Traurigkeiten und Sorgen und nehmt dafür meine Glückseligkeit zu folgen? Zu


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