Gott singt. Ulrike Gadenne
meiner eigenen Dualität undm e i n e ninneren Gegensätzen. Ich fühlte verschwommen die wahre Bedeutung, nämlich die Wahrheit, dass die Einheit alles Seins nicht weißo d e rschwarz war, sondern weißu n dschwarz.
Und ich fühlte, dass die Dunkelheit eine »Verkleidung« des Lichtes ist, um unseren Weg auf der Erde zur Quelle, zum Licht, überhaupt erst möglich zu machen. Erst viele Jahre später konnte ich dies als eine der wichtigsten und schwersten Erfahrungen in mein Leben integrieren.
Meditationsbilder
Frühjahr 1998 in Österreich – Meine Gefühle und Gedanken waren erfüllt von den Erlebnissen bei Balasai Baba. Außer ein paar unwichtigen äußeren Fakten konnte ich niemandem davon etwas mitteilen, und um die inneren Erfahrungen zu vertiefen und zu verarbeiten, entstand ganz von selbst ein Zustand der Beschäftigung und Konzentration auf Baba, der schließlich zu einer Art Meditation wurde. Aus meinem Tagesrhythmus ergab sich regelmäßig eine bestimmte Zeit, in der ich einfach saß und innerlich den Namen Gottes wiederholte: OM SRI BALASAIYINE NAMAH.
Ich hatte noch nie regelmäßig und bewusst meditiert, aber trotz der kurzen Zeit – täglich etwa zwanzig Minuten – absorbierte mich der Klang des Mantras völlig und die Außenwelt versank. Ohne eine Technik oder mein willentliches Zutun geschah nach einigen Tagen, dass die Gedankenebene, auf der das Mantra innerlich klang, schwieg und die Wahrnehmung wie in einem »Fahrstuhl« (anders kann ich das eigenartige Erlebnis nicht beschreiben) eine Etage höher fuhr, auf der weder Klänge noch Gedanken existierten, höchstens eine Art »weißes Rauschen«. Der Zustand der Gedankenfreiheit ließ mich einen nie gekannten inneren Frieden erleben.
Aber je systematischer und bewusster ich übte, umso weniger spontan und leicht wurde der Prozess. Erwartungen schlichen sich ein und es wurde schwieriger, störende Gedanken und Gefühle zum Schweigen zu bringen.
Erst unmerklich, dann heftiger, brachen in der Beziehung zu meinem Mann zunehmend gegenseitige Empfindlichkeiten und Spannungen auf, die, besonders da ich sie nicht wahrhaben und vermeiden wollte, im Unterbewussten blieben und ungestört ihr Werk fortsetzen konnten. Ich liebte meinen Mann, meinen Beruf und mein ganzes Dasein, daran änderte mein innerer Fokus auf Balasai Baba nichts – im Gegenteil, ich lebte intensiver, war dankbarer und voller Freude. Nur, wenn ich davon etwas mitteilen wollte, stieß ich auf Ablehnung, und ich konnte das verstehen. Alles war noch frisch und neu und nie erlebt und ich war naiv genug zu glauben, unser Leben könnte genauso weitergehen, teilten wir doch trotz großer Unterschiede auch viele Gemeinsamkeiten. Je mehr innere Schwierigkeiten auftauchten, umso stärker wurde das Bedürfnis zu meditieren.
Bei einer der Meditationen, bei der es mir nicht gelang, mich zu konzentrieren, sah ich eine Reihe kleiner, flaumiger, gelber Entenküken an einer Leine, die mir jedoch immer wieder aus der Hand rutschte, so dass die Küken in alle Richtungen wuselten. Ich verstand, dass das, was da noch schwach, ungeschützt und leicht ablenkbar war, durch das Band der Konzentration beruhigt und zusammengehalten werden musste. Die Meditation an meinem Geburtstag enthielt ein besonderes Geschenk: der Klang des Mantras war heimatlich-vertraut. Ein entspanntes Wohlgefühl breitete sich wellenförmig aus und in seiner Mitte entstand ein Punkt, auf den sich die Konzentration mühelos richtete und still verweilte. Kurz danach las ich in der Girlande der Rosen (siehe Literaturverzeichnis) von dem wichtigen Meditationsstadium der One-Pointedness: der Sammlung des Geistes in einem Punkt.
Ein anderes Meditationserlebnis dieser Tage war sehr lehrreich: Einige Auseinandersetzungen mit einer Freundin belasteten mich, und ich konnte innerlich keinen Abstand gewinnen. In der Meditation konzentrierte ich mich auf Balasai Babas Mantra und Seine Form. Plötzlich krochen wie auf einer unsichtbaren Glasscheibe schwarze, eklige, wurmähnliche Gebilde und verdeckten mehr und mehr Babas rot-golden leuchtende Form. Ich erfuhr, dass jede Meditation ein wahrhafter Spiegel der momentanen mentalen und emotionalen Befindlichkeit ist. Jede innere Unruhe und Negativität verdunkelt den Blick auf die (eigene) Göttlichkeit, zu der die Meditation ein Weg sein kann.
Wieder in Indien
Juli 1998 – Ich wollte die Sommerferien in Indien verbringen und hatte mir einen Zeitraum von vier Wochen gesetzt. »Bist du müde?«, ist die erste Frage, die Baba nach meiner Ankunft im Ashram von Hyderabad stellt. Obwohl ich die Frage zu dem Zeitpunkt als eine belanglose Erkundigung nach meinem momentanen Befinden auffasse und mit »nein« beantworte, notiere ich sie in meinem Tagebuch und erst nach längerer Zeit wird mir klar, dass Babas Fragen oft eine versteckte Bedeutung haben. Babas Frage galt einer Reisenden, die nach langer Abwesenheit von zuhause und vielen Beschwernissen wieder in ihre Heimat zurückkehrt …
Es ist Regenzeit und dreizehn Besucher sitzen unter dem überdachten Darshanplatz. Niemand weiß, ob Baba kommt. Plötzlich steht Baba oben auf der Treppe, im orangefarbenen Dhoti, die rote Robe leger über der Schulter.
Nach einem heftigen Regenguss sind die roten Teppiche, die den Boden bedecken, schon wieder trocken. Obwohl Baba keinen Wert auf Förmlichkeiten legt, stehen alle auf und begrüßen Ihn mit Namaskar.
Lachend setzt Er sich in die Mitte auf den Teppich. Bei jeder Runde mit seinen Besuchern zeigt sich Baba als perfekter Gastgeber. Es gibt Snacks, Kekse, Nüsse. Die Köchin, eine eindrucksvolle Erscheinung, bringt Kaffee. Obwohl sie wohlhabend und unabhängig ist, dient sie Baba, indem sie für Ihn kocht.
Am fortgeschrittenen Abend lässt Baba das Carromboard bringen. Das Spiel wird in ganz Indien schon von Kindern gespielt und ist eine Art Fingerbillard, bei dem jede Partei auf einem glatten Holzbrett ihre Spielsteine in ein kleines Loch schnippen muss. Das erfordert ein hohes Maß an Fingergeschicklichkeit und strategischem Denken. Es spielen immer zwei zusammen. Baba wählt einen unerfahrenen Mitspieler aus, während die Gegenpartei aus zwei geübten Permanenten besteht. Bald hat die Gegenpartei fast die erforderlichen Punkte zum Sieg, während Babas Team noch bei null steht. Aber in wenigen Minuten hat sich das Bild gewandelt: Blitzschnell hat Baba alle Punkte für sich gebucht und beide Parteien haben die gleiche Punktzahl, aber keiner Partei gelingt der siegreiche Treffer. Baba zieht das Spiel genüsslich hinaus, und heizt durch manche Fast-Treffer die Spannung an.
Dabei lacht Er, macht Witze, unterhält sich mit den Besuchern, trinkt einen Schluck Kaffee, setzt wie nebenbei völlig entspannt Seine Schüsse, zielt bewusst daneben, so dass der Vorteil wieder bei der anderen Partei liegt, scheint sich jedem zuzuwenden, nur nicht dem Spiel. Schließlich, mit einem spektakulären und technisch höchst komplizierten Schuss, bei dem Er kaum das Brett betrachtet, entscheidet Er das Spiel für sich. Die Botschaft ohne Worte: Gott gewinnt immer …
Es ist spät in der Nacht, als Baba aufsteht, aber ehe Er endgültig die Treppe hinaufgeht, spricht Er noch mit dem einen oder anderen, fragt nach persönlichen Dingen, macht eine lustige Bemerkung, dass alle lachen, und hat indessen die erste Treppenstufe erreicht. Als Abschiedssegen hüllt Er die Gruppe in eine Wolke von intensivem Rosenduft und steigt dann winkend, segnend, lachend, erzählend, singend die Treppe hoch – das rote Kleid hängt wie ein Königsmantel über Seinem Rücken.
Rosentage
Bis zur Abfahrt nach Kurnool kommt Baba regelmäßig am Vormittag herunter zu den wartenden Devotees. Immer gibt es Kaffee oder Tee, Obst und Kekse, wobei Baba oft die Besucher eigenhändig füttert oder ihnen Seinen Kaffee schenkt. (In Indien ist es nicht ungewöhnlich, dass die Mutter selbst ihre erwachsenen Kinder noch füttert.)
Balasai Baba ist kein spiritueller Meister, der zu anstrengenden Übungen anregt, spezielle Meditationstechniken lehrt und Fasten, Schweigen oder Schlafentzug empfiehlt. Im Gegenteil: Als göttliche Inkarnation bezaubert