Steff. Bernt Danielsson

Steff - Bernt Danielsson


Скачать книгу

      ‚Der wahnsinnige Psychopath ist anscheinend wieder gegangen – wunderbar.‘

      Seine immer noch halb schlafenden Gedanken schüttelten die Kissen auf, streckten sich und gähnten. Dann überredeten sie ihn, wieder hinaufzugehen und sich noch einmal hinzulegen.

      Da klopfte es wieder an die Tür.

      ‚Es gibt doch Trollos, die nicht aufgeben.‘

      Er machte die Innentür auf, fummelte die zwei Sicherheitsketten los, drückte die unsinnig kleinen Knöpfe des Kombinationsschlosses, drehte den Schlüssel im Sicherheitsschloß zweimal, schloß nacheinander das normale und das BKS-Schloß auf und machte dann die Tür mit einem Ruck auf.

      Wenn es wirklich ein wahnsinniger Psychopath war, der da draußen im milchigen Nebel vor der Haustür stand, dann war es ein ausgesprochen kleiner, und außerdem hatte sie große, wunderschöne Augen, die in jeden Walt-Disney-Film gepaßt hätten.

      ‚Das ganze Mädchen hätte übrigens ...‘

      Was?

      ‚... in jeden Disney-Film gepaßt. Wenn sie in Hollywood aufgewachsen wäre und die richtigen Eltern mit den richtigen Kontakten gehabt hätte, dann hätte sie mit vier ihre erste Filmrolle bekommen und wäre heute stinking rich und hätte unzählige Abtreibungen hinter sich, wäre unheilbar kokainsüchtig und würde übers Liften nachdenken.

      Sie sieht aus wie dreiundzwanzig, ich schätze sie also auf neunzehn, aber es würde mich auch nicht wundern, wenn sie sechzehn wäre.‘

      Sie hatte lange, dunkle Haare, lässig zusammengefaßt in einem schwanzähnlichen Ding, das ihr über die eine Schulter hing. Sie trug schwarze, enge Hosen und eine schwarze Jeansjacke, die viel zu groß aussah, die Ärmel waren ein paarmal hochgekrempelt, und trotzdem konnte man ihre Finger kaum sehen.

      Er bemerkte, daß die Innenseite des Jackenkragens weiß war, was er ausgesprochen dumm fand, weil das die einzige Stelle an einer Jacke ist, die wirklich dreckig wird. ‚Wahrscheinlich ist die Absicht, daß man bald eine neue kaufen muß‘, dachte er. Unter der Jacke trug sie ein hellblaues Jeanshemd mit nietenähnlichen Metallknöpfen.

      Er starrte sie mit offenem Mund an. Gleichzeitig kniff er mehrmals die Augen zusammen, weil er den vagen Verdacht hatte, immer noch zu schlafen und alles nur im Traum zu erleben.

      Sie ihrerseits starrte ihn mit ihren großen Augen an. Ihr erster Gedanke war, auf dem Absatz kehrtzumachen und doch in die Schule zu gehen.

      ‚Was habe ich hier zu schaffen?‘ dachte sie. ‚Was für eine abgedrehte Idee. Und wahrscheinlich ist das Schild nur Bluff – er sieht nicht die Bohne zuverlässig aus.‘

      Er war sehr groß – verglichen mit ihr jedenfalls. Die dunklen, lockigen, zerzausten Haare standen ab, das Kinn und das Stück zwischen Oberlippe und Nase war dunkel umschattet von Bartstoppeln, die Backen waren ‚naja, nicht direkt fett, aber irgendwie rundlich. Man kann wirklich nicht behaupten, daß er gut aussieht – schön ist er wirklich nicht, aber man kann auch nicht behaupten, daß er häßlich ist. Oder vielleicht doch?‘

      Er hatte ein schrecklich zerknittertes, viel zu großes T-Shirt an, der Saum am Halsausschnitt war an mehreren Stellen aufgegangen, und es war auch nicht sonderlich sauber. Seine Arme waren dünn und weißlich bis zu den Ellbogen, die Unterarme hatten auf jeden Fall irgendwann einmal ein bißchen Sonne abgekriegt. Es würde sie nicht wundern, wenn er einen richtigen Bierbauch hätte, den er unter weiten Hemden und solchen flattrigen T-Shirts zu verstecken versuchte, genau wie ihr Vater.

      Er sah überhaupt nicht so aus, wie sie es sich vorgestellt hatte, außerdem war der Hosenstall seiner schwarzen ausgebeulten Hose offen.

      Als sie es bemerkt hatte, starrte sie wohl besonders in diese Richtung, denn er schaute auch hinunter, und seine linke Hand löste sich mit einem Ruck vom Türpfosten und schien auf den offenen Hosenstall zu zielen, änderte dann aber schnell die Richtung und zauste statt dessen in den Haaren.

      Er schaute wieder hoch und verzog den Mund zu einem merkwürdigen Lächeln.

      Er sah richtig dumm aus.

      „Sind Sie – bist du der ...“, stotterte sie und war erstaunt, daß ihre Stimme so unnormal und verwirrt klang.

      Das war die Stimme sonst nie, sie selbst übrigens auch nicht – oder auf jeden Fall sehr selten –, aber jetzt war sie es. Sie kam sich vor wie ein Baby, und außerdem wurde ihr auch noch heiß um die Wangen, kurz – sie wurde rot!

      ‚Was für eine Katastrophe. Warum werde ich rot? So was von lächerlich.‘

      Sie senkte den Blick, um sich zu konzentrieren, aber da entdeckte sie seine schwarzen Chinapantoffeln. Sie hatten beide Löcher, ganz vorne am großen Zeh schaute das ehemals weiße Futter durch große, ausgefranste Löcher, und sie glaubte, die Nägel seiner großen Zehen zu sehen, was ihr merkwürdigerweise Übelkeit bereitete. Wirklich merkwürdig – ihr wurde sogar richtig schwindlig.

      Um sich und ihre Augen zu trösten, warf sie einen schnellen Blick auf ihre neuen wildledernen Jodphur-Stiefeletten, und stellte ein weiteres Mal fest, daß sie wirklich sehr schön, supercool und jede einzelne Krone wert waren.

      Sie holte tief Luft und schaute schnell hoch.

      „Bist du, bist du T-Th-Theodor Bach?“ preßte sie hervor und spürte, wie eine saugende, spiralige Welle durch ihren Körper schwappte und alles schwarz wurde.

      2

      Ritsch!

      Doch, es war wirklich Theodor Bach, der in der Tür stand und, gelinde gesagt, erstaunt war. Noch nie war jemand direkt vor seinen Augen ohnmächtig geworden, und er fand es ein wenig theatralisch.

      ‚Okay, ich seh morgens vielleicht nicht richtig taufrisch aus, aber deswegen ohnmächtig werden?‘ dachte er, als ihre Lider flatterten und die großen Pupillen verschwanden. ‚Oder vielleicht hat meine Erscheinung einen solchen Eindruck auf sie gemacht, daß ihre Gemütsbewegungen sie überwältigt haben?‘

      Ihr Körper sank wie in einstudierter Zeitlupe zu Boden.

      ‚Vielleicht ist sie Schauspielerin.‘

      Theodor wollte sie auffangen, wie er es schon so oft bei den Schönlingen auf den Videos gesehen hatte, aber die rechte Hand kam nicht vom Türgriff los, und die linke war immer noch intensiv damit beschäftigt, die Kopfhaut zu kratzen und über die peinliche Erinnerung an den Hosenstall hinwegzukommen. Die Folge war, daß ihr bewußtloser Körper direkt auf ihn zufiel, und obwohl sie als Ursache sehr klein war, gelang es ihr doch, eine große Wirkung zu entfalten.

      Theodor Bach fiel nicht in Zeitlupe.

      Er stürzte wie ein 500-Kilo-Elch an einem nebligen Herbstmorgen irgendwo in einem Sumpf droben in der norrländischen Wildnis und landete mit einem prachtvollen Donnern auf dem Holzboden der Eingangshalle. Gleichzeitig hatte er merkwürdigerweise das Gefühl, das Geräusch von zerbrechendem Glas zu hören – es klang ungefähr so, als ob jemand weit weg eine Glasschale auf den Boden fallen ließe. Aber die Gehörabteilung dachte nicht weiter darüber nach, weil Theodor nämlich in dem Moment einen seiner alten Holzschuhe in den Rücken bekam, direkt rechts oberhalb der Taille. Er war fest davon überzeugt, daß da eine von seinen Nieren saß, und sehr richtig, es tat weh. Der Gedanke, daß er sterben müßte, fing an, penetrant in seinem Gehirn zu blinken wie ein defektes Neonschild vor einem schäbigen Hotelzimmer.

      ‚Es gibt Schlimmeres‘, murmelten die Gedanken, als die Nase mit großem Einfühlungsvermögen berichtete, daß ihre Wangen wie ein friedlicher Sommermorgen am Meer dufteten. Ein Bündel Nervenenden und Sinnesfühler, das immer noch im Bademantel herumschlurfte, meldete, daß es, auch wenn sie schwerer war, als sie aussah, keineswegs ein unangenehmes Gewicht war, ‚ganz im Gegenteil, es ist ein weicher, durchtrainierter, perfekt proportionierter und warmer Körper, der auf uns liegt. Ausgesprochen angenehm, ja, um nicht zu sagen ...‘

      ‚Ihr verdammten Schweinigel.‘

      Er versuchte, sich


Скачать книгу