Steff. Bernt Danielsson

Steff - Bernt Danielsson


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daß es so aussah, als ob er sie erwürgen wollte, wie Frankenstein ungefähr.

      „Was zum Teufel machst du denn?!?!“ schrie sie, setzte sich schnell auf, starrte ihn mit aufgerissenen Augen an und versuchte gleichzeitig mit Hilfe der Hände, rückwärts über die Armlehne zu klettern.

      Geschmeidig wie eine Katze glitt sie auf den Boden neben eine Wolldecke, die sie sah, ohne sie zu sehen – sie war sich jedenfalls nicht bewußt, daß sie sie sah, aber ein Trupp Zapfen, die sich The Yellow Taps nannten und am liebsten am Rande des Gelben Flecks im linken Auge arbeiteten, weil sie ausgesprochen gerne Dinge sahen, die die anderen Zapfen auf der Netzhaut oft gar nicht bemerkten, sahen sie sofort.

      ‚Guck mal, da liegt eine Wolldecke! Sieht aus wie eine richtig warme und kuschelige Wolldecke.‘ Aber die anderen Millionen Zapfen im innersten Kreis des Gelben Flecks schrien:

      ‚Wir haben jetzt keine Zeit für solche Einzelheiten, kommt lieber hierher und helft mit!‘ Sie stellten die Schärfe ein, um abzuschätzen, wie weit es wohin war und wie Stephanie am schnellsten davonlaufen konnte.

      „Ich wollte dich doch nur hinlegen“, sagte Theodor Bach ärgerlich, zuckte mit den Schultern und ließ die Arme hängen.

      „Und warum, wenn ich fragen darf?!“ fragte Stephanie, und es gelang ihr, die Stimme verächtlich, andeutungsvoll und scharf wie einen Peitschenhieb klingen zu lassen.

      Sie war ziemlich zufrieden damit, aber dann fiel ihr ein, was passiert war: Sie war rot angelaufen, ihr war schwindelig geworden und – sie war ohnmächtig geworden. ‚Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ist mir ja noch nie passiert.‘

      „Weil du ohnmächtig geworden bist, versteht sich. Als du – ähm, mich gesehen hast. Und ich ...“

      „Wo ist meine Tasche?!“

      „Draußen ...“

      Ohne den Blick von ihm zu lassen, ging sie schnell hinaus in die Halle, hob die Tasche auf und schob mit einer gekonnten Bewegung den Schulterriemen über die rechte Schulter. Dann stellte sie sich in die Tür zum Wohnzimmer, lehnte sich an den Türpfosten und versuchte, cool auszusehen. Das war nicht so leicht, ging aber ein bißchen besser, nachdem sie einen Blick auf ihre neuen Wildleder-Jodphurs geworfen und festgestellt hatte, daß die auf jeden Fall supercool aussahen.

      Theodor stand immer noch beim Sofa und folgte ihr mit dem Blick. Er kam allmählich über den Schock hinweg, der allerdings wurde durch eine gewisse Verärgerung ersetzt:

      „Wenn du vielleicht die Güte haben könntest mir zu sagen, warum du verflucht noch mal versucht hast, hier einzubrechen!“ schrie er und blitzte sie an.

      Stephanie fand es richtig anstrengend, wie er sie so anstarrte, und deshalb wandte sie ihren Blick ab und ließ ihn im Zimmer umherschweifen. Der stellte rasch fest, daß es groß und länglich war und ziemlich kahl aussah. Sie war einmal über das Wort „spartanisch“ gestolpert, und wenn sie es richtig verstanden hatte, dann wäre es der passende Ausdruck, um ein solches Zimmer zu beschreiben.

      An der hinteren Schmalseite stand ein riesiger schwarzer Fernseher, so ein Großbildfernseher, wie sie ihn bisher nur in der Werbung und in Schaufenstern gesehen hatte.

      Mitten im Zimmer auf dem teppichlosen Parkettfußboden stand ein Chesterfieldsofa neben einem kleinen runden Tisch. ‚Man hat zwar schon abgewetzte Sofas gesehen, aber das hier schießt den Vogel ab.‘ Groß war es außerdem, und an der einen Armlehne lag ein zusammengeknautschtes weißes Kissen. Die Wand zum Garten war mit vollgestopften Bücherregalen bedeckt, die beide Fenster einrahmten. Das war alles. Es war also ziemlich leer. Oder wenigstens spartanisch. Die anderen Wände waren weiß, und es hing kein Bild, kein Foto, nicht einmal ein Plakat daran.

      „Einbruch? Pah!“ schnaubte sie. „Ich habe ganz oft geklingelt.“

      „Die Türklingel ist kaputt“, sagte Theodor müde.

      „Und wie soll ich das ahnen?“

      „Natürlich kannst du das nicht wissen. Aber wenn niemand kommt und aufmacht, dann kannst du dir doch denken, daß niemand zu Hause ist, und später wiederkommen, anstatt zu versuchen, das Fenster einzuschlagen.“

      „Ich habe ans Fenster geklopft. Und im übrigen warst du doch zu Hause, nicht wahr?“

      „Widersprich mir nicht!“

      „Und außerdem steht da, daß du von acht an aufhast, oder?“

      „Ja, ja, man sagt viel im Leben, was man nicht so ernst meint.“

      „Hast du einen Ausweis?“

      „Ausweis?“ Theodor traute seinen Ohren nicht. ‚Lernen die denn in der Schule überhaupt nicht mehr, ein bißchen Respekt vor der Reife des Alters zu haben?‘ dachte er sauer. „Natürlich habe ich einen Ausweis, ich bin schließlich autorisiert. Das steht doch auf dem Schild, aber vielleicht ist es ja ein zu schwieriges Wort für dich.“

      Sie schleuderte wütend die Haare über die Schulter nach hinten und warf so einen „Mein-Gott-bist-dublöd-Blick“ zur Decke und stellte fest, daß die Dekkenlampe wirklich nur eine Lampe an der Decke war – eine ganz normale Glühbirne, die einsam an einem schwarzen Kabel baumelte.

      Theodor zog die Hand durch die Haare und versuchte sie zu glätten, aber sobald er die Hand wieder wegnahm, schnurrten die Locken wieder zusammen und standen nach allen Seiten ab. Stephanie mußte lächeln.

      „Grins nicht so blöd! Was zum Teufel willst du eigentlich?“ schrie er und richtete sich mit einem Ruck auf.

      Stephanie spürte, wie ein Stich von Angst sie durchfuhr, und machte einen Schritt rückwärts, holte dann aber tief Luft und versuchte, ganz ruhig zu sein, als sie sagte: „Ich bin hergekommen, weil ich Hilfe in einer Angelegenheit brauche und dachte, daß so jemand wie du vielleicht der Richtige sein könnte. Aber ich glaube, ich habe es mir anders überlegt. Und außerdem ist dein Hosenstall offen.“

      Theodor warf einen langen Blick zum Fenster und zuckte mit den Schultern, zog beide Mundwinkel nach unten und verdrehte die Augen. Es sah aus, als ob er jemand anderem da draußen im Nebel Grimassen schneiden würde.

      „Ja, ich weiß“, sagte er und schaute sie ganz ernst an. „Und wenn schon. Stört es dich etwa?“

      Sie ließ wieder den Blick schweifen. ‚Mit diesem Knallkopp kann man ja kein Wort reden. Da kann ich genausogut in die Schule gehen.‘

      Sie drehte sich um, ging zur Haustür, schaute verwirrt die vielen Schlösser an und wußte nicht, welches sie zuerst aufmachen sollte. Sie war schon wieder durcheinander und verwirrt. Das machte sie so wütend, daß sie die Tasche auf den Boden fallen ließ und sich wieder zum Zimmer umdrehte.

      Theodor Bach stand immer noch neben dem Sofa und versuchte, den Hosenstall zuzumachen, hatte aber ganz offensichtlich Probleme damit. Er spürte ihren Blick und schaute hoch.

      „Er will nicht“, seufzte er kummervoll.

      „Was?!“

      „Er läßt sich nicht betten und will nicht.“

      Er konzentrierte sich stark, zog noch einmal, und da ging mit einem Ritsch! der Reißverschluß hoch.

      „So!“ sagte er zufrieden. „It’s done.“

      „Du spinnst ja“, sagte Stephanie und merkte zu ihrem Erstaunen, daß sie ihn anlächelte.

      „Stimmt genau.“ Er nickte. „Hast du schon gefrühstückt?“

      Sie zuckte mit den Schultern.

      „Das weißt du nicht? Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Man muß doch verdammt noch mal wissen, ob man gefrühstückt hat oder nicht? Oder hast du so ein Black-out bekommen beim Down-coolen?“

      „Frühstücke nie.“

      „Kein Wunder, daß du so schwach auf der Brust bist. Ich habe Hunger wie ein Wolf. Du kannst den Kaffee machen.“

      3


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