Bomba bei den Pygmäen. Roy Rockwood

Bomba bei den Pygmäen - Roy Rockwood


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Kind los. Der Junge schrie vor Entsetzen auf. Im gleichen Augenblick hatte Bomba bereits seine Machete aus dem Gürtel gerissen und eilte in langen Sätzen auf die Lichtung hinaus.

      2 Im Handgemenge

      Gerade als der Orang-Utan seine langen, haarigen Arme nach dem Kind ausstrecken wollte, war Bomba an dessen Seite. Der Dschungelboy warf sich mit voller Wucht gegen seinen Gegner und brachte ihn für einen Augenblick zum Wanken. Bei dem Anprall wurde der Pygmäenjunge ein kleines Stück weggeschleudert, und er kroch behende weiter, um aus der Reichweite der gefährlichen Affenarme zu kommen.

      Der angreifende Orang-Utan fletschte seine gelben Zähne und wandte sich wütend Bomba zu. Mit seinem langsamen, schwerfällig watschelnden Schritt näherte er sich Bomba; seine Arme waren weit ausgestreckt, um den Gegner in ihrer tödlichen Umschlingung zu zermalmen.

      Bombas Kampfesweise musste bei diesem ungleichen Zusammenstoß ganz auf Schnelligkeit und Überraschung abgestimmt sein. Er machte schnelle kleine Seitenschritte, um dem schwingenden Zugriff der langen Affenarme zu entgehen und stieß dann wieder blitzschnell mit der Machete zu. Doch bei der Hast, mit der er sich bewegen musste, war ein genaues Zielen unmöglich. Er stieß zu, wo er nur konnte und hoffte bei jedem Stich, dass es der letzte sein würde.

      Gibo und Wafi waren jetzt ebenfalls auf den Kampfplatz gestürzt, und sie tänzelten aufgeregt um die Kämpfenden herum. So schnell waren jedoch die Bewegungen der beiden, dass Gibo und Wafi es nicht wagten, einen Pfeil abzusenden.

      Der Orang-Utan blutete bereits aus vielen Wunden, aber auch Bomba hatte einen wuchtigen Schlag von einer der Pfoten des Affen empfangen, und aus der aufgerissenen Kopfhaut floss das Blut über seine Wange. Ein zweiter Riss reichte von der Schulter bis zum Ellbogen des linken Armes; doch glücklicherweise war diese Wunde nicht sehr tief.

      Trotzdem war der Blutverlust stark genug, dass Bomba zusehends geschwächt wurde. Sein Vorteil lag darin, dass auch die Kraft des Orang-Utans merklich nachließ. Seinen Schlägen und Armschwüngen fehlte allmählich die Wirkung, und der Blick seiner kleinen, heimtückischen Augen wurde trüber.

      Bomba hatte etwa eine Minute lang nur noch in hinhaltender Verteidigung gekämpft, um alle Kraft für einen entscheidenden Angriff zu sammeln. Jetzt war dieser Augenblick gekommen. Mit einem jähen Satz schnellte er vor und stieß dem riesigen Orang-Utan die Machete bis ans Heft in die Brust.

      Ehe Bomba jedoch noch das Buschmesser aus der Brust des tödlich getroffenen Affen ziehen konnte, holte dieser noch einmal mit voller Kraft zum Schlage aus und seine behaarte Pranke landete mit dumpfem Aufschlag auf Bombas Kopf.

      Der Junge wurde zurückgeschleudert und fiel besinnungslos nieder. Doch im gleichen Augenblick begann auch der große Affe zu schwanken und zu taumeln, und dann sank er mit einem heiseren Todesschrei zu Boden. Ein Zittern ging durch den großen, dunkelbehaarten Körper — dann war der Todeskampf zu Ende.

      Inzwischen hatten Gibo und Wafi sich schon über den reglos daliegenden Bomba gebeugt.

      „Er ist tot!“, rief Gibo stöhnend. „Die Dschungelgötter haben ihm in diesem Kampf keinen Schutz gewährt! Oh, Bomba ist tot!“

      Er stieß zusammenhanglose Klagelaute aus und blickte fassungslos auf den im Gras liegenden Körper seines geliebten Herrn. Wafi handelte besonnener; er ließ sich auf ein Knie niedersinken und legte ein Ohr an Bombas Brust.

      „Nein“, sagte er mit einem erleichterten Aufatmen. „Bomba ist nicht tot. Sein Herz schlägt noch. Hilf mir, ihn aufheben — “

      Unvermittelt unterbrach er sich und sprang auf die Füße. Eine Horde kleiner, dunkelhäutiger Männer mit wolligem, rötlichem Haar stürzte von allen Seiten auf die Lichtung. Die Männer schwangen ihre Waffen und stießen helle, unheimlich klingende Schreie aus.

      Einige von ihnen eilten sofort zu dem Pygmäenkind hin. Die Nachwirkungen des Kampfes spiegelten sich noch immer auf den Zügen des Kindes wider. Die scharfen Krallen des Orang-Utans hatten seine Schulter zerschrammt, als der Affe gerade zugreifen wollte und Bomba sich todesmutig gegen ihn geworfen hatte.

      Eine andere Gruppe der kleinen Krieger rückte drohend auf Gibo und Wafi los. Ein Mann führte sie an, den die Zeichen auf seiner Brust als Häuptling des Stammes kennzeichneten. Die beiden tapferen Gefährten standen jedoch aufrecht und mit gespannten Bogen über dem immer noch bewusstlosen Bomba, und sie waren offensichtlich bereit, ihn bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.

      Zweifellos waren die beiden verloren, denn bei aller Tapferkeit hatten sie keine Chance, einen Kampf gegen einen ganzen Pygmäenstamm zu gewinnen. Aber in dem Augenblick, als die beiden sich darauf gefasst machten, den Verzweiflungskampf zu beginnen, hob der Häuptling in einer Geste der Freundschaft beide Hände mit den Handflächen nach außen über den Kopf empor.

      Mit einem Blick hatte der Häuptling die Szene überschaut, und noch ehe ein Wort gesprochen worden war, hatte er erraten, was hier vor sich gegangen war. Als jetzt Gibo und Wafi das Friedenszeichen ebenfalls wiederholten und dann ihre Waffen senkten, trat er noch näher an sie heran.

      „Was ist hier geschehen?“, fragte der Häuptling und deutete auf den toten Orang-Utan.

      Wafi verstand den Eingeborenendialekt, den die Pygmäen sprachen, und er antwortete:

      „Der Orang ist aus dem Urwald gestürzt und wollte das Kind packen.“ Er wies auf den Jungen, den seine Mutter inzwischen zärtlich und besorgt in ihre Arme genommen hatte. „Und das ist Bomba, der dem Kind zu Hilfe gekommen ist“, fügte Wafi hinzu und wies auf die reglos hingestreckte Gestalt des Dschungelboys. „Bomba hat den Orang mit dem Messer getötet.“

      „Er hat es gewagt, den Orang-Utan allein mit einem Messer anzugreifen?“, fragte der Häuptling verblüfft.

      „Allein und nur mit einem Messer“, bestätigte Wafi würdevoll. „Schau! Das Messer steckt noch im Herzen des Affen.“

      „Dieser fremde, große Junge hat es also gewagt, sein Leben für ein Kind aus unserem Stamme aufs Spiel zu setzen?“, fragte der Häuptling, dem dieses Geschehnis immer noch unfassbar erschien.

      Gibo und Wafi nickten ernst.

      Jetzt wandte sich der Häuptling an seine Stammesgenossen.

      „Wer diese Fremden anrührt, ist des Todes! Azande hat gesprochen!“

      3 Die wirbelnden Trommeln

      Die Krieger senkten ergeben die Köpfe.

      „Azande hat gesprochen“, wiederholten sie im Chor.

      Sie gehorchten diesem Befehl nicht widerstrebend, denn der Mut und die Opferbereitschaft des Fremden hatten einen starken Eindruck auf sie gemacht.

      Azande rief Momku, den Medizinmann des Stammes, herbei, und der Alte mit der pergamentartig zerfältelten Gesichtshaut behandelte Bombas Wunden mit einer selbstgefertigten Salbe und verband sie dann. Der Junge regte sich schwach, als man ihn auf ein schnell bereitetes Lager bettete. Einmal schlug er die Augen auf, doch sein Blick glitt ins Leere, und die Lider senkten sich wieder.

      „Er wird am Leben bleiben“, verkündete der Medizinmann nach der Untersuchung. „Sein Schädelknochen ist nicht verletzt, und er ist jung und stark.“

      „Er muss auch jung und stark gewesen sein, wenn er den großen Orang besiegen konnte“, erklärte Azande, der Häuptling, und wandte sich dann wieder an Gibo und Wafi, „Kommt mit uns; wir kehren in unser Lager im Dschungel zurück. Wir werden diesen Jungen, den ihr Bomba nennt, gut pflegen, bis er wieder gesund ist.“

      Auch wenn die beiden den Worten des Häuptlings kein Vertrauen geschenkt hätten, wäre ihnen nichts anderes übriggeblieben, als Azandes Wunsch nachzukommen. ebenso gut hätte er die Worte in Form eines strengen Befehls aussprechen können, dann wären sie auch machtlos gewesen.

      Der kleine Pygmäenjunge hatte inzwischen seinen Schrecken schon überwunden und kam jetzt herangesprungen, nachdem der Medizinmann


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