Bomba bei den Pygmäen. Roy Rockwood
Azande nicht kennt: mein Gewehr.“
Er wies auf die Waffe, die neben seinen anderen Ausrüstungsgegenständen in der Hüttenecke lehnte, und der Häuptling warf einen scheuen Blick auf den merkwürdigen Gegenstand.
„Ich habe mich schon gefragt, was dieser lange schwarze Stock mit dem Loch am Ende bedeuten soll. Ist das der Zauber des weißen Mannes?“
„Man kann jedenfalls viel Unheil damit anrichten“, sagte Bomba ausweichend.
Er kannte den primitiven Aberglauben der Eingeborenen und wusste, dass es mitunter eine wertvolle Hilfe sein konnte, wenn man diese Menschen von der Wunderkraft überzeugen konnte, über die man verfügte.
„Mit dieser Waffe kann man einen Feind auf viel weitere Entfernung töten als mit Pfeil und Bogen oder Speer“, erklärte Bomba. „Das Gewehr spricht mit Donnerstimme und sendet einen Flammenblitz aus seiner Mündung. Das allein wird die Kannibalen in Verwirrung bringen. Sobald ich kräftiger bin, werde ich dir zeigen, auf welche Weise diese Waffe den Tod in die Reihen der Feinde trägt.“
„Es ist gut“, sagte Azande und stand auf. „Ich glaube, dass ich meine Krieger überzeugen kann. Sobald ich mit ihnen gesprochen habe, werde ich dir sagen, ob wir dir helfen, deinen Vater aus den Händen der Kannibalen zu befreien.“
Azande grüßte und verließ die Hütte.
6 Das Fabeltier mit den zwei Schwänzen
Als Azande gegangen war, dachte Bomba nach. Er erkannte jetzt, dass der Zwischenfall mit dem Orang-Utan sich vielleicht als ein Segen für ihn erweisen könnte. Zwar schmerzten seine Wunden immer noch, aber schon jetzt spürte er, wie seine Kräfte wiederkehrten.
Er wäre nie zu einem so freundlichen Einvernehmen mit den Pygmäen gelangt, wenn er nicht zufällig den Neffen des Häuptlings aus den Klauen eines Orangs hätte retten können. In diesem Falle hätten sie sich allein bis ins Lager der Kannibalen durchschlagen müssen, und es wäre sehr fraglich gewesen, ob er ohne fremde Hilfe seinen Vater hätte befreien können.
Der Wert der Pygmäen als Kämpfer durfte nicht gering eingeschätzt werden. Bomba hatte das schon am eigenen Leibe erfahren. Sie waren trotz ihrer kleinen Gestalt mutige und geschickte Krieger. Sie konnten vier bis fünf Pfeile mit solcher Schnelligkeit abschießen, dass der erste noch kaum sein Ziel erreicht hatte, wenn der letzte von der Sehne schnellte. Außerdem hatten sie die Blasrohre mit den kleinen, tödlichen Federbolzen. Solche Verbündete waren bestimmt nicht zu verachten.
Gibo und Wafi bemerkten beim Eintreten sofort, dass Bombas Zustand sich gebessert hatte. Sie sahen, dass er lächelte, und fassten das als gutes Zeichen auf.
„Bomba sieht fröhlich aus“, sagte Gibo grinsend. „Hat Azande so gute Worte zu Bomba gesprochen?“
„Ja, es waren gute Worte“, bestätigte der Junge. „Sobald Azande seine Krieger dazu überredet hat, wird er mit uns aufbrechen, um Bombas Vater zu suchen.“
„Die Götter seien gelobt!“, rief Gibo. „Wir haben neue Verbündete!“
„Es ist besser, diese kleinen rothaarigen Männer zu Freunden als zu Feinden zu haben“, erklärte Wafi mit einem Brummen der Befriedigung.
„Wann wirst du wieder stark genug sein, um mit uns aufbrechen zu können, Herr?“, fragte Gibo besorgt.
„Das Fieber ist bereits verschwunden“, sagte der Junge. „Bald werde ich wieder einen Bogen spannen und das Messer schwingen können. Dann brechen wir auf, um meinen Vater zu befreien.“
Gibo und Wafi waren im Innern davon überzeugt, dass Bombas Vater längst nicht mehr lebte. Sie kannten die Grausamkeit der Kannibalenstämme. Aber um nichts in der Welt hätten die treuen Burschen ihrem jungen Herrn solche Gedanken verraten.
*
Die Tage der Genesung gingen schnell dahin. Als Bomba erst wieder vor die Hütte treten konnte und dann zum ersten Male Pfeil und Bogen zur Hand nahm, war er stets von einem Kreis von Bewunderern umgeben. Die Pygmäen hatten sich an ihren jungen Gast gewöhnt und behandelten ihn mit Ehrfurcht und Zuneigung. Als Bomba dann erst Proben seiner unvergleichlichen Schießkunst ablegte, kannte die Bewunderung der kleinen Männer keine Grenzen mehr.
Bomba hatte eine außergewöhnliche Begabung für Sprachen, und so konnte er sich nach einer Woche schon mit den Pygmäen unterhalten, deren Sprache kaum grammatische Schwierigkeiten bot und deren Wortschatz auch äußerst gering war.
Besonders die Eltern des kleinen Negongwe nahmen jeden Anlass war, um Bomba ihre Dankbarkeit zu beweisen. Sie überschütteten ihn geradezu mit Früchten, Nüssen und Beeren, und der kleine Knabe selbst war ein häufiger Gast in Bombas Hütte.
Während Bomba noch sein Krankenlager gehütet hatte, war der Häuptling mit den Vorbereitungen für eine Elefantenjagd beschäftigt gewesen. Seine Späher hatten ihm die Nachricht gebracht, dass eine große Herde etwa einen Tagesmarsch vom derzeitigen Lagerplatz des Stammes entfernt weide. Geräuchertes Elefantenfleisch würde die Nahrungssorgen des Stammes für lange Zeit beheben, und so wollte Azande diese Gelegenheit nicht ungenützt verstreichen lassen.
In einer stillen Stunde hatte Bomba seinem ehemaligen Safariführer Wafi die Geschichte erzählt, wie er mit Gibo zusammen im New Yorker Zoo auf Elefantenjagd gegangen war. Der Zulu ließ sich jetzt die Gelegenheit nicht entgehen, Gibo ein wenig zu hänseln.
„Jetzt wirst du das Tier mit den zwei Schwänzen zu sehen bekommen“, sagte er spöttisch zu Gibo, als sie den Jagdvorbereitungen der Pygmäen zuschauten.
„Oh, darüber bin ich nur froh“, erwiderte Gibo, der über den gutmütigen Spott seines Gefährten keineswegs gekränkt war.
„Vielleicht wirst du nicht allzu froh sein“, sagte Wafi mit einem breiten Grinsen. „Du siehst nun endlich das Tier mit den zwei Schwänzen, aber du musst bedenken, dass es dich ebenfalls erblickt. Und es ist nicht gerade gut, wenn ein wilder Elefantenbulle einen Menschen sieht — nein, das ist für diesen Menschen gar nicht gut.“
„Ich habe genug Pfeile im Köcher“, erklärte Gibo. „Und ein so großes Ziel können meine Pfeile bestimmt nicht verfehlen.“
„Sie werden treffen“, erwiderte Wafi lakonisch, „aber sie werden nicht wirken. Es sei denn, du triffst den Elefanten an ganz bestimmten Stellen.“
„Aber wie bringt man dann einen Elefanten zu Fall?“, fragte Gibo verwirrt.
„Ich habe noch nie erfahren, wie die Pygmäen Elefanten jagen“, sagte Wafi. „Aber ich habe gehört, dass sie nach den Augen der Tiere schießen und sie auf diese Weise blenden. Dann verfolgen sie die Elefanten mit Speeren und Keulen solange, bis die Tiere ermattet zusammenbrechen und sterben.“
Das Leben im Dschungel hatte Gibo ziemlich abgehärtet, aber diese grausame Jagdmethode gefiel ihm nicht.
„Bomba kämpft nicht so“, sagte er stolz. „Er würde dem Elefanten gegenübertreten und offen kämpfen.“
„Bomba ist auch kein Pygmäe“, erwiderte Wafi, und dagegen war schließlich auch nichts zu sagen.
Am nächsten Morgen, als das Grau der Dämmerung noch über der Lichtung hing, trat Azande in die Hütte, in der die drei Gefährten wohnten.
„Ist Bomba bereit?“, fragte er. „Die Jagd soll beginnen.“
Bomba sprang auf und wischte sich den Schlaf aus den Augen.
„Ich bin bereit“, sagte er. „Wir kommen sofort.“
7 Der Hinterhalt
Auf dem Vormittagsmarsch geschah nichts Wichtiges. Sie fanden keine Spuren menschlicher Feinde, und die Raubtiere schliefen noch nach ihrem nächtlichen Beutezug. Nach einer kurzen Mittagsrast setzten sie den Marsch fort, aber erst am späten Nachmittag stießen sie auf die ersten Elefantenspuren.
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