Zauberstunde. Angelika Marx
Mein Cousin war total blau und kippte mitsamt Stuhl um. Der Onkel ohrfeigte die Tante und zerriss ihr die neue Bluse. Meine Schwester stritt mit ihrem Ehemann. Der Freund der jüngeren Schwester erschien erst gar nicht. Das Essen war völlig verkocht. Und schließlich brannte noch der Baum. Ich saß kopfschüttelnd am Tisch und murmelte immer wieder nur den einen Satz: Eine schöne Bescherung! Eine schöne Bescherung!“
„Das ist ja kaum zu glauben!“, wendet Loni ein.
„Ich schwöre bei meiner Möhre!“, versichert Rainer.
„Na, da ist ja nicht viel zu verlieren!“, meint Kerstin lakonisch.
„Pass auf, was du sagst! Das geht auf die Psyche!“ Er horcht aufmerksam in sich hinein. „Ich glaub, ich spür schon was!“
„Ja, mein Abgrundguter“, beschwichtigt seine bessere Hälfte, „ich nehm’s mir zu Herzen!“
Um die Stimmung aufzuheitern, möchte Omar eine pfiffige, arabische Musik auflegen, doch seine Frau protestiert. „Die heulen grauenvoll, leg lieber Weihnachtslieder auf. Deutsche!“
„Ilona!“, rügt er sie, aber fügt sich. Ihr Kinderlein kommet tönt es durch die Gemächer.
Dazu fällt Kerstin ihr Patenkind ein. „Das war ein Horrorkind! Schon mit vier Jahren ist die immer ihren Eltern weggelaufen. Wir waren zusammen in Holland in einem Restaurant essen, plötzlich war die weg! Es ging eine hektische Suche los, aber das Mädel war nicht aufzufinden. Der ältere Bruder gab zu bedenken, sie könne ja in eine Gracht gefallen und bereits ertrunken sein, was die allgemeine Stimmungslage merklich verbesserte! Schließlich alarmierten die verzweifelten Eltern die Polizei. Die teilte ihnen mit, sie hätten ein kleines Mädchen auf der Wache, auf die die Beschreibung des vermissten Kindes zuträfe. Sie sei bei C und A in der Männerumkleidekabine gefunden worden und sich diesem Orte anpassend, habe sie sich gleich ausgezogen.“
Wir staunen, müssen aber auch lachen und Kerstin fährt in voller Fahrt fort: „Ein anders Mal war ich mit Lena, der Mutter des Kindes, und eben jenem Mädel einkaufen in der Innenstadt. Wir wollten gerade eine Boutique betreten, zu der es fünf Stufen hinunterging. Auf der letzten riss sich die Kleine von der Hand ihrer Mutter los und rannte weg. Ich stürzte mit dem Aufschrei Das Kind! sofort hinterher, aber oben angekommen, war kein Zipfel mehr von ihr zu erblicken. Panik brach aus. Vor uns brausender Verkehr, rasende Autos, klingelnde Straßenbahnen – was da alles passieren konnte! Schließlich kam Lena die erleuchtende Idee: „Vielleicht ist sie ja da drüben zu Mc Donald’s abgehauen!“
Und wahrhaftig! Dort fanden wir sie quietschvergnügt reitend auf einem Plastikpony. Sie hatte auch schon eine Gastfamilie gefunden, die sie mit Pommes fütterte und Klein-Katharina sah keinerlei Veranlassung, diese Idylle zu verlassen.
Der Abend endet spät, die interessanten Gespräche fesseln, man kann sich kaum trennen. Schließlich erklärt Omar noch ausführlich, wie Lonis Hähnchen von seinem Cousin geschlachtet wurden. Dem machte das nichts aus. Er klemmte sich die Tiere zwischen die Knie, packte sie am Kopf und schnitt ihnen den Hals durch. Dann ließ er sie los und sie liefen noch einen Moment im Zickzack durch den Garten. Kopflos. Die Nachbarn haben sich beschwert. Man einigt sich, die tiefgefrorenen Tiere möglichst bald gemeinsam zu verzehren. Da hat man doch schon wieder etwas, auf das man sich freuen kann!
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