Der weisse Schmetterling. Walter Mosley

Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley


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ich meinen Griff lockerte, stieß sie sich von mir ab und stand auf. Ich erinnere mich daran, wie das Licht anging und sie im grellen elektrischen Schein dastand. Sie hatte Schweiß im Gesicht, ihr Schamhaar glitzerte. Sie sah mich mit einer Gefühlsregung an, die ich nicht deuten konnte.

      »Ich liebe dich«, sagte ich.

      Ich schlief ein, ehe ihre Antwort kam.

      In meinem Traum war es Nachmittag. Ein goldener, sonniger Tag, wie es ihn nur in Südkalifornien gibt. Bonita Edwards saß unter dem Baum, die Beine ausgestreckt, die Hände, mit den Handflächen nach oben, neben ihren Schenkeln liegend. Vögel waren da, Spatzen und Häher, die im Gras um sie herum nach Futter pickten. Eine kleine Brise sorgte für eine ganz leichte Kühle in der Luft.

      »Wer hat das getan?«, fragte ich die Tote.

      Sie wandte sich mir zu. Durch das Einschussloch in ihrem Kopf konnte man den Himmel sehen.

      »Was?«, fragte sie mit einer schüchternen, leisen Stimme.

      »Wer hat Ihnen das angetan?«

      Dann fing sie zu weinen an. Es war seltsam, weil es nicht das Geräusch war, das eine Frau beim Weinen macht.

      Regina stützte sich mit beiden Händen gegen den Baum. Ihr Rock war über die Hinterbacken gezogen, und ein großer nackter Mann nahm sie von hinten. Sie warf ihren Kopf hin und her, und sie hatte einen starken Orgasmus, aber sie stieß dabei dieselben seltsamen Weingeräusche aus wie Bonita Edwards.

      Ich hasste sie alle. Ich konnte den Hass im Körper spüren wie einen tiefen Atemzug. Ich packte Bonita am Kragen ihres rosa Partykleids und zog sie hoch. Sie hing nach unten, schwer wie die Leiche, die sie war, immer noch weinend.

      Auf diese seltsame Weise weinend. Vielleicht wie ein Kätzchen. Oder ein Rohr in der Wand mit einem zischenden Leck. Wie ein Baby.

      Ich machte die Augen auf, fröstelte, weil ich die Decke weggestrampelt hatte. Edna weinte leise. Ich stand auf und stolperte zur Tür. An der Tür schaute ich mich um und sah, dass Regina die Augen offen hatte. Sie schaute zur Decke.

      Sie machte mir Angst. Aber ich tat die Furcht als Teil meines Traums ab.

      Bald ist alles vorbei, dachte ich. Sie werden den Killer fassen, und meine Albträume werden verschwinden.

      6

      Ich ging in die Küche und stellte Ednas Babynahrung auf den Herd. Dann nahm ich eine Windel aus der Packung, die Jesus alle paar Tage vom LuEllen-Stone-Supermarkt mitbrachte.

      Edna weinte in der Wohnzimmerecke, in die wir ihr Bettchen gestellt hatten. Ich schaltete die kleine Lampe ein und beugte mich über sie. Das brachte das Weinen einen Augenblick lang zum Verstummen. Dann bückte ich mich und küsste sie auf die Wange. Das brachte mir ein Lächeln und ein Krähen ein. Ich trug sie in die Küche, wo ich sie auf ein auf dem Küchentisch ausgebreitetes Laken legte. Ich füllte eine rote Gummiwanne mit lauwarmem Wasser und öffnete die Sicherheitsnadeln ihrer Windeln.

      Sie weinte wieder, aber nicht zornig. Sie wollte mir nur zeigen, dass sie sich nicht wohlfühlte. Ich hätte mich ihr anschließen können.

      Ich wusch sie mit einem weichen Wildlederlappen, alberte mit ihr herum und küsste sie hin und wieder. Als sie sauber war, waren alle Tränen verschwunden. Das Fläschchen war fertig, und ich zog sie rasch wieder an. Ich nahm sie hoch und gab ihr das Fläschchen. Sie saugte, krähte und fuchtelte nach meiner Nase.

      Ich wandte mich der Tür zu und sah, dass Regina dort stand und uns zuschaute.

      »Du liebst sie wirklich, stimmt’s, Baby?«, fragte sie.

      Diesen Kosenamen von ihr zu hören, war mir lieber, als mit jeder anderen Frau auf der Welt zu schlafen. Es war, als hätte sie eine Tür aufgemacht, und ich war bereit, hineinzulaufen.

      Ich lächelte sie an, und in diesem Moment sah ich, dass sich etwas in ihrem Blick veränderte. Es war, als wäre ein Licht darin erloschen, als wäre die Tür geschlossen worden, ehe ich hindurchgehen konnte.

      »Baby«, sagte ich.

      Edna drehte sich in meinem Arm, sodass sie ihre Mutter sehen konnte. Sie streckte eine Hand nach ihr aus, und Regina nahm sie mir ab.

      »Ich brauch Geld«, sagte Regina.

      »Wie viel?«

      »Sechshundert Dollar.«

      »Lässt sich machen.« Ich nickte und setzte mich.

      »Wie?«

      Ich sah zu ihr auf, verstand die Frage nicht ganz.

      »Ich hab dich gefragt, wie, Easy.«

      »Du hast gefragt, ob ich dir sechshundert Dollar geben kann.«

      Als sie den Kopf schüttelte, flog ihr geglättetes Haar von einer Seite zur anderen und kam dann an der linken Kopfseite zum Stillstand.

      »Mhm, Easy. Ich hab gesagt, ich brauch das Geld. Ich hab dich nix gefragt. Vielleicht willste wissen, warum ich’s brauch. Vielleicht willste wissen, wie viel ich schon hab.«

      Vor dem kleinen Hinterfenster über der Spüle verwandelte sich der Himmel von der Nacht in eine helle weißliche Farbe. Es war ein Gefühl, als ob die Welt größer würde, und ich wäre am liebsten nach draußen gelaufen.

      »Okay. Schon gut. Wozu brauchst du’s?«

      »Ich brauch Kleider für mich und die Kleine, ich muss Rechnungen für mein Auto zahlen, und meine Tante in Colette is krank und braucht Geld fürs Krankenhaus.«

      »Was hat se denn?«

      »Steine. Hat der Doktor gesagt.«

      »Und wie viel haste schon?« Ich hatte fast das Gefühl, hier der Chef zu sein.

      »Mhm, Easy. Ich will wissen, wo de sechshundert Dollar herkriegen willst«, sie schnippte mit den Fingern, »einfach so.«

      »Ich frag dich nich nach dem Geld in deiner Tasche, Baby. Das is dein Geld«, sagte ich. »Hat mit mir nix zu tun.«

      »Du brauchst mich nix fragen, Easy Rawlins. Weißt ja, dass ich im Temple arbeite. Geh jeden Morgen um acht hin und komm jeden Tag um halb sechs nach Haus. Du weißt, woher ich mein Geld hab.«

      »Und du weißt, dass ich für Mofass arbeite«, wandte ich ein. »Vielleicht nich zu so festen Zeiten wie du, aber arbeiten tu ich trotzdem.«

      Sie schnippte wieder mit den Fingern. Es machte sie wütend, dass ich dazu fähig war, ihr eine solche Lüge zu erzählen. »So ne Menge Geld treibt doch keiner nich auf, wo putzen geht. Hältste mich für blöd?«

      Wir hatten beide schwere Zeiten durchgemacht.

      Regina war die Älteste von vierzehn Kindern einer Familie aus Arkansas. Die Mutter starb bei der Geburt des letzten Kindes. Ihr Vater verkam zu einem hilflosen Säufer. Regina zog die Kinder auf. Sie arbeitete, betrieb Landwirtschaft und lächelte für die weißen Landbesitzer. Ich wusste nicht einmal die Hälfte darüber, aber ich wusste, dass ihr Leben hart gewesen war.

      Sie hatte mir einmal erzählt, sie habe, um diese hungrigen Mäuler zu stopfen, Dinge getan, auf die sie nicht stolz sei.

      »Ich bin kein Krimineller«, sagte ich. »Mehr musste nich wissen. Ich kann dir das Geld besorgen, wenn du’s brauchst. Willste es?«

      Edna, die sich jetzt in die Arme ihrer Mutter schmiegte, lachte laut und warf das Fläschchen auf den Boden. Ihre Augen und ihr Lächeln waren fröhlich und übermütig.

      Regina biss sich auf die Lippe. Bei manchen Frauen wäre das ein kleines Zugeständnis gewesen, aber bei ihr war es eine Kapitulation vor einem bitterbösen Feind.

      »Sag mir, was ich wissen will, Easy.«

      »Ich verberg doch nix vor dir, Baby. Du brauchst Geld, ich kann’s besorgen. Weil ich dich liebe und für dich und Edna alles tu.«

      »Warum willste mir dann


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