Ten Mile Bottom. Teodora Kostova

Ten Mile Bottom - Teodora Kostova


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auch nicht allzu scharf darauf, mich damit zu beschäftigen.

      Ich spürte seine Hand an meinem Oberarm, als er mir durch die Menschenmenge zur Toilette folgte. Das plötzliche Licht und die Stille, als wir die Tür hinter uns schlossen, prasselten auf meine Sinne ein und ließen mich zucken.

      »Hast du was?«, fragte ich, während das Adrenalin in meinen Adern summte. Aiden nickte und zog eine kleine Tüte aus seiner Tasche. »Gut.«

      Wir gingen in eine der Kabinen und Aiden lehnte sich mit dem Rücken an die geschlossene Tür. Mir fielen die Geräusche aus einer der anderen Kabinen auf, aber es war mir vollkommen egal, was dort getrieben wurde. Mir rauschte das Blut in den Ohren, mein Kopf pulsierte und meine Hände zitterten, als ich sie in meinen Haaren vergrub und daran zog. Es tat weh und ich genoss den Schmerz.

      Vor meinem Gesicht tauchte Aidens Hand auf, in der eine Menge Pillen lagen. Ich schluckte, denn allein bei dem Gedanken an die herrliche Selbstvergessenheit lief mir das Wasser im Mund zusammen. Verschmitzt grinsend sah ich Aiden in die Augen und nahm zwei Tabletten. Er runzelte die Stirn, stand aber zu sehr neben sich, um etwas zu sagen. Bevor er seinen gesunden Menschenverstand wiederfinden und mir einen Vortrag halten konnte, warf ich mir die Pillen in den Mund und schluckte sie trocken.

      Ich schwankte, denn die sofortige Erleichterung und das Vergnügen ließen mich schwindeln. Die Bilder, die in Endlosschleife durch meinen Kopf geisterten, wurden blasser und lösten sich an den Rändern auf, bis sie endlich verschwunden waren. Gott, das war ein Segen. Ein wirklicher, echter, unverfälschter Segen.

      »Scheiße«, fluchte Aiden leise und schlug mit dem Kopf gegen die Tür.

      Ich hob den Blick, um ihn anzusehen und war überrascht, wie gut er aussah. Aiden hatte immer gut ausgesehen mit seinen dichten, dunklen Haaren, den verführerischen, haselnussbraunen Augen und der Eleganz, mit der er seinen hoch aufgeschossenen Körper bewegte, aber in diesem Moment war er der schönste Mann, den ich je gesehen hatte. Mit wackligen Beinen ging ich auf ihn zu, drückte ihn gegen die Tür und umfasste seinen Kiefer, während ich ihn grob küsste. Aiden stöhnte und zog mit den Händen an der Rückseite meines T-Shirts.

      Es fühlte sich so gut und gleichzeitig so falsch an und ich wusste nicht, warum.

      »Ich brauch Alkohol«, murmelte ich und knabberte an seiner Unterlippe, während ich die Tür öffnete.

      Aiden schloss ganz kurz die Augen, ehe er nickte und mir nach draußen folgte.

      Kapitel 2

      Ich verstand die Muster nie, die meine Gedanken für gewöhnlich annahmen. Warum war zum Beispiel das grellgrüne T-Shirt des Barkeepers das Erste, das sich aus der Dunkelheit schälte? War es überhaupt grün? Blau? Ich wusste es nicht wirklich.

      Alles war so verdammt dunkel, keine blitzenden Lichter, keine Musik. Keine tanzenden Menschen, die mich herumstießen, während wir uns alle in einem anderen Rhythmus zum selben Takt bewegten.

      Ich hörte ein entferntes Piepen, aber falls das ein neuer Hit war, hatte jemand wirklich Mist gebaut, denn er war verdammt langweilig. Piep. Piep. Piep. Das war's. Kein Bass, kein anderes Geräusch. Nur Dunkelheit und dieses verdammte Piepen. Es trieb mich in den Wahnsinn.

      Ich versuchte, mich zu bewegen, um Aiden zu finden, damit wir aus diesem lahmen Club verschwinden konnten, aber aus irgendeinem Grund ging es nicht. Ich versuchte, ihn zu rufen, aber meine Kehle war eng und fühlte sich seltsam wund an, als hätte ich bereits eine Weile geschrien. Und da war etwas… Da war etwas in meinem Mund, das in meine Kehle führte.

      Ich riss die Augen auf und die Panik überkam mich so plötzlich, dass mir schwindlig wurde. Ich konnte meinen Blick nicht fokussieren. Alles um mich herum war verschwommen und zu hell. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht einmal sprechen. Und dieses Ding in meinem Hals, ich wusste nicht, was es war, aber ich wollte es nicht in mir haben. Ich fühlte mich hilflos, als ich versuchte, alles zu verstehen und mich durch den Schmerz und den stechenden Lärm in meinem Kopf zu schieben.

      »Finnegan!«

      Jemand sagte meinen Namen, aber ich konnte die Person nicht sehen. Ich schlug weiter um mich, versuchte mich aufzurichten, versuchte, mich zu konzentrieren, die Panik abzuschütteln und mich von dem zu befreien, was auch immer mich unten hielt…

      »Finnegan, du musst dich beruhigen!«, sagte die Stimme und sie klang seltsam nach meiner Mutter. Nur sie und vollkommen Fremde nannten mich bei meinem vollen Namen.

      Warum war sie hier? Und was viel wichtiger war, warum versuchte sie nicht, mir zu helfen?

      Ich folgte ihrer Aufforderung und hielt still. Ich schloss die Augen und versuchte, das Ding in meinem Hals zu vergessen, ehe ich sie wieder öffnete und mich auf das nächste Objekt vor mir konzentrierte. Es war eine schmucklose, quadratische Lampe an einer schmucklosen weißen Decke. Als ich langsam den Kopf drehte, sah ich meine Mutter stirnrunzelnd auf einem Stuhl hocken und neben ihr stand eine Maschine mit vielen Lichtern, Monitoren und Kabeln.

      Heilige Scheiße, ich war in einem Krankenhaus. Das Ding in meinem Hals war ein Intubationsschlauch. Ich konnte mich nicht frei bewegen, weil meine Hände ans Bett gefesselt waren. Langsam ergab alles einen Sinn, während die Situation in meinem Kopf Formen annahm.

      »Finnegan?«, sagte meine Mutter nun mit sanfterer Stimme. Sie legte eine Hand auf das Bettgitter und beugte sich näher zu mir. Ihr Mund öffnete sich, aber sie sagte nichts. Also schloss sie ihn wieder und wandte den Blick ab, doch ich hatte die Enttäuschung in ihren Augen trotzdem gesehen.

      Nichts Neues, hm?

      In den Augen meiner Mutter lagen immer Enttäuschung oder Ungeduld oder Missbilligung, wenn sie sich mit mir abgeben musste.

      Ich wandte den Blick ab und sah wieder zu der quadratischen Lampe an der Decke. Ich konnte mich jetzt nicht mit ihr auseinandersetzen. Es gab Dringenderes. Jemand musste diesen Schlauch aus meinem Hals entfernen, sonst würde ich wieder durchdrehen.

      Ich drehte den Kopf wieder zu meiner Mutter und versuchte, mit meinen gefesselten Händen so gut ich konnte auf den Schlauch zu zeigen. Sie schien mich zu verstehen, denn sie nickte, stand auf und ging zur Tür – hoffentlich, um jemanden zu holen.

      Ich war so müde. Schmerzhaft müde. Bilder, Geräusche und Farben blitzten in meinen Gedanken auf, unfokussiert, einander jagend und um meine Aufmerksamkeit ringend. Ich wollte, dass alles aufhörte.

      Ich wollte Stille.

      Ich wollte die Dunkelheit zurück.

      ***

      Mein Körpergefühl und die Schmerzen kratzten wieder am Rand meines Bewusstseins. Ich war nicht besonders scharf darauf. Es hatte sich gut angefühlt, von Dunkelheit und schmerzloser Schwerelosigkeit umfasst zu sein.

      Ich musste mich bewegt und meinen Wachzustand verraten haben, denn ich konnte erneut meine Mutter hören, die meinen Namen sagte.

      Ich öffnete die Augen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich fokussieren konnte, denn das grelle Tageslicht stach.

      »Finnegan?«

      Hör auf, meinen Namen zu sagen. Hör auf, so zu tun, als würdest du dich sorgen. Geh weg.

      Ich wollte die Worte schreien, hatte aber nicht die Energie dafür. Außerdem, selbst wenn ich sie hätte, fühlte sich meine Kehle trocken an und tat höllisch weh.

      Zögerlich versuchte ich, gegen den Schmerz zu schlucken. Es tat weh. Zumindest war der verdammte Schlauch weg. Meine Mutter stand noch immer neben dem Bett und ihr Blick glitt über meinen Körper und mein Gesicht, als würde sie nach etwas suchen. Keine Ahnung wonach, aber die Falte zwischen ihren Brauen wurde tiefer, also nahm ich an, dass sie es nicht gefunden hatte.

      »Wasser«, krächzte ich kaum hörbar, aber sie hörte mich und hielt mir ein Glas Wasser mit einem Strohhalm an die Lippen.

      Ich griff danach und meine Hände waren überraschenderweise frei. Allerdings waren sie nicht wirklich hilfreich, denn sie zitterten heftig, als ich versuchte, das Glas


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