Wladimir Kramnik. Carsten Hensel

Wladimir Kramnik - Carsten Hensel


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      Carsten Hensel

      Aus dem Leben eines Schachgenies

      VERLAG DIE WERKSTATT

       Für Birgit und Marie-Laure,die immer für uns da waren!

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

      in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

      Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Copyright © 2018 Verlag Die Werkstatt GmbH

      Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen

      www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Umschlagfoto: Digital Game Technology BV (DGT) Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen

      ISBN 978-3-7307-0409-7

      INHALT

       Prolog

       Von Schachgenies und schönen Künsten

       Vom Stolz einer ganzen Stadt

       Vom chaotischen Genie

       Von Metamorphose und Millenniumsieg

       Vom Monster von Bahrain

       Von Leidenschaft und Leid

       Von der Vereinigung der Schachwelt

       Vom Verlust der Schachkrone

       Vom letzten großen Duell und der Zukunft

       Von Großmeister zu Großmeister

       Epilog

       ANHANG

       Im Porträt: Die Weltmeister des Schachs

       Schachweltmeister / Schachweltmeisterschaften seit 1886

       Die WM-Partien des 14. Schachweltmeisters

       Literaturverzeichnis

       Glossar

       Danksagung

       Der Autor

       Bildnachweis

       »Der talentierteste aller Spieler hier ist Wladimir Kramnik. Alle anderen machen Züge, Kramnik jedoch spielt Schach!«

       Garri Kasparow, 13. Schachweltmeister

      Prolog

      13. Oktober 2006, 19:10 Uhr, Elista, russische Teilrepublik Kalmückien: Ein Aufschrei zerschneidet die Grabesstille im überfüllten Spielsaal. Topalow hat soeben in der entscheidenden vierten Tiebreak-Partie im 44. Zug einen schweren Fehler gemacht und seinen Turm eingestellt. Kramniks Haltung wird kerzengerade. Miguel Illescas kneift mich ins Bein und flüstert: »Wir haben es, das verliert!« Kramnik zieht seinen Turm im 45. Zug nach b7, Schach! Topalow stiert einen Moment auf das Schachbrett, schüttelt den Kopf und gibt auf. Kramniks Faust schnellt zum Zeichen des Triumphes nach oben, genau wie er es schon nach seinen epischen WM-Siegen gegen Garri Kasparow und Péter Lékó gemacht hat. Meine Wahnsinnsanspannung macht sich Luft, und das sonst so zurückhaltende Schachpublikum verwandelt das Auditorium des kalmückischen Regierungshauses in ein Tollhaus: Hurra-Schreie, Trampeln und stakkatoartiges Klatschen folgen minutenlang.

      Wir umarmen uns im Kramnik-Team. Es hält mich nicht mehr auf meinem Platz. Wladimir steht immer noch etwas verloren am Spieltisch und versucht seinen Kugelschreiber in der Jackeninnentasche zu verklemmen. Ich stürme die Bühne, gebe dem inneren Druck erneut mit mehreren Jubelschreien nach und kann es mir nicht verkneifen, die Faust Richtung Team Topalow zu ballen.

      Dieser Kampf um die Schachweltmeisterschaft beendete die Teilung der Schachwelt und war zugleich der dramatischste aller Zeiten. Abgesehen von dem Duell zwischen Boris Spasski und Bobby Fischer entfachte keine WM im Schach ein so gewaltiges Medienecho. Gesorgt hatte dafür nicht nur deren spannender Verlauf, sondern auch »Toiletgate« – ein lancierter Skandal. Mehr als zehn Jahre sind seither vergangen.

      In diesem Buch geht es in erster Linie um den Menschen und Schachspieler Wladimir Kramnik. Analog den 64 Feldern auf dem Schachbrett stehen die Erzählungen in 64 Abschnitten im Zusammenhang mit meinen persönlichen Erlebnissen und weiteren Vorgängen innerhalb der Schachwelt, zuweilen auch im Kontext mit dem jeweiligen zeitgeschichtlichen Geschehen. Kramniks Jahre als Weltmeister zwischen 2000 und 2007 gelten als die politisch schwierigste, ja konfliktreichste Zeit der Schachgeschichte überhaupt. Ich habe währenddessen an seiner Seite gestanden und konnte vielleicht ein wenig dazu beitragen, dass er sich trotz widrigster Bedingungen sieben Jahre auf dem Schachthron hielt.

      Schachweltmeister sind sagenumwoben und versprühen in der öffentlichen Wahrnehmung eine mythische Aura. Im Sport gilt der Titel traditionell als einer der bedeutendsten überhaupt. So wie Boxweltmeister im Schwergewicht als größte Kämpfer, Weltmeister über 100 Meter in der Leichtathletik als schnellste Menschen hohen Respekt genießen, gilt der Schachweltmeister als eines der klügsten, intelligentesten Wesen unseres Planeten: in den meisten Fällen durchaus zu Recht! In seiner langen und bewegten Geschichte brachte das königliche Spiel bisher 16 klassische Schachweltmeister hervor. Zu ihrer Zeit waren sie von allen Schachliebhabern anerkannt. Ihr Spielstil beeinflusste die jeweiligen Generationen.

      Über Wladimir Kramnik ist seit dem Beginn seiner großartigen Karriere viel geschrieben worden. Ich kann jedoch ganz authentisch aus nächster Nähe über diesen außergewöhnlichen Mann und die wichtigsten Ereignisse während seiner großen Schachkarriere berichten. Niemand sonst war über einen so langen Zeitraum so nahe an den großen Wettkämpfen des 14. Schachweltmeisters dran. Unsere Freundschaft begann bereits in den 1990er Jahren und hält bis heute an. In den Jahren von 2002 bis 2009 war ich sein professioneller Berater.

      Während bestimmter Phasen seiner Laufbahn haben gewisse Kreise immer mal wieder versucht, Kramnik als langweiligen, egoistischen Pragmatiker darzustellen. Zu diesen Menschen gehörte zeitweise auch Garri Kasparow, sein Vorgänger auf dem Schachthron. Wer jedoch Kramnik ein solches Image anzuhängen versuchte, wusste entweder überhaupt nicht, von wem er da redet, oder er wollte dieses Bild nur deshalb produzieren, um eigene Interessen zu bedienen.

      Kramnik, ein positionell aktiver und sehr kreativer Spieler, hat einige der schönsten Partien der Schachgeschichte gespielt.


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