Geist Gottes - Quelle des Lebens. Heinrich Christian Rust

Geist Gottes - Quelle des Lebens - Heinrich Christian Rust


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Menschen hier und jetzt schon einen Realitätsbezug (1Kor 15; Phil 3,2). Hier und jetzt erfährt der Christ durch den Geist Gottes bereits das Charisma des ewigen Lebens, allerdings nur als ein Angeld und im Verborgenen (Kol 3,3; Röm 6,23; Gal 6,8). Ewiges Leben ist eine Gnadengabe Gottes, die wir hier schon empfangen, die sich aber erst im neuen Äon in ihrer Leiblichkeit und ihrem ganzen Umfang äußern wird76. „Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2).

      Die eschatologische Dimension des Wirkens des Geistes Gottes ist jedoch nicht nur für den individuellen menschlichen Bereich zu sehen, auch im Gericht Gottes über die Nationen wird er seine Wirksamkeit erweisen77. Er ist der Geist, der alles zur Vollendung führt.

       „Von Anfang an richtet sich der Geist nicht auf ein ‚Jenseits‘, sondern auf ein ‚Morgen‘, und zwar auf den Morgen, der in der Auferstehung Jesu Christi endlich ans Licht getreten ist: die eschatologische ‚Pneumatisierung‘ der ganzen Schöpfung, wobei die ganze im Geist Gottes geschaffene und erhaltene Welt im neuschaffenden Geist über sich hinaus geführt und dadurch verwandelt wird, dass sie durch den Sohn in die Gemeinschaft des trinitarischen Gottes aufgenommen wird.“78

      Der Geist Gottes wirkt nicht nur in der Schöpfung, in der Zeit des Alten Bundes, in dem Messias, Geistträger und Geisttäufer Jesus oder in seiner Gemeinde der Gläubigen, sondern er wirkt durch alle Zeiten hindurch in unterschiedlicher Dichte und Intensität im Kosmos. Eine missionale Pneumatologie spürt diese umfassende Sendung des Geistes auf und artikuliert sich damit als eine Theologie der Welt, der Geschichte, der Kultur, der Politik, ja, des gesamten Lebens.79

       1.2Die trinitarische Einheit

      Ich war richtig erschrocken. Es war bei meiner Einführung zum Landesjugendpastor in Niedersachsen. Eine gute und stabile Mitarbeiterschaft war von meinem Vorgänger sehr stark lehrmäßig in diesem Dienst ermutigt und geprägt worden. Sie hatten den Römerbrief sorgfältig studiert und im Zentrum der Lehre stand eindeutig eine Christologie, die stark von dem Kreuzesgeschehen ausging. Es war eine Art „Christomonismus“ oder eine „staurologische Christologie“, die sich auf das Wort des Apostels Paulus berufen konnte, der nichts anderes weiß, als das „Wort vom Kreuz“ (1Kor 2,2). Zu Beginn des Einführungsgottesdienstes stand ein großes Holzkreuz sehr zentral auf der Bühne. Dann ging ein Mitarbeiter nach vorn, nahm das Kreuz und stellte es in eine Ecke. „Lange haben wir uns mit dem Kreuz Jesu beschäftigt, nun kommt eine neue Zeit“, proklamierte er der verdutzten Zuhörerschaft. „Der neue Jugendpastor wird uns mehr über den Heiligen Geist beibringen, er kommt, wie wir alle wissen, aus der charismatischen Erneuerung.“ Einige lachten und ich saß geradezu wie gelähmt auf meinem Platz. „Was für ein theologisches Missverständnis!“, dachte ich. Man kann doch nicht bildhaft Christus in die Ecke schieben und sich dann dem Heiligen Geist zuwenden! In meiner anschließenden kurzen Ansprache habe ich versucht, das auch gleich wieder zurechtzurücken, weiß aber nicht, ob es mir gelungen ist.

      Heute habe ich auch mehr Verständnis für die ungehobelte Theologie der jungen Leute. Wie sollten sie es denn auch anders denken und zuordnen? War ihnen das nicht immer wieder bewusst oder unbewusst vermittelt worden, dass der Geist Gottes die „Dritte Person“ der Trinität sei? Dass alles Reden und Nachdenken über den Geist Gottes ja letztlich geradezu wie eine Konkurrenzveranstaltung in der himmlischen Welt aufgenommen werden könnte?

      Mir wird immer bewusster, dass ein mangelndes Verständnis des trinitarischen Geheimnisses der Gottesoffenbarung zu Verunsicherungen und Vereinseitigungen in der Theologie und auch in der Spiritualität führen muss. Heute würde ich es umso klarer sagen: Je mehr ein Mensch vom Geist Gottes erfüllt ist, umso mehr ist er auch mit dem Sohn Gottes und mit dem Vater im Himmel verbunden. Der Geist stellt das Kreuz nicht in die Ecke, sondern er lässt es als einen zentralen Ort der Gottesoffenbarung aufleuchten. Die Redeweise von der „Geistvergessenheit“ (O. Dillschneider) hat seinerzeit viele Theologen aufhorchen lassen und vielleicht auch verunsichert.

      Es gab in der Folgezeit eine Flut von Schriften über den Heiligen Geist, die eine Reihe von Einzelaspekten zur Pneumatologie aufhellten, die aber noch nicht ein neues „Paradigma in der Pneumatologie“80 aufzeigten. Belebend und zugleich erschwerend kam die wuchtige neue Erfahrungsebene der unterschiedlichen charismatischen Aufbrüche jener Zeit, die eine sorgfältige theologische Reflexion kaum zuließen und – besonders in freikirchlichem Milieu – die Dominanz einer Theologie der Erfahrung verstärkten. „Wahr ist das, was wir mit dem Geist Gottes erfahren!“, so könnte das Motto vieler charismatischer Gruppierungen lauten. Die aufgeschlagene Bibel würde hier und da schon helfen, diese Erfahrungen zu reflektieren. Und selbst wenn derartige Erfahrungen nicht biblisch belegt werden konnten, blieb ja immer noch der Hinweis auf den „Geist, der in die ‚ganze Wahrheit‘ führt“ (Joh 16,13). So manche irreführenden Auffassungen und Lehren berufen sich auf ein solches weiterführendes Offenbarungsgeschehen des Heiligen Geistes. Eine wegweisende Pneumatologie muss sich jedoch auf die in den biblischen Schriften des AT und NT gegebenen Offenbarungen gründen und kann die Erfahrungsebene nicht als eine gleichwertige Offenbarungsquelle ansehen. Eine Engführung oder Irreführung im Nachdenken über eine Lehre vom Heiligen Geist hat sich allerdings im Laufe der Kirchengeschichte eingebürgert durch ein mangelndes Verständnis der Trinität. Viele Vorbehalte gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes sind in einer solchen defizitären Trinitätslehre begründet.

       a.Der Geist des Sohnes

      Die Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und Christus ist im NT in einer doppelten Weise dargestellt. Zum einen können wir zu der Auffassung gelangen, dass Jesus Christus der Träger des Geistes, der angekündigte Messias, ist. Der Geist „ruht“ auf dem Gesalbten, das wird bei seiner Geburt, seiner Taufe, in seinen Wundertaten und in seiner Ankündigung der Geistausgießung deutlich (Mt 1,20; 4,1; 12,28; Lk 4,14; 10,21; Apg 1,2; Apg 10,38; Röm 1,4). Das Wirken Jesu Christi ist nur möglich, weil der Geist Gottes ihn dazu befähigte. Der Geist war auf Jesus, und das nicht nur in einem begrenzten Maß, sondern in der ganzen Fülle (Joh 3,34).

      Zum anderen finden wir Aussagen, die Christus als den Entsender des Geistes zeigen. Paulus kann sogar davon sprechen, dass der „Herr“ selber der lebendig machende Geist ist (2Kor 3,17).81 Er bezeichnet den Geist als „Christi Geist“ oder als „Geist des Sohnes“ (Röm 8,9; Gal 4,6; Phil 1,19). Der Geist wird vom Vater „im Namen“ Jesu gesandt (Joh 14,26) bzw. Jesus selbst wird als der gesehen, der den Geist senden wird (Joh 15,26; 16,7; Lk 24,49). Jesus wird also als Geistgeleiteter und auch als Geistsendender beschrieben.

      Wer aus dieser Aussage ein hierarchisches oder monarchisches Trinitätsverständnis ableitet, wird hier allerdings irregeleitet. Die Sendung ist im Sinn einer Freisetzung zu verstehen und nicht im Sinn einer nachgeordneten Rangfolge. Der Sendende ist dem Gesandten nicht übergeordnet oder bestimmend vorgesetzt. So gesehen müsste ja Jesus selbst, der vom „Geist gezeugt ist“, ebenfalls dem Geist subordiniert sein. Noch deutlicher wird diese differenzierte Deutung zwischen Sendung und Subordination (Unterordnung) im Verhältnis Jesu zum Vater. Besonders Johannes stellt heraus, dass Jesus sich in eine vollkommene Abhängigkeit vom Vater begibt. Er empfängt seine Rede, seine Vollmacht und seine Herrlichkeit allein aus dem Vater (Joh 5,19ff; 6,57; 14,9ff, 16,15). Gerade in dieser Abhängigkeit wird die Autorität Jesu begründet, die als eine „Einheit“ mit dem Vater gekennzeichnet ist. Der Vater selbst zeugt von Jesus und Jesus zeugt vom Vater (Joh 8,18f). Jesus ehrt den Vater und der Vater ehrt Jesus (Joh 8,49.54). Der Vater und Jesus sind eins (Joh 10,30.38; 14,10). Der Vater wird im Sohn verherrlicht und der Sohn im Vater (Joh 14,13; 17,1ff). Die Sendung des Sohnes vom Vater wird also nicht im Sinn einer Dominierung des Vaters gegenüber dem Sohn oder im Sinn einer Subordinationsauffassung gedeutet, sondern als ein Ausdruck der Einheit. Unterordnung wird als ein Einheitsbegriff verstanden und nicht als ein hierarchischer Terminus.

      Gemäß dieser „trinitarischen Logik“ kann aus der Aussage,


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