In den Streit der Welt …. Kai Horstmann

In den Streit der Welt … - Kai Horstmann


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zu verstehen gesucht wird. Zweitens die „Offenheit der Kommunikation“ bzw. deren Prozesscharakter unter Einbeziehung der Person, der Beziehung und der Sache auch im Konflikt. Drittens die „Verbindlichkeit“ des Prozesses durch eine Ertragssicherung und Handlungsorientierung im Bewusstsein der Konsequenzen der Entscheidung im Horizont des erreichten Grad an Konsens und Dissens, sowie viertens die „Rezeption“ als Veröffentlichung der Vereinbarungen und Entscheidungen, nach außen und in der Umsetzung innen, in der theologisch geboten frei bleibender Selbstverantwortung der Akteure.70 Auch das hier betonte synodale Element ist bei Breitenbach unter dem Stichwort des Austauschs in Netzwerken schon im Blick. „Ziele des Austauschs sind die Anregung und Information, die gegenseitige Hilfe, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen.“71

      Abromeit kritisiert Günter Breitenbachs konziliares Verständnis von Gemeindeleitung mit dem Hinweis, dass „man den Eindruck (hat), dass er stärker von der 68er Bewegung als von theologischer Argumentation bewegt wird" (12).72 So wenig ich diese Kritik an Breitenbachs Konzeption, die er in seiner Dissertation auf Grundlage einer Diskussion der Entwürfe seit Schleiermacher, Seitz und Herbst eingeschlossen, bis Bäumler im Kontext der ökumenischen Bewegung entwickelt hat,73 nachvollziehen kann,74 so sehr scheint mir Abromeit selbst in einem Maß vom „Zeitgeist“ bestimmt zu sein. Ihn leitet die oberflächliche Feststellung, dass Pfarrer und Manager in ihrem Tun und Erleben einander sehr ähnlich seien, weil sie in gewisser Weise allzuständig sind und in dialogischen Netzen arbeiten. Gemeindemanagement sei aus diesem Grund ein notwendiger Aspekt des Berufsbilds der Pfarrerin/des Pfarrers.

      Dem ist einerseits zuzustimmen. Der Pfarrdienst ist für die Gemeindebildung zentral und das gerade auch im Blick auf die große Zahl Ehrenamtlicher in den Gemeinden und auch der Kirchen- und Gemeindeleitung. Philipp Enger weist also mit Recht darauf hin, dass eine herrschaftsfreie Leitungsstruktur „theologische Mündigkeit“ voraussetzt sowie „kirchen- und verwaltungsrechtliches Wissen, humanwissenschaftliche Erkenntnisse, rhetorische Fähigkeiten, organisatorische Erfahrungen und spirituelle Übung“.75 Pfarrerinnen und Pfarrer haben in ihrem Dienst eine zentrale Rolle in der Vermittlung und Organisation entsprechenden Wissens im Dienst der Gemeindebildung. Analoges gilt für die Aufgabe von Theologinnen und Theologen in kirchenleitenden Gremien. Wenn Abromeit jedoch betont, es reiche nicht aus, die „die Selbsterhaltungskraft einer Gemeinde zu stärken“ (14), so ist schon bemerkenswert, wie der Ansatz des spirituellen Gemeindemanagements darauf aus ist, neue Christen zu machen (vgl. 25.) und Modelle für kirchliche Innovationen zu entwickeln.76 Dieses Wachstumsziel des Gemeindemanagements grenzt Abromeit zwar vom ökonomistischen Paradigma der Gewinnmaximierung ab, aber geht das spirituelle Gemeindemanagement in der Rezeption des Marketings als Ausrichtung „aller auf die potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten mit dem Zweck einer dauerhaften Befriedigung der Kundenbedürfnisse einerseits und der Erfüllung der Unternehmensziele“77 theologisch nicht an der Sache vorbei? Wird die Betonung des Wirkens des Heiligen Geistes in der Konzeption78 wirklich ernst genommen? Von der ekklesiologisch, aber auch missionstheologisch problematischen Unterscheidung von Unternehmen und Kundschaft abgesehen, scheint es geradezu so, als wirke Marketing das Reich Gottes. Darum ist es wichtig, das Ergebnis der sozialwissenschaftlichen Forschung Wegners wahrzunehmen, nach dem „die Kirche nicht am besten Mitglieder (bindet), indem sie ihren Mitgliedern hinterherläuft und sich bemüht, deren Erwartungen zu befriedigen, schon gar nicht den Distanzierten. Das tut im Übrigen auch kein Unternehmen in der Wirtschaft. Zwar ist es unabdingbar, zu wissen, was die Mitglieder wollen – aber genauso muss auch die Kirche etwas von den Mitgliedern wollen.“79

      So sehr die Konziliare Gemeindebildung auch einen Ansatz darstellt, auf die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Milieus und Lebensstile sowie die politischen Herausforderungen der Gegenwart zu reagieren, so wenig lässt sie ihre „Angebote“ der „Nachfrage“ folgen, sondern entwickelt diese aus sich selbst heraus. Aus seiner kirchensoziologischen Forschung schließt Wegner, „dass sich ein Gewinn von Menschen für Religion und Kirche über die reine Aktivierung von Milieukennzeichen nicht erreichen lässt. Entsprechend sozusagen taktische Nutzungen von Milieukennzeichen laufen notwendigerweise gegen die Wand. Dies ist deswegen der Fall, weil die Menschen sehr genau wissen, womit sie es bei der Kirche zu tun haben, und in dem Fall, in dem sie selbst kein religiöses Interesse haben, lassen sie sich auch nicht durch irgendwelche Milieuaktionen zur Nutzung von Kirche verführen. Die Beteiligung an Kirche ist vor allem durch die Nähe zu ihrem religiösen Auftrag determiniert und erst in zweiter Hinsicht durch die Zugehörigkeit zu Milieus und deren Aufgreifen in der kirchlichen Kommunikation.“80Authentischer Glaube ist in allen Milieus gefragt, das heißt aber, dass simple Zielgruppenorientiertheit oder Marktanpassungen, die lediglich Bestehendes neu formatieren, den missionarischen Impuls nicht voranbringen werden.“81 Diese Erkenntnis impliziert die Ermutigung, dasjenige kirchlich aufzugreifen, was sie in der Welt anspricht und das zum Ausdruck zu bringen, was sie konkret bewegt und sich entsprechend zivilgesellschaftlich einbringt.82 Dass „kirchliche Äußerungen zu politischen Grundsatzfragen von allen nicht zumindest etwas kirchenverbundenen Befragten abgelehnt (werden)“,83 ist schlicht nicht relevant.

      Abromeit bezieht sich in seiner Begründung des Spirituellen Gemeindemanagements auf Arbeiten Jan Hermelinks. Dessen Forschungsergebnisse84 begründen praktisch-theologisch jedoch die Kritik an der abgrenzenden Wachstumssemantik und liefern – zusammen mit der Milieu-Forschung – die Grundlage für eine praktische Ekklesiologie, die differenzsensibel angesichts der religiösen Bedürfnisse und lebensweltlichen Bedingungen ist, und sich diese in ihrer Vielfalt würdigend den Herausforderungen stellt. Im Blick auf das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ urteilt Hermelink treffend: „Die Stichworte, die den Mentalitätswandel markieren sollen“, allen voran Wachsen gegen den Trend, „sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den ökonomisch-organisatorischen Aspekt („Qualität“, „Innovation“, auch „Leitung“ oder „Leistung“) ganz selbstverständlich mit Begriffen der christlichen Tradition verbinden, die gerade nicht auf gezielt-rational zu planendes Handeln verweisen, sondern die Unverfügbarkeit … religiöser Erfahrung thematisieren. … Die menschliche, Wirkung und Ziel bedenkende Organisation der Kirche kann gewiss nicht ohne Bezug zu der Erfahrung geschehen, dass Gott – durch den Glauben – die Gemeinschaft der Glaubenden wachsen lässt; aber dieser Bezug muss doch theologisch – und sprachlich – präziser bestimmt werden, als das Papier der EKD zu erkennen gibt.“ 85 Es ist allerdings einigermaßen verwunderlich, dass Hermelink etwa auf Herbst keinerlei expliziten Bezug nimmt, stellt Hermelinks Ansatz doch geradezu einen Gegenentwurf zur Konzeption Herbsts und seiner Mitstreiter dar.86 Wo dessen Konzept des Missionarischen Gemeindeaufbaus Bibel und Bekenntnis aufruft, setzt Hermelink Dogmatik und Statistik zueinander in Beziehung und unternimmt einen überaus gelungenen Versuch, die differenzierten und d.h. eben auch distanzierten Formen der Kirchenmitgliedschaft gleichermaßen als Kirchenmitgliedschaft zu verstehen. Damit stellt er Grundthesen Michael Herbsts und damit dessen ganzes Konzept fundamental in Frage.87

      Hermelink interpretiert Kirchenmitgliedschaft prinzipiell als Form der Beteiligung, die sich historisch analog zur organisatorischen Entwicklung kirchlicher Arbeitsformen ausdifferenziert hat (vgl. 17). Die große Zahl derer, die nicht Glieder einer Kerngemeinde sind, wird nicht als christianisierte Masse abgetan, sondern in ihren durchaus konfligierenden Interessen an Zugehörigkeit zur Institution wahrgenommen (vgl. 22ff). Das erscheint für eine praktisch-theologische Arbeit methodisch vorzüglich, weil sie eben auch dogmatisch gut begründet ist.88 Diese Würdigung wird auf dem Weg einer Reflexion auf die Doppelstruktur des christlichen Glaubens ermöglicht. Christlicher Glaube ist zugleich fundamental passivisch begründet und Handlungsvollzug. Der Unverfügbarkeit der Entstehung des Glaubens entspricht eine Freiheit in der Gestaltung des Glaubensvollzugs; einschließlich einer kritischen Distanz. Die Kirche als Erzählgemeinschaft und Erfahrungsraum (Hermelink) ist zwar eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung des Glaubens, doch ist damit noch kein bestimmtes Handeln gegenüber der Kirche“ (98) vorgeschrieben. Hermelink begreift die Mitgliedschaft in einem Raum, der nicht institutionell normiert werden darf, weil dies der Freiheit des Glaubens auch der Kirche gegenüber unangemessen wäre, der aber auch nicht allein kritisch auf die Institution Kirche bezogen sein darf, „weil


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