In den Streit der Welt …. Kai Horstmann

In den Streit der Welt … - Kai Horstmann


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der Einzelnen zu den Regeln (Herms) oder den Deutungsangeboten (Gräb) der Kirche beruht. Ob und wie eine solche Beziehung aufgenommen wird, das entscheidet sich im Wesentlichen in der individuellen Lebensführung“ (99).

      Damit ist nun nicht gesagt, dass es eine Sache bewusster Willkür oder Beliebigkeit wäre, wie Menschen ihre Kirchenmitgliedschaft wahrnehmen. Denn in der Lebensführung und der dementsprechenden Kirchenbindung spiegeln sich Aspekte des Glaubens wieder, die im erwecklich-evangelikalen Denken allzu leicht unverstanden bleiben, als Erfahrung im Glauben nicht ernst genommen oder gar nicht gesehen werden: der Zweifel, die Anfechtung und weiter noch die Gesetzlichkeit der Glaubenspraxis, auf die Hermelink hinweist. Es geht – nicht zuletzt – um lebensgeschichtliche Entwicklungen, auf die man zwar persönlich einwirken kann (Lebensführung) und die die Kirche mit ihren Angeboten begleitend und deutend begleiten kann (in Seelsorge, Kasualien, Bildungsarbeit), die aber der Verfügungsmacht des Einzelnen prinzipiell entzogen sind. D.h.: Die Kirchenmitglieder können die Zugehörigkeit zur Kirche nur nach Möglichkeit aktivieren, es handelt sich dabei weder um einen vegetativen Prozess, noch um etwas, was zwingend geboten werden könnte. Mit Hermelink verstehe ich die fehlende Allgemeinheit aktiv wahrgenommener Kirchenmitgliedschaft darum nicht als Verfallssymptom (vgl. mit Bezug auf Feige 213), sondern als eine qualitative Veränderung von Kirche in der Geschichte, bzw. in unserer Lebenswelt. Dieser latenten Form von Kirchenmitgliedschaft entspricht – gewissermaßen auf der anderen Seite derselben Medaille – die intensive Form der Wahrnehmung von Kirchenmitgliedschaft, sei es in der parochialen Kerngemeinde oder einer „Fresh X“ mit ihrem Eventcharakter89. Wesentlich ist, dass die Kirchenbindung unbeschadet ihrer Intensität authentisch und also ungezwungen ist (vgl. 223 und 225). In dieser Art und nicht in einer bestimmten Form verdient sie gewürdigt und gefördert zu werden.

      Nicht eine Form der kirchlichen Bindung ist im Vergleich mit einer anderen problematisch, sondern der Kontaktverlust kirchlicher Formen zu bzw. der Verlust kirchlichen Kontakts mit der Breite der Lebenswelten der Gegenwart, die eine Wahrnehmung von Christinnen und Christen außerhalb der sogenannten Kerngemeinde ermöglicht bzw. andersherum Kontakt von Christinnen und Christen mit ihrer Kirche. In seinem Aufsatz „Die Freiheit des Glaubens und die kirchliche Organisation. Praktisch-theologische Bemerkungen zum Impulspapier des Rates der EKD »Kirche der Freiheit«“, hebt Hermelink Diakonie, Seelsorge und öffentliche, kulturelle Aktivitäten als Zugänge zum Glauben entsprechend hervor und kritisiert die verbreitete Konzentration auf die liturgischen Kernvollzüge und eine geistlich-liturgische Profilierung des Pfarramtes zulasten von Seelsorge, Diakonie und dezidiert politischem Engagement. Das gilt unbeschadet der faszinierenden Erkenntnis von Hermelinks, dass gerade auch für die distanzierte Form Kirchenmitgliedschaft der Gottesdienst zentral und grundlegend ist. „Daß Gottesdienst immer schon öffentlich veranstaltet wird, bevor sich die Mitglieder zu ihm verhalten, das konstituiert für die Einzelnen […] die Möglichkeit, sich in sehr vielfältiger Weise zu ihm in Beziehung zu setzen: vom gelegentlichen Besuch des Weihnachtsgottesdienstes bis zur regelmäßigen Mitverantwortung für seinen Ablauf, von der äußerlichen Präsenz bis zur intensiven inneren Beteiligung.“90 Und „weil der Ritus selbst keine inneren oder äußeren Teilnahmebedingungen aufstellt, kann die Beteiligung am liturgischen Handeln ganz nach Maßgabe der eigenen sozialen und biographischen Situation erfolgen“ (346). Im Rahmen dieser Offenheit ist der Gottesdienst der Einheitspunkt der kirchlichen Gemeinschaft. Hermelinks These lautet also: „Praktisch-theologisch ist Kirchenmitgliedschaft im Kern zu verstehen als die vielschichtige Beteiligung der Einzelnen an der symbolischen Darstellung der Gottesbeziehung, wie sie von der Kirche organisiert wird. Diese Beziehungen werden dadurch zum Gegenstand praktisch-theologischer Verantwortung, dass ihre dogmatischen, rechtlichen und sozialen Strukturen sich reformulieren lassen als Strukturen der Teilnahme am liturgischen Handeln“ (350). Damit ist eben eine Warnung und eine Empfehlung begründet: „Die praktisch-theologische, am tatsächlichen Handeln der Kirche orientierte Wahrnehmung der Mitgliedschaft wird darum in die Irre gehen, wenn sie eine bestimmte kirchliche Zugangslogik normativ hervorhebt“ (351). Stattdessen solle die Kirche als Bildungsinstanz darauf hinwirken, auf dem Weg öffentlicher Präsenz „vielfältige Zugänge für die Mitglieder zu eröffnen“ und Kirchenmitgliedschaft „zu einem lebensgeschichtlichen Datum zu machen“ (340).91

      Schlags Würdigung der Wachstumssemantik in ihrer nicht-abgrenzenden Verwendung entspricht somit dem Befund Hermelinks: „Zwar dürfte es stimmen, dass kirchliche Offenheit allein auf Dauer Menschen kaum beeindruckend finden werden. Gegen ein konzentrisches Gemeindeaufbaumodell, das grenzorientiert »Abstände definiert«, sind … die unterschiedlichen Beziehungsmöglichkeiten innerhalb der congregatio sanctorum als gleichermaßen legitime Qualitäten der realen Gemeindewirklichkeit stark zu machen. Vielfältige Milieuhintergründe und erst recht fließende Übergänge »hin zu Zweifel und Glauben« sind nicht als Schwäche, sondern gerade als Schatz und Stärke der Volkskirche anzuerkennen.“92 Thomas Schlag gewinnt der zukunftsstrategischen Wachstumssemantik darum dort etwas Positives ab, wo diese sich in der Kritik eines „organisationszentrierten »Domestizierung« pastoralen Handelns“ niederschlägt; also gerade in einer Gegenbewegung zu ihrer Quelle. Schlag baut auf demgegenüber auf die beteiligungsorientierte und nicht lenkbare, wildwachsende Strukturen Kirchenreform gerade nicht strategisch, sondern sich unkontrolliert entwickelnd. Mit hier und da verdichteten Beziehungen innerhalb der communicatio sanctorum, mit wahrnehmbaren Knotenpunkten, die zur Beteiligung einladen oder der Identifikation des eigenen Engagements als christlich motiviertes Tun geht es nicht um Wachstum, sondern um die Lebendigkeit von Kirche und die Lebensnähe des Glaubens.93

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