Sex-Fieber. J. C. Bladon
habe mir gedacht, daß es keinen Sinn hat, zu drängein, wenn es sowieso gleich leer wird.«
»Ach du lieber Himmel, etwas Blöderes hätte dir wohl gar nicht einfallen können«, dachte sie, sobald die Worte ihrem Mund entschlüpft waren. Sie hatte etwas ganz anderes sagen wollen, zeigen wollen, daß sie anders war. Daß sie selbständig denken konnte und nicht willenlos immer mit der Masse mitging. Aber alles, was sie aus sich herausbrachte, war diese sinnlose Replik. Um das Maß voll zu machen, überschlug sich ihre Stimme fast, so daß sie nur ein Krächzen hervorbrachte.
Beide blieben eine Weile stumm stehen, bis Lena wegging, um ihr Champagnerglas abzustellen. Als sie sich umdrehte, um zur Tür zu gehen, war Jan schnell bei ihr und nahm ihren Arm. Das geschah so schnell und geschmeidig und erschien ihr so natürlich, daß sie nicht einmal den Versuch machte, sich ihm zu entziehen. Sie folgte ihm in die Halle. Das schlimmste Gedrängel hatte dort schon nachgelassen, und sie gingen zum Schwarzen Brett, um sich den Stundenplan anzusehen. Lena holte ihre Brille aus der Handtasche und setzte sie mit abgewandtem Gesicht auf. Sie hatte sich erst vor kurzem eine Brille anschaffen müssen und hatte noch nicht das Gefühl verloren, eigenartig damit auszusehen. Aber Jan verriet mit keiner Miene, daß er gemerkt hatte, was sie tat, sondern suchte eifrig nach seinem Namen.
»Sieh mal! Sie haben uns in dieselbe Gruppe gesetzt.«
Lena sah auf die Namensliste und entdeckte, daß sie nicht nur in einer Gruppe gelandet waren, sondern sogar eine eigene Gruppe zu zweit bildeten. Alle anderen Gruppen bestanden aus vier Schauspielschülern, aber Jan und sie waren offensichtlich überzählig gewesen, und so hatte man sie einfach zu einer weiteren »Arbeitsgruppe« gemacht.
Lena wußte nicht, was sie dazu sagen sollte, und deshalb kramte sie vorsorglich schnell nach einem Bleistift, um sich die Zeiten zu notieren, die für sie vorgesehen waren. Sie sollte schon am nächsten Morgen um neun Uhr mit Sprechpädagogik anfangen. Glücklicherweise stellte sich heraus, daß Jan für den Morgen in eine Plastik-Stunde gesteckt worden war. Ihre erste Unterrichtsstunde würde sie in aller Ruhe ganz allein hinter sich bringen.
»Wollen wir das nicht mit einer Tasse Kaffee feiern?« schlug Jan vor.
Lena war nicht sehr danach zumute, aber sie wollte auch nicht gern nein sagen. Sollten sie beide während eines ganzen Schuljahres Zusammenhalten, wäre es genausogut, wenn sie sich gleich zu Beginn etwas näher beschnupperten und kennenlernten.
Schweigend gingen sie nebeneinander her und suchten nach der nächstgelegenen Konditorei. Erst als der Kaffee auf dem Tisch stand, blickte Jan auf und sah sie an.
»Mir ist es ganz recht, daß wir beide allein bleiben«, sagte er. »Ich habe schon ein Jahr lang eine andere Schauspielschule besucht, bin aber hierher gekommen, weil meine Eltern umziehen mußten. Es ist nämlich ein ziemlich komisches Gefühl, wieder ganz von vorn anzufangen und sich eine Menge neuer Gesichter einprägen zu müssen.«
Er erzählte von seinen Hoffnungen für die Zukunft. Sprach von den Rollen, die er am liebsten spielen würde, und davon, was er von diesem Theater im Gegensatz zu dem hielt, an dem er vorher Unterricht bekommen hatte.
Die ganze Zeit sprach nur er. Lena sagte kein einziges Wort. Sie saß nur da und starrte ihn wie verzaubert an. Obwohl sie sich erst seit einer Stunde kannten, spürte sie, wie ihr ganzer Körper nach ihm schrie. Sie schüttelte sich, um wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, was nicht ganz einfach war.
»Nein, jetzt muß ich aber wirklich gehen. Ich habe versprochen, heute früh nach Hause zu kommen.«
Sie stand so abrupt auf, daß sie gegen die Tischkante schlug und das Sahnekännchen umwarf. Verblüfft starrten sie beide auf den weißen Sahnefleck, der sich auf der roten Kunststoffplatte ausbreitete, und dann lachten sie laut auf.
»Na, du hast es aber mit einemmal ganz schön eilig, muß ich sagen«, sagte Jan. »Aber sause nur los, ich bezahle das hier. Wir sehen uns morgen ja wieder.«
»Aber … das ist aber nicht richtig …«
»Aber ja doch. Jedenfalls heute. Es soll aber nicht zur Gewohnheit werden.«
Sie stand etwas verwirrt vor ihm und wußte in dem Moment nicht so recht, was sie sagen sollte. Dann beugte sie sich vor, stützte die Hände auf die Tischplatte und drückte Jan hastig einen Kuß auf die Lippen.
Im letzten Augenblick, bevor sie aus der Tür verschwand, drehte sie sich noch einmal um. Jan saß noch am Tisch und starrte sie mit großen Augen erstaunt an. Sein Unterkiefer hing verblüfft herab. Sie winkte ihm schnell zu und lief dann mit raschen Schritten die Straße hinunter, um den Bus nach Hause zu nehmen.
II
Am folgenden Morgen regnete es, und Lena zog sich die Haube ihres Dufflecoats über den Kopf, als sie sich dem Bühneneingang entgegenkämpfte. Als sie wohlbehalten angekommen war, fragte sie sich bei Pförtnern und Bühnenarbeitern durch, bis sie allmählich bei dem Unterrichtsraum ankam, in dem sie sich einfinden sollte. Dort war noch niemand. Sie war ja auch reichlich früh losgegangen.
In aller Ruhe zog sie ihre langen Stiefel aus und vertauschte sie gegen ein Paar leichte Schuhe, die sie in der Tasche mitgenommen hatte. Dann trocknete sie ihr Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab und versuchte, etwas Ordnung in ihre nassen Locken zu bringen. Sie stand vor einem großen Wandspiegel und betrachtete prüfend ihren Körper, wahrend sie gleichzeitig ihr Haar richtete. Sie hatte einen großen, lose sitzenden Pullover angezogen, und sie wußte, daß es aufregend aussah, wenn ihre festen, spitzen, hochsitzenden Brüste sich deutlich unter der Wolle abzeichneten. Und dennoch hatte sie keinen BH an. Das hatte sie noch nie nötig gehabt, und sie konnte nicht begreifen, wie andere es mit einem solchen Marterinstrument aushielten. Unter dem Rock trug sie ebenfalls sowenig wie möglich, meistens nur ein dünnes Höschen. Sie wollte sich frei fühlen, auch wenn sie angezogen war. Langsam drehte sie sich zur Seite und betrachtete ihren Körper im Profil.
»Wunderbar, charmant, entzüüückend!«
Lena drehte sich erschrocken auf dem Absatz um. Durch eine kleine Seitentür war ein Mann hereingekommen, ohne daß sie das leiseste Geräusch gehört hätte. Sie starrte ihn erschrocken an und riß die Augen auf, als sie ihn erkannte. Carl Burlén! Der große Schauspieler! Der für seine Interpretationen der großen klassischen Rollen weltberühmt war. Sollte er etwa ihr Lehrer sein?
»Hab keine Angst«, sagte er mit voller, männlicher Stimme. »Du bist meine Schülerin, wenn ich nicht irre.«
Er zog ein Notizbuch aus der Tasche.
»Wollen mal sehen«, brummelte er und blätterte sich bis zur richtigen Seite durch. »Aha, aha, da haben wir’s … Lena Bergman, nicht wahr?«
Lena nickte nur; sie fühlte, daß sie nichts sagen konnte. Sie stand stocksteif da und blickte hilflos in die Luft.
»Na, na, du brauchst wirklich nicht so ängstlich in die Gegend zu gucken«, sagte der gutgekleidete, sonnengebräunte Schauspieler und ging ein paar Schritte auf sie zu.
Er nahm ihre Hände in seine und hielt sie mit einem festen und warmen Griff fest.
»Ich heiße Carl Burlén und soll während des ganzen ersten Jahres dein Lehrer sein. Und vergiß nicht, daß du mich einfach Carl nennen kannst. An diesem Theater sind wir alle per du miteinander.«
»Danke«, sagte Lena, die nicht wußte, was sie erwidern sollte.
Sie machte einen Anlauf, um ihre Hände wieder zurückzuziehen, aber Carls Griff wurde immer fester. Als sie spürte, daß er mit voller Absicht seinen Griff beibehielt, hob sie vorsichtig den Blick und sah ihm voll in seine hellgrauen Augen. Er lächelte sie sanft an, wobei sich in seinen Augenwinkeln ein feines Netzwerk von Fältchen bildete.
Während ihre Augen sich ineinanderbohrten, sah Lena, wie es in Carls pechschwarzen Pupillen kurz aufblitzte. Es war, als hätte sich in seinem Innern plötzlich ein Feuer entzündet, ein Feuer, das sich auf Lena übertrug und ihr Blut rascher durch die Adern strömen ließ. Das Feuer wurde zu einer Wärme, die sich sofort über den ganzen Körper verteilte und