Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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ging in sein Arbeitszimmer, holte seinen Terminkalender heraus, und dann begann er zu streichen. Es war eine ganze Menge, und ihm wurde klar, dass er wirklich mehr unterwegs gewesen war als daheim, und dass er es so auch für die Zukunft geplant hatte.

      Er hatte sein Leben nach seinen eigenen Bedürfnissen ausgerichtet!

      Es war wirklich sehr bitter, das jetzt einzusehen. Er bekam ein schlechtes Gewissen, denn die meisten Reisen waren in keiner Weise notwendig gewesen. Er war beruflich und auf seiner Karriereleiter ganz oben angekommen, höher ging nicht. Alles, was er gemacht hatte, war meistens nicht mehr als nur Vergnügen gewesen.

      Es musste etwas geschehen, und er musste anfangen, umzudenken, von dem ICH hin zum WIR.

      Er war kein Alkoholiker, aber jetzt brauchte Werner Auerbach noch einen Whisky, am besten einen doppelten.

      *

      Inge Auerbach stand noch ein wenig neben sich, als sie langsam die Treppe nach oben ging. Sie war erstaunt über sich selbst, denn das, was sich da unten zugetragen hatte, davon war nichts geplant gewesen.

      An diesem Tag war alles nicht geplant gewesen, zuerst war da Dr. Bredenbrock mit seinen Kindern aufgetaucht. Inge hatte schon vorher gewusst, dass er alleinerziehend war, weil seine Frau ihn verlassen hatte, um sich an der Seite eines jüngeren Musikers zu verwirklichen.

      Sie hatte es registriert, aber es dann noch einmal aus seinem eigenen Mund zu hören, die Kinder zu sehen, das hatte eine andere Dimension, und obschon es mit ihrer eigenen Situation überhaupt nicht zu vergleichen war, war ihr bewusst geworden, was ihr Ehemann da machte. Er betrog sie nicht mit einer anderen Frau, er war auch nicht ausgezogen, aber er machte rücksichtslos sein Ding. Und all seine Versprechungen, mehr Zeit mit ihr verbringen zu wollen, waren in den Wind gesprochen gewesen. Zu allem gehörten immer zwei. Er hatte gemacht, was er wollte, und sie hatte es hingenommen.

      Das Treffen mit Dr. Bredenbrock hatte sie wachgerüttelt.

      Auf einmal war ihr bewusst geworden, welches Schattendasein sie neben Werner führte. Es war schon lange kein Miteinander mehr, sondern ein Nebeneinander. Er hatte sich verwirklicht, und sie hatte funktioniert.

      Es war eine rein emotionale Entscheidung gewesen, ein paar Sachen einzupacken und wegzufahren. Doch als ihr Verstand wieder da war, da hatte sie eingesehen, dass das keine Lösung war und war zurückgekommen, ohne zu wissen, ob Werner wieder daheim war, ob er noch einmal verlängert hatte.

      Es hatte sich gut getroffen, dass er zu Hause war, und es war gut gewesen, dass Pamela ihn nicht überschwänglich begrüßt hatte, dass Ricky ihrem Vater auch mal ein paar passende Worte gesagt hatte.

      Werner war ganz schön berührt gewesen, um nicht zu sagen, durcheinander.

      Dass er sie liebte, daran zweifelte Inge keinen Augenblick.

      Sie verband eine große Liebe, sie hatten wundervolle Kinder, sie lebten sorgenfrei in einer großen Villa.

      Sie hatte den Alltag gemanagt, hatte sich in sozialen Einrichtungen engagiert, was durchaus ehrenwert war. Aber sie hatte nicht bemerkt, nicht bemerken wollen, dass sie dabei auf der Strecke geblieben war.

      Bis das mit Dr. Bredenbrock ihr die Augen geöffnet hatte.

      Manchmal brauchte man einen Anstoß von draußen, um auf sich selbst blicken zu können.

      Inge wäre am liebsten bei Werner geblieben, sie hätte nichts verändert, doch dann wäre auch nichts geschehen. Es wäre alles so weitergegangen.

      Auch wenn es ihr schwerfiel, sie musste jetzt hart bleiben. Werner musste spüren, dass sie es diesmal ernst meinte.

      Sie betrat das Gästezimmer, in dem sie jetzt erst einmal schlafen würde. Es war schon verrückt, als wenn sie es geahnt hätte, hatte sie das Bett erst vor ein paar Tagen frisch bezogen, hatte das Zimmer geputzt.

      Es war ein merkwürdiges Gefühl, als sie die Reisetasche auspackte, weil sie schließlich einen Schlafanzug brauchte. Und nach unten wollte sie nicht gehen, weil sie nicht wusste, ob sie hart bleiben würde, wenn Werner sie bittend ansah, wenn er sie in die Arme nahm, mit seinen Beteuerungen fortfuhr.

      Mit Werner in einem Haus und doch getrennt, das hatte es noch nie gegeben. Das war für Inge nicht vorstellbar gewesen. Es fühlte sich für sie auch nicht gut an, aber sie wusste, dass es sein musste. Im Grunde genommen war es traurig, dass es dazu kommen musste. Aber ständig gegen seine Bedürfnisse zu leben, das machte krank.

      Sie beklagte sie nicht, doch was hatte sie von ihrem Leben gehabt? Sie war immer die Frau an seiner Seite gewesen, das war auch gut so. Sie hatte niemals etwas anderes als Ehefrau und Mutter sein wollen. Ihr hatte auch nichts gefehlt, als die Kinder klein und daheim gewesen waren. Das war ein aufregendes, spannendes Leben gewesen. Doch sie hatten nach und nach das Haus verlassen, hatten eigene Familien gegründet, Hannes hatte seinen Lebensmittelpunkt in Australien gefunden. Jörg war mit Familie nach Stockholm gezogen. Sie hatten ihre Jüngste zum Glück wieder. Das war mehr als ein Geschenk, doch irgendwann würde auch Pamela ihrer Wege gehen.

      Inge setzte sich auf die Bettkante.

      Wie würde Pam es aufnehmen, dass ihre Eltern in getrennten Räumen schliefen?

      Inge merkte, wie sie Herzklopfen bekam, und dann zwang sie sich, jetzt nicht daran zu denken.

      Morgen war ein neuer Tag. Sie würde mit Werner sprechen müssen, und sie konnte nur darauf hoffen, dass er sich jetzt nicht beleidigt zurückziehen würde, sondern dass er die richtigen Schritte in die richtige Richtung unternahm.

      Inge stand auf, sie musste noch ins Badezimmer. Doch erst einmal trat sie ans Fenster, blickte hinaus in das Dunkel der Nacht. Ein blasser, schmaler zunehmender Mond hing wie eine bleiche Sichel am Himmel.

      Sie öffnete das Fenster, atmete tief die kalte, klare Luft ein. Es war still, nur ein schwarzer Vogel flog mit beinahe lautlosem Flügelschlag dicht an ihr vorüber. Sie wohnten hier so schön, sie führten ein Leben, um das viele Menschen sie sicherlich beneiden würden.

      Erwartete sie zu viel vom Leben?

      Schon wollte Inge hinuntergehen, um sich mit Werner zu versöhnen. Sie kannte es nicht, die Situation war vollkommen neu für sie.

      Sie hatte schon die Türklinke in der Hand, als sie innehielt.

      Nein!

      Wenn sie jetzt nachgab, würde sich nichts verändern, und wenn sie es später noch einmal versuchen würde, weil die Situation unerträglich für sie war, würde Werner sie nicht mehr ernst nehmen.

      Sie verlangte doch nicht viel. Sie wollte kein Geld, sie wollte keinen Schmuck. Sie wollte einfach nur nach so vielen Jahren mehr Zeit mit ihrem Ehemann verbringen, ihn nicht immer nur auf der Durchreise erleben. Das war doch wirklich nicht zu viel verlangt. Und sie wollte auch keine Blumensträuße mehr von ihm, die er, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, irgendwo am Flughafen oder am Bahnhof kaufte.

      Inge ging zurück ins Zimmer, dann suchte sie ihre Sachen zusammen, um sich für die Nacht fertig zu machen. Sie wusste jetzt schon, dass sie kein Auge zubekommen würde. Sie würde sich von rechts nach links werfen, die Zeiger ihrer Uhr beobachten, und die Gedanken würden sie anfallen wie wilde Tiere.

      Aber da musste sie jetzt durch.

      Da mussten sie jetzt durch, und sie konnte nur hoffen, sie musste dafür beten, dass es für sie einen gemeinsamen Weg geben würde mit mehr Zeit füreinander. Er konnte doch zu seinen Kongressen fahren, dagegen hatte Inge nichts, doch die durften nicht sein Leben beherrschen.

      Sie liebte Werner aus tiefstem Herzen, und seine Nähe fehlte ihr jetzt schon.

      Was er wohl gerade machte?

      Dachte er auch an sie?

      Er hatte wirklich Angst um sie gehabt, sonst hätte er sie nicht so begrüßt. Er hatte wieder Versprechungen gemacht, doch dann war er zum Alltag übergegangen, hatte mit ihr Wein trinken wollen …

      Sie durfte jetzt nicht wankelmütig werden!

      Sie


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