Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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so war!

      Geschenke, die von Herzen kamen, die konnte man nicht zurückweisen. Sie bedankte sich bei ihm und spürte die magische Kraft des Steines bereits, als sie ihn in die Hand nahm.

      Sie hatte Tränen in den Augen, er überlegte, zögerte, dann nahm er sie in seine Arme, ein wenig unbeholfen, ein wenig verunsichert. Für Pamela war es die allerschönste Umarmung der Welt. Und sie hätte ewig andauern können. Das war leider nicht der Fall, als habe er sich verbrannt, ließ er sie abrupt los, wurde verlegen, dann murmelte er: »Ja, dann will ich mal … Wer weiß, vielleicht sehen wir uns mal wieder …, ich glaube, das werden wir …, also, ich bin dann mal weg.«

      Er drehte sich um, lief davon, und bald schon hatte die Dunkelheit ihn verschluckt.

      Pamela blieb stehen, starrte ihm nach, obschon von ihm nichts mehr zu sehen war, dann erinnerte sie sich an den Stein, sein kostbarstes Geschenk, das sie immer in Ehren halten würde. Er fühlte sich glatt und warm an.

      Langsam ging Pamela ins Haus und bemühte sich, ganz leise zu sein. Sie wollte jetzt erst einmal allein sein, erst später würde sie sich zu ihren Eltern gesellen. Und noch viel später würde sie zu ihrer Mama ins Bett krabbeln, und in deren Armen würde sie sich so richtig ihrem Weltschmerz hingeben.

      Sie weinte, und das konnte sie jetzt auch, weil niemand ihr dabei zusah. Es war schrecklich, jemanden wie Manuel zu verlieren. Sie hatte das Gefühl, er habe ihre ganze Kindheit mitgenommen.

      Mit wem sollte sie um den See radeln?

      Bei wem durfte sie sich ausweinen?

      Wer würde ihr im ›Calamini‹ einen Eisbecher spendieren?

      Wer würde ihr bei den Mathe-Aufgaben helfen?

      In ihrem Zimmer angekommen, warf sie sich aufs Bett und weinte noch mehr, dabei hielt sie den ›Fühlstein‹ ganz fest in ihrer Hand.

      *

      Während Manuel und Pamela voneinander Abschied nahmen, hatte Sandra sich etwas vorgenommen, was sie viel Kraft kosten würde. Aber es musste sein.

      Die Münsters, Marianne von Rieding und Carlo Heimberg hatten sich von allen Freunden verabschiedet. Und deswegen bestand eigentlich kein Anlass, jetzt noch Ricky aufzusuchen.

      Und die war auch mehr als nur erstaunt, als Sandra plötzlich vor der Haustür stand.

      »Sandra«, rief Ricky überrascht, »mit dir hätte ich wirklich nicht mehr gerechnet. Ihr fliegt doch morgen früh, nicht wahr? Aber komm rein, ich freue mich. Und stell dir vor, ich habe sogar Zeit für dich. Teresa schläft, und Fabian ist mit den anderen Kindern in eine Nachmittagsvorstellung von dem Zirkus gegangen, der derzeit bei uns in der Stadt gastiert.«

      Ricky freute sich wirklich, was auch kein Wunder war, zwischen den beiden Frauen bestand eine herzliche Freundschaft. Und Ricky wusste schon jetzt, dass Sandra ihr fehlen würde, und umgekehrt war es nicht anders.

      »Was möchtest du trinken? Tee? Kaffee? Fabian hat sich so einen teuren Kaffeeautomaten andrehen lassen, da kann ich dir auch einen Cappuccino anbieten, einen Café Latte oder einen Espresso. Und du kannst meine neueste Kreation probieren, ich habe einen Kuchen gebacken. Wenn ich gewusst hätte, wie zeitaufwendig der ist, hätte ich die Finger davon gelassen.«

      Sandra wollte nur einen Tee trinken, dem schloss Ricky sich an, und Kuchen wollten sie beide nicht, den sollte die Familie erst einmal in voller Pracht bewundern, ehe sich dann alle darauf stürzen würden.

      Sie saßen sich gegenüber, sprachen allgemein über die Abreise, Sandra wollte wissen, ob es mit dem Versprechen ernst sei, dass die Rückerts allesamt irgendwann in den Ferien nach Amerika kommen würden, und Ricky erkundigte sich, ob sie sehr aufgeregt seien, da es nun endgültig in das neue Leben ging.

      Sie hätten noch ewig so weitersprechen können, doch Sandra hatte nicht so viel Zeit, deswegen sprach sie über den eigentlichen Grund ihres Kommens.

      »Ricky, ich bin gekommen, weil ich gern Teresa einmal in den Arm nehmen möchte. Wir waren fast gleichzeitig schwanger, unsere Kinder wären beinahe zeitgleich auf die Welt ­gekommen …«, sie zögerte, schluckte, »Teresa hat das Licht der Welt erblickt, mein Kind nicht.«

      Es war eine schreckliche Geschichte, Ricky erinnerte sich, wie entsetzt sie gewesen war, als sie gehört hatte, dass Sandra sich mit ihrem Sportwagen um einen Baum gewickelt hatte, weil sie wegen überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte.

      Litt sie noch immer darunter?

      »Sandra, natürlich kannst du Teresa in die Arme nehmen, doch willst du nicht aufhören, dich zu quälen? Was geschehen ist, ist geschehen und durch nichts mehr rückgängig zu machen. Es war ein Unfall.«

      »Den ich wegen meines Leichtsinns verursacht habe.«

      Ricky langte über den Tisch, ergriff Sandras Hand, die kraftlos neben der Teetasse lag.

      »Sandra, du musst loslassen, nach vorne blicken. Das verlorene Baby darf nicht weiter zwischen Felix und dir stehen. Wenn du dich immer weiter mit diesen Selbstvorwürfen quälst, dann brauchst du überhaupt nicht nach Arizona zu reisen, um dort neu anzufangen. Dann geht die Quälerei weiter, und dann leiden alle darunter. Sei doch froh, dass ihr jetzt wieder auf einem guten Weg seid. Ihr habt eine so schwere Zeit hinter euch. Beschwöre die nicht immer wieder herauf. Es ist nicht mehr zu ändern.«

      Von dem auf dem Tisch stehenden Babytelefon kam ein Geräusch, die kleine Teresa hatte ihren Mittagsschlaf beendet und machte sich lautstark bemerkbar.

      Beide Frauen sprangen auf, liefen zum Kinderzimmer, das man für die kleine Teresa hergerichtet hatte. Ein ganz in hellen Cremetönen eingerichtetes Zimmer, mit hübschen Bildern an den Wänden, einem kuscheligen Teppich auf dem Fußboden und einem Himmelbettchen, wie es für eine Prinzessin nicht schöner hätte sein können. Aber sie war ja auch ihre Prinzessin, die kleine Teresa. Und das, obwohl sie nicht, wie die anderen Kinder zuvor, ein geplantes Wunschkind war. Nein, die kleine Teresa hatte ihren eigenen Kopf. Sie war es diesmal, die sich entschlossen hatte, auf die Welt zu kommen, ohne Planung, ohne Absprachen. Vielleicht war sie deshalb ein so besonderes Baby mit einem eigenen Kopf, den sie, und da waren Ricky und Fabian sich beide sicher, von ihrer Urgroßmutter hatte, deren Namen sie trug.

      Teresa war ein hübsches Baby, doch jetzt hatte sie von ihrer Schreierei schon ein krebsrotes Gesichtchen, die kleinen Fäuste waren geballt und ruhten neben dem Köpfchen.

      Ricky beugte sich herunter, hob das Baby aus dem Bett, sprach beruhigend auf Teresa ein. Die erkannte die Stimme ihrer Mutter und war augenblicklich still.

      Sandra stand stumm daneben, und es kostete sie unendlich viel Kraft, jetzt nicht zu schreien oder davonzulaufen. Nein, da musste sie jetzt durch, sonst würde sich nie etwas ändern, und in einem hatte Ricky recht, sie musste loslassen.

      Nach einer Weile drückte Ricky ihr das Baby in den Arm.

      »Setz dich am besten dort drüben auf den Sessel, Sandra. Wenn sie anfängt zu jammern, dann gib ihr ihren Schnuller und wiege sie ein wenig hin und her. Das hat sie gern. Ich lasse dich jetzt mit Teresa allein.«

      Sandra blickte Ricky beinahe entsetzt an.

      »Ich … ich weiß nicht …, ich kann nicht«, stammelte sie.

      Ricky ließ das nicht gelten.

      »Du kannst«, sagte sie resolut. »Und ich gehe jetzt, wenn es dir zu viel wird, dann drückst du dort auf den Knopf. Dann komme ich zurück.«

      Sandra wollte noch etwas sagen, doch Ricky ließ es dazu nicht kommen. Sie ging einfach, und Sandra war mit dem Baby Teresa allein.

      Sie setzte sich auf den Sessel, Teresa machte einen ganz friedlichen Eindruck, und sie blickte Sandra mit ihren wunderschönen grauen Augen unentwegt an.

      Es war ein unbeschreiblicher, sehr intimer Moment, der in Sandra nicht zu beschreibende Gefühle auslöste.

      Das Baby, das sie unentwegt, beinahe verstehend, anblickte. Wie herrlich es duftete, wie weich es sich


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