Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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war es nicht bei nur einem Buch geblieben, sie hatte ordentlich zugeschlagen, und sie konnte ihre Ausgabe nur damit entschuldigen, dass ihre Eltern die Bücher ebenfalls lesen würden. Sie tauschten sie untereinander immer aus.

      Mit zwei Taschen bepackt verließ sie die Buchhandlung und wäre an der Tür beinahe mit Rosmarie Rückert zusammengestoßen.

      »Hallo, Rosmarie, willst du in den Buchladen?«, erkundigte Inge sich.

      Rosmarie winkte beinahe entsetzt ab.

      »Du liebe Güte, nein. Bücher waren noch nie meine Welt, dafür bin ich viel zu unruhig und lass mich andauernd ablenken. Ich setze mich lieber vor die Flimmerkiste und lass mich berieseln, aber da gibt es kaum noch etwas Gescheites. Zum Glück kann man sich Filme kaufen.«

      Rosmarie blickte auf die beiden Taschen, die Inge in den Händen hielt.

      »Du hast aber ganz schön zugeschlagen«, bemerkte sie, und Inge glaubte, sich entschuldigen zu müssen: »Es sind auch Bücher für meine Eltern darunter.«

      »Stimmt, die sind auch Leute, die Bücher beinahe inhalieren. Ob man zu euch ins Haus kommt oder in das deiner Eltern, man sieht nichts als Bücher, Bücher.«

      Rosmarie seufzte.

      »Vielleicht würden Bücher auch mein Haus wohnlicher machen. Mittlerweile komme ich mir darin vor wie in einem exklusiven Möbelhaus, in dem man demonstriert, wie man teuer wohnen kann, ohne der Einrichtung ein gewisses Flair zu geben.«

      Rosmarie und ihre Villa, die Fabian, ihr Sohn ein wenig verächtlich ›Palazzo Prozzo‹ nannte.

      Es war eine unendliche Geschichte, und Inge hatte keine Lust, sich die zum gefühlten tausendsten Male anzuhören.

      »Was machst du in der Stadt? Sollen wir zusammen irgendwo einen Kaffee trinken?«

      »Ich treffe mich mittags mit Heinz, der will, dass ich dabei bin, wenn er sich eine neue Brille kauft. Danach wollen wir gemeinsam essen gehen. Ich wollte vorher ein wenig herumlaufen. Doch es macht mir einfach keinen Spaß mehr. Seit ich die Scheckkarte nicht mehr glühen lasse, bin ich auch nicht mehr interessant für die Juweliere der Stadt oder die Klamottenläden. Früher hat man für mich den roten Teppich ausgerollt, heute grüßt man mich kaum noch.«

      Inge lachte.

      »Die sind sauer, weil ihnen viel Umsatz entgeht.«

      Rosmarie seufzte.

      »Erinnere mich nicht an diese Zeiten. Das kann nicht ich gewesen sein. Ich habe ja alles ohne Sinn und Verstand zusammengekauft.«

      »Rosmarie, es ist vorbei, du hast dich verändert. Und das Tierheim profitiert von deinen früheren Eskapaden. Was du an Schmuck und Outfits verkauft hast und noch verkaufst, davon profitiert Frau Dr. Fischer.«

      »Danke, Inge, aber wir müssen es nicht schönreden, für den Schmuck und die Klamotten bekomme ich einen Bruchteil dessen, was es gekostet hat. Mit Geld wäre dem Tierheim mehr geholfen. Aber es stimmt, ich habe mich verändert. Warum habe ich das nur nicht schon früher getan, dann wäre mein Verhältnis zu meinen Kindern ein anderes …, sag mal, hörst du viel von Jörg?«, änderte sie das Thema.

      »Hin und wieder«, sagte Inge.

      »Das wundert mich nicht, Jörg gehört nicht zu den Menschen, die Gott und die Welt an seinem Leben teilhaben lassen.«

      Rosmarie warf Inge einen schrägen Blick zu.

      »Und das sagst du jetzt nicht, um mich zu trösten?«

      Inge verstand die Frage nicht.

      »Warum sollte ich?«

      »Weil Stella sich auch kaum meldet. Und das kenne ich an ihr nicht so. Als sie und ihre Famille in der Nähe lebten, hat sie sich zwischendurch gemeldet und uns einmal wöchentlich besucht, sie hat uns sogar immer selbst gebackenen Kuchen mitgebracht. Ich höre kaum von ihr, und wenn ich mich melde, dann wimmelt sie mich einfach ab.« Rosmarie und Heinz Rückert und ihre Kinder. Auch das war eine unendliche Geschichte. Zwischen Eltern und Kindern herrschte kein herzliches Verhältnis. Die beiden Rückerts hatten immer ihr Ding gemacht, Stella und Fabian wechselnden Kinderfrauen überlassen, und jetzt hatten sie die Quittung für ihr liebloses, egoistisches Verhalten. Gefühle ließen sich nicht einfach anstellen, auch nicht, wenn man die Fehler der Vergangenheit bereute. Und das tat Rosmarie auf jeden Fall.

      »Rosmarie, Jörg und seine Lieben sind doch gerade erst einmal in ihrem neuen Leben in Stockholm angekommen. Es gibt so vieles zu tun, zu bedenken. Wenn sie sich so richtig eingelebt haben, dann wird Stella sich schon wieder melden. Rosmarie, wir wissen, dass es ihnen in Schweden gefällt. Das muss uns doch reichen, die Hauptsache ist, dass sie glücklich sind.«

      Rosmarie blickte ihr Gegenüber an.

      »Deine Einstellung möchte ich haben. Deswegen läuft wahrscheinlich auch alles so glatt bei dir wie ein träge dahinfließendes Wasser.«

      »Bei mir glatt?«, rief Inge. »Von wegen.«

      Dann schlug sie vor, gemeinsam einen Kaffee zu trinken, den brauchte sie jetzt nämlich wirklich, und während sie zu dem Café gingen, überlegte Inge, ob sie Rosmarie alles erzählen sollte, was da zu Hause bei ihr ablief. Aber warum eigentlich nicht?

      Wenig später saßen sie sich in dem hübschen, derzeit kaum besuchten Café gegenüber, und das lag vermutlich daran, dass die Gäste, die hier frühstückten, bereits weg waren, und die Mittags- und Nachmittagsgäste noch nicht kamen, weil es dazu zu früh war.

      Rosmarie bestellte einen Cappuccino, und Inge nahm einen großen schwarzen Kaffee.

      Als die Getränke serviert waren, erkundigte Rosmarie sich: »Inge, was war das eben für eine Bemerkung. Das war ja wie ein Hinweis darauf, dass es Turbulenzen bei euch gibt. Das kann nicht sein.«

      Inge trank etwas von ihrem wirklich guten Kaffee, stellte die Tasse wieder ab, dann sagte sie: »Rosmarie, das damals mit unserer Jüngsten war der Beweis dafür, dass auch wir große Fehler machen, und jetzt …«

      Inge überlegte ganz kurz, dann sagte sie Rosmarie die Wahrheit, wie sie Werner die ­Pistole auf die Brust gesetzt hatte, wie sie sogar weglaufen wollte. Und sie ließ auch nicht aus, dass die beiden Auerbachs, eigentlich ein Dreamteam, getrennte Schlafzimmer hatten.

      Eigentlich hatte Rosmarie gerade etwas von ihrem Cappuccino trinken wollen. Inges Worte überraschten sie so sehr, dass sie für einen Moment die Tasse in der Luft balancierte, ehe sie diese absetzte. »Das glaube ich jetzt nicht«, waren die ersten Worte, die Rosmarie nach dieser Eröffnung fand.

      »Du kannst es glauben, damit macht man keine Scherze.« Rosmarie rührte in ihrer Tasse herum, legte den Löffel beiseite, der klirrend auf der Untertasse landete.

      »Und wie fühlt sich das für dich an?«, wollte Rosmarie wissen. »Schließlich bist du aus allem als Siegerin hervorgegangen. Ich weiß nicht, wie lange wir uns darüber unterhalten, dass unsere Männer kürzertreten sollen. Meiner arbeitet noch immer, als sei er Dreißig, und deiner …, der große Werner Auerbach hat es tatsächlich geschafft, und das nur, weil du es so wolltest. Wenn das kein Zeichen einer großen Liebe ist. Man kann beinahe neidisch werden.«

      Sie waren ja so verschieden, das bemerkte Inge jetzt wieder einmal. Sie hatte eine ganz andere Sicht auf die Dinge.

      »Rosmarie, es geht doch nicht um Sieg und Niederlage. Ich wollte einfach nicht weiterhin hintenan gestellt werden, und dieses Erlebnis mit dem wirklich netten Dr. Bredenbrock hat mir die Augen geöffnet. Aber ehrlich, so richtig zufrieden bin ich nicht. Jetzt habe ich nämlich ein schlechtes Gewissen. Werner hat alles abgesagt, und jetzt weiß er nichts mit sich anzufangen. Er ist niemand, der täglich um den See laufen will, täglich in eine Ausstellung gehen. Wir müssen noch das richtige Mittelmaß finden. Ich muss mit Werner reden.«

      Rosmarie blickte ihr Gegenüber voller Bewunderung an.

      »Das wirst du«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Du kriegst immer die Kurve. Darf ich mit Heinz darüber reden? Er bewundert


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