Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Zeit des Abschieds war gekommen, und es zerriss sie innerlich beinahe, dabei durfte sie sich vor Manuel doch keine Blöße geben.

      Aber ihn nahm es auch ganz schön mit.

      Da das Wetter nicht besonders war, es regnete zwar nicht, doch es war kalt und windig, hatten sie sich in Manuels altem Zimmer getroffen, in dem alles so geblieben war, abgesehen von persönlichen Erinnerungen, die schwammen in einem Container längst gen Amerika. Und das Klavier seiner verstorbenen Mutter nahm er mit in sein neues Leben. Von dem würde er sich niemals trennen, dabei konnte er nicht einmal auf dem Klavier spielen.

      Die Stelle, an der das Klavier gestanden hatte, war nackt und leer, und Pamela musste immer hinsehen. Sie konnte nicht anders.

      »Das Klavier kommt mit einem Spezialtransport nach Amerika«, sagte Manuel, der ihrem Blick gefolgt war, »dort wird es gestimmt, und ich habe mir fest vorgenommen, Klavierstunden zu nehmen. Aber auch wenn ich es nicht tun werde, bleibt immer die Erinnerung an meine leibliche Mutter. Die konnte so gut Klavier spielen. Sie war überhaupt besonders, dabei kann ich mich wirklich nicht beklagen. Ich hatte Glück, ich habe eine wunderbare Stiefmutter, sie mag mich, ich mag sie, und sie hat nichts mit der bösen Stiefmutter aus dem Märchen gemeinsam.«

      Pamela starrte weiter auf die kahle Stelle an der Wand.

      »Wenn du hier nicht dazu gekommen bist, Klavierstunden zu nehmen, glaubst du, dass du es in Amerika schaffen wirst, Manuel? Dort wirst du doch erst recht abgelenkt. Es ist doch auch egal, jeder Mensch muss nicht alles können. Klavierstunden standen für mich nie auf dem Programm, meine Geschwister können es auch nicht. Und du hast doch gesagt, dass dieses Mädchen«, sie mochte den Namen noch immer nicht aussprechen, weil tief in ihrem Inneren Eifersucht war, ob nun begründet oder unbegründet, »wie besessen war, als es das Klavier erblickte, und sie konnte ja auch sogar ohne Noten darauf spielen, einfach nach Gehör.«

      Manuel nickte.

      »Claire, damals hieß sie noch Leonie, ja, die ist ein Naturtalent und durch ihre Mutter auch vorbelastet. Die bekommt Unterricht von den besten Lehrern, und bestimmt wird sie irgendwann einmal eine ganz große Pianistin.«

      Pamela konnte dazu nichts sagen, das war nicht gerecht, dieses Mädchen konnte nichts dafür, doch sie konnte auch nichts für ihre Gefühle.

      Manuel war ihr Freund, sie war zuerst da gewesen. Es war alles in eine ziemliche Schieflage geraten.

      Wäre sie doch bloß nicht nach Australien gegangen, dann wäre alles nicht passiert.

      Ahnte Manuel, was in ihr vorging?

      »Pam, es ist wirklich sehr schade, dass ihr euch nicht kennengelernt habt. Ich bin mir sicher, dass ihr euch angefreundet hättet. Und denk doch bloß mal daran, was sie alles mitgemacht hat. Du warst verzweifelt, bist ausgerastet, als du erfahren musstest, dass du keine echte Auerbach bist, dass man dich adoptiert hat. Claire wurde als Baby entführt, diese Frau Schulz hat sie geklaut und das Lösegeld auch noch mitgenommen. Und erst hier, durch Herrn Magnusson, ist herausgekommen, wer sie wirklich ist. Und erst jetzt ist sie dort, wohin sie gehört. Nein, Pam, auf Claire musst du nicht eifersüchtig sein, und das bist du doch, oder?«

      Sie merkte, dass sie rot wurde wie eine überreife Tomate. Wie peinlich war das jetzt! Ehe sie widersprechen konnte, fuhr Manuel fort: »Das mit uns ist etwas Besonderes, wie mit meiner leiblichen Mama und mir. Und auch in Amerika werde ich an dich denken, an Hannes, an die herrliche Kindheit, die wir hier hatten. Es ist alles mal vorbei. Du weißt doch, dass ich nach dem Abitur eh gegangen wäre, und vielleicht hätte ich es sogar so wie Hannes gemacht und wäre erst einmal auf Weltreise gegangen, vielleicht werde ich es auch wirklich tun. Ich habe keine Ahnung, aber jetzt freue ich mich auf Arizona. Ich würde lügen, wenn das nicht so wäre. Und belügen möchte ich dich nicht. Ich denke, deine Zeit hier wird irgendwann auch vorbei sein.«

      Pamela schüttelte entschieden den Kopf.

      »Niemals«, rief sie im Brustton der Überzeugung. »Australien war toll, aber hier ist es viel, viel schöner. Ich werde niemals mehr weggehen.«

      Jetzt musste Manuel lachen.

      »Oma Marianne sagt immer, dass man niemals nie sagen soll. Nach dem Abi wirst du doch studieren, nicht wahr? Schon vergessen, dass das im Sonnenwinkel und in Hohenborn nicht geht?« Er neckte sie, und das konnte sie überhaupt nicht haben. »Dann studiere ich eben nicht«, sagte sie patzig.

      Pamela merkte, dass sie jetzt aufhören musste herumzuzicken, als Zicke sollte Manuel sie nicht in Erinnerung behalten.

      Warum war es nur so schwer, sich jetzt ganz normal zu verhalten, so wie immer?

      Sie verspürte einen tiefen Abschiedsschmerz, durfte ihn aber nicht zeigen, und auch an Manuel ging es keineswegs vorüber, nun Abschied zu nehmen.

      Er begann über das zu sprechen, was sie in den vielen Jahren erlebt hatten und was besonders in Erinnerung geblieben war. Und da es so vieles gab, konnten sie lockerer miteinander umgehen, sie konnten sogar miteinander lachen, weil manches einfach zu komisch gewesen war.

      Die Schatten, die in den Raum fielen, wurden immer länger. Sie machten kein Licht an, doch Pamela wurde klar, dass sie wieder nach Hause gehen musste. Ihre Eltern würden sich sonst Sorgen machen.

      »Tja, dann mache ich mich mal auf den Heimweg«, sagte sie zögerlich.

      Und dann passierte das, worauf sie gehofft hatte: »Ich bringe dich nach Hause, das ist doch klar, ganz so wie früher. Weißt du noch, was für eine Bangebüchs du warst? Du hast hinter jedem Strauch einen Geist gesehen oder einen Räuber.«

      Daran musste er sie jetzt wirklich nicht erinnern, aber sie konnte kontern: »Du warst auch nicht gerade ein Held, Manuel. Hannes musste dich mehr als nur einmal beruhigen.«

      Er nahm es viel lockerer als sie. »Stimmt«, gab er unumwunden zu, »aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so war, oder ob ich von Hannes nicht nur gerettet werden wollte. Deinen Bruder habe ich immer bewundert, und ich finde heute noch toll, wie er seinen Weg geht. Er ist Markenbotschafter für ein Surfbrett, hat zusammen mit einem Kumpel eine Surf- und Tauchschule. Dabei hätte er alles studieren können mit seinem Abi. Eins-Komma-Null, das muss man sich mal reinziehen. Nicht einmal das Stipendium der Columbia in New York hat ihn in dem, was er mit seinem Leben machen will, von seinem Weg abbringen können. Du kannst stolz sein auf deinen Bruder, und ich bin stolz, sein Freund zu sein, er meldet sich hin und wieder, und das finde ich großartig.«

      »Ich hoffe, das wirst du ebenfalls tun, Manuel. Ich meine, dich bei mir zu melden. Und ja, Hannes ist wirklich ein ganz besonderer Mensch. Er hat mir damals sehr geholfen, und ich werde nie vergessen, dass er alles hintenan gestellt hat, um für mich da zu sein.«

      Sie sprachen noch ein wenig über Hannes, und das entspannte die Lage zwischen ihnen ein wenig.

      Natürlich brachte Manuel sie bis vor die Haustür, dort blickte er sie ernst an.

      »Pamela, ich werde dich niemals in meinem Leben vergessen, und ich werde mit dir in Verbindung bleiben, versprochen, was immer auch passiert.«

      Er kramte in seiner Hosentasche herum, dann beförderte er einen Gegenstand hervor. Pamela erkannte ihn sofort, es war ein ganz besonderer Stein, schillernd in den schönsten Farben, den Manuel immer mit sich herumtrug. Es war sein »Fühlstein«, und er war eine Erinnerung an seine leibliche Mutter.

      »Hier«, sagte er und streckte ihr den Stein entgegen, »damit du dich an mich erinnerst und an das, was ich dir jetzt gesagt habe.«

      Pamela wurde ganz aufgeregt. Sie hatte diesen Stein immer bewundert, und sie hatte Manuel um diese Kostbarkeit glühend beneidet.

      Den Stein wollte er ihr schenken?

      Einfach so?

      Nein, das ging nicht.

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Manuel, das geht nicht. Der Stein ist doch von deiner Mutter.«

      Er nickte.

      »Ich weiß, aber ich glaube, nein«, korrigierte er


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