Jan siegt zweimal. Carlo Andersen

Jan siegt zweimal - Carlo Andersen


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ction> Knud Mei­ster und Car­lo An­der­sen

      Erstes kapitel

      Erling ahnt Böses

      Erling fand, daß die Einladung nach Schloß Ulvsborg bisher nicht gerade erholsam gewesen war, denn statt gut zu essen und sich auszuruhen, hatten sie sich fast eine Woche lang mit Schmugglern, falschen Filmleuten und Spionen herumgeschlagen, wie immer, wenn Jan seine Nase in Dinge steckte, die ihn nach Erlings Meinung gar nichts angingen. Kein Wunder daher, daß Erling mehr als genug von alledem hatte. Sein einziger Trost war die Doppelverlobung, zu der es schließlich gekommen war. Lis Helmer, Jans Schwester, und ihre Freundin Yvonne hatten beide ihren Auserwählten gefunden. Es waren die jungen Segelsportler Jens und Jörn, die auf Ulvsborg ihre Ferien verbrachten. Ihnen war es in erster Linie zu verdanken gewesen, daß die bösen Abenteuer ein gutes Ende genommen hatten, obwohl die ganze Geschichte beinahe schief gegangen war.a

      Gutsbesitzer Winther hatte die Doppelverlobung denn auch gebührend gefeiert und Yvonnes Vater, Ingenieur Schmidt, samt Yvonnes Stiefmutter zur Feier eingeladen. Lis’ Eltern hatten leider nicht kommen können, aber sie hatten ihr Glückwünsche und einen wundervollen Blumenstrauß geschickt. Und Erling war glücklich gewesen, sich endlich wieder einmal in Ruhe und Frieden den geliebten Tafelgenüssen hingeben zu können.

      Jetzt waren Jan, Erling und Jesper, Krümel genannt, wieder in Raunsdal, auf dem Gutshof, der Jans Onkel Christian gehörte. Dort gedachten sie den Rest der Sommerferien zu verleben. Und zwar in fröhlicher Gesellschaft, da man in wenigen Tagen eine größere Zahl von Gästen erwartete.

      Jans Onkel hatte nämlich den Wunsch geäußert, zu Ehren der beiden jungen Paare ebenfalls ein kleines Fest zu veranstalten. Jan hegte freilich den leisen Verdacht, sein Onkel benutze die Doppelverlobung lediglich als Vorwand, während ihm in Wirklichkeit nur darum zu tun war, eine Schar fröhlicher junger Menschen um sich zu versammeln. Christian Helmer war nämlich selber noch ziemlich jung, hatte sich aber bisher noch nicht entschließen können, zu heiraten, und langweilte sich daher auf seinem großen Gut bisweilen ein wenig.

      Seine Haushälterin, Fräulein Madsen – für gewöhnlich kurz «Mads» genannt –, war nicht sehr unterhaltend, obwohl sie einen Vorzug aufzuweisen hatte, der von den Gästen des Hauses sehr geschätz wurde: Sie war eine vorzügliche Köchin. Darin erschöpfte sich freilich ihre Begabung. Andere Interessen besaß sie nicht, und sie beurteilte ihre Mitmenschen lediglich danach, wieviel Verständnis sie ihren kulinarischen Künsten entgegenbrachten. Aus diesem Grunde war Erling ihr erklärter Liebling, denn wie kein anderer verstand er es, ihre Leistungen auf dem Gebiete der Kochkunst zu preisen, und er tat sich wahrlich keinen Zwang an, wenn es galt, tüchtig zuzulangen.

      Kein Wunder daher, daß Mads sehr verstimmt gewesen war, weil Onkel Christian Jan und seine beiden Freunde mitgenommen hatte, als er nach Ulvsborg gefahren war. Aber nun waren sie wieder daheim, und das Gesicht der guten Mads strahlte wie die liebe Sonne. Sie war fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß «der arme Erling» schleunigst das Versäumte nachholte, denn natürlich hatte man ihn auf Ulvsborg jämmerlich hungern lassen. Erling bestärkte sie in diesem Glauben. «Ich muß gestehen, Mads», sagte er bald nach der Ankunft, «daß ich krank vor Sehnsucht war, sooft ich an Sie und Ihre unvergleichliche Kochkunst dachte. Und das geschah wahrlich nicht selten. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, daß ich eines Tages nicht nur auf das Frühstück verzichten mußte, sondern auch kein Mittagessen bekam?»

      «Du armer Junge!»

      Erling nickte mit bekümmertem Gesicht: «Das war schlimm, Mads. Fürchterlich war es ...» Um der Wahrheit die Ehre zu geben, fügte er schnell hinzu: «Leugnen läßt sich es allerdings nicht, daß ich mich beim Abendessen gebührend schadlos hielt.»

      «Daran hast du recht getan», erwiderte Mads. «Ich bin der Meinung, daß der Mensch seine regelmäßigen Mahlzeiten braucht. Wie kam es denn, daß du damals fasten mußtest?»

      «Eigentlich war die Sache die, daß Jan, Jesper und ich gerade so viel zu tun hatten.»

      Mads seufzte: «Natürlich war dieser Jan daran schuld. Aber es wundert mich nicht weiter. Ihm ist es ja auch gleich, ob er etwas Ordentliches im Magen hat oder nicht. Aber ich verspreche dir: Ich werde dafür sorgen, daß dir dergleichen nicht wieder passiert. Hast du übrigens für heute besondere Wünsche? Was möchtest du haben?»

      «Vielen Dank für die Nachfrage», erwiderte Erling dankbar. «Aber was es auch gibt: mir ist alles recht.»

      «Willst du heute mittag Eierkuchen haben?»

      «Eierkuchen?» Erling schluckte schwer. Bei dem bloßen Gedanken an Eierkuchen stieg ihm der Magen hoch. Eierkuchen waren früher eines seiner Leibgerichte gewesen. Aber vor der Abreise nach Schloß Ulvsborg hatte die gute Mads des Guten denn doch zuviel getan, um ihm eine Freude zu machen. Seither wurde ihm bei dem bloßen Gedanken an Eierkuchen beinahe übel, und er hatte sich feierlich gelobt, fortan einen weiten Bogen um dieses ehemalige «Leibgericht» zu machen.

      Aber über die Essensfrage hatte Mads zu bestimmen und niemand anders. Er wagte daher nicht zu protestieren. Vielleicht ging der Kelch eher an ihm vorüber, wenn er nichts sagte.

      «Sei ganz unbesorgt, mein Junge», sagte sie. «Du sollst haben, was dir schmeckt.»

      «Das kann ich wirklich nicht verlangen, liebe Mads», wehrte er sich schwach. «Die andern sind doch auch noch da. Und ich glaube, Eierkuchen schätzen sie nicht sehr.»

      «Das spielt keine Rolle, mein Junge!» erwiderte Mads energisch.

      Erling war das Herz schwer, als er zu seinen beiden Freunden ging, die im Garten saßen und plauderten.

      «Was ist denn los, Dicker?» scherzte Jan. «Du läßt ja den Kopf hängen, als hätte man dir eben dein Todesurteil verkündet?»

      «Schlimmer, mein Freund», seufzte Erling. «Wenn es das nur wäre! Aber Mads hat gedroht, sie wolle heute Eierkuchen machen.»

      «Weiter nichts?» spottete Jan. «Das ist doch dein Leibgericht. Oder?»

      «Es ist mein sicherer Tod!»

      Jesper bemerkte grinsend: «Für dich ist das doch ein ganz natürlicher und höchst beneidenswerter Tod. Früher oder später stirbst du ja ohnedies an Überfütterung.»

      Erling blickte anklagend zum Himmel auf. «Warum hat das Schicksal mir bloß solche Freunde beschert?» sagte er mit düsterer Stimme. «Keiner versteht mich. Keiner hat auch nur die Spur Mitleid mit mir.»

      «Warum sollte man auch?» spottete Jan. «Hast du dir nicht selber eingebrockt, was du jetzt ausessen mußt? Sei also ein Mann! Iß Eierkuchen und stärke dich bei Tisch gehörig!»

      «Warum?» fragte Erling mißtrauisch.

      «Wir wollen nach dem Essen eine kleine Radtour machen.»

      «Eine Radtour?» stöhnte Erling. «Findest du nicht, daß das Leben mir schon ohnehin grausam genug mitspielt? Eine Radtour? Mitnichten, teurer Freund! Ich habe mir bereits den Liegestuhl ausersehen, der meine müden Glieder aufnehmen soll, sobald die Eierkuchen, die wie ein Albdruck auf mir lasten, glücklich überstanden sind. Während ihr beide euch in der Gluthitze abstrampelt, werde ich gern in Freundschaft euer gedenken. Mehr könnt ihr wirklich nicht von mir verlangen.»

      «Faules Dromedar!» sagte Jesper.

      «Deine zoologischen Kenntnisse sind wirklich hervorragend», bemerkte Erling freundlich. «Merkwürdig nur, daß unser Zoologieprofessor es noch nie gemerkt hat.»

      Die Buben legten sich in das duftende Gras und genossen das Dasein in vollen Zügen. Es war herrlich, noch einen ganzen Monat auf Raunsdal vor sich zu haben! Etwas wehmütig freilich stimmte die drei Freunde der Gedanke, daß es die letzten Sommerferien waren, die sie gemeinsam verleben durften. Hernach begann für alle drei das letzte Schuljahr, und an seinem Ende hieß es für lange Zeit voneinander Abschied nehmen. Der Ernst des Lebens begann.

      Jan und Erling wollten studieren und die Ingenieurlaufbahn einschlagen. So hohe Ziele hatte sich der kleine Jesper freilich nicht gesteckt, denn dazu reichten seine geistigen Gaben nicht. Er war zwar durchaus nicht auf den Kopf gefallen, aber das Studieren lag ihm nicht. Das hatte er längst selber eingesehen und deshalb beschlossen,


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