Grado abseits der Pfade. Michael Dangl

Grado abseits der Pfade - Michael Dangl


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Sonne stehend – im März scheint sie dort bis nach Mittag, Tische werden erst im April aufgestellt – genießt. Knusprige Weißbrotscheiben mit großzügig daraufgehäuftem, köstlichem baccalà-Aufstrich, frittierte seppie, Holzspießchen mit polpetti di pesce (Fischlaibchen), dazu ein spritziger Ribolla gialla spumante. Zutiefst italienisch ist auch das Kommunikationsfördernde dieser Einrichtung, da man zwangsläufig hier zum falschen Weinglas, da in den gegnerischen Brotkorb greift. Im Nu sieht man sich von Fremden eingeladen, mit Fischern im Gespräch. Mit Adriano etwa, einem Stammgast. Auf den kleinen Quecksilberskandal angesprochen, der Grado vor einigen Jahren in die Schlagzeilen gebracht hat*, schüttelt er lächelnd den Kopf und setzt zu einer geradezu wissenschaftlichen Erklärung an. In jedem Fisch sei Quecksilber. Aber nicht das schädliche, das wir aus dem Thermometer kennen. Wenn nun ein Fisch stirbt, bleibt sein Quecksilber im Wasser und sinkt auf den Grund. Im Lauf der Jahrtausende sammelt sich da einiges an. „Wenn du mir meine Mütze abnimmst“, sagt Adriano, „wirst du Quecksilber finden. Aber eben nicht das schädliche.“ Dann befestigen wir zum Spaß eine Serviette auf einem Spießchen der zuvor verzehrten polpette und stecken es ins Holz des zum Tresen mutierten Fensterbretts. Erst als Adriano schon am Weg nach Hause ist, zu seiner Ehefrau (die ihn, so deuteten es seine Gesten an, schlüge, käme er nicht zum Essen heim), und die Serviette im Wind weht, merke ich, dass sie blau ist und dass wir also sozusagen zur Unterstützung, zur Beflaggung seiner Geschichte, dem Strand von Gravo eine weitere bandiera azzurra errichtet haben.

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       Adriano, Fischer von Grado

      Wer nach so viel Genuss – der Samstag und die Sonne sind ein Stück weitergewandert – nicht stehen bleibt und noch ein Glas bestellt, hat vom Leben, auf jeden Fall von Grado, nichts begriffen. Die „Piccola Libreria Toman“ gegenüber, Tabakwaren-, Buch- und Zeitschriftenladen, bietet genügend Lesestoff, das Wissen über und die Liebe zur „Goldinsel“ zu erweitern.

      Am Abend sollte man „Max’in“s Inneres betreten. Daniele, den man schon vom Fenster kennt, kümmert sich um die Weine (unter anderem schenkt er großartigen Prosecco Superiore von Foss Marai / Valdobbiadene aus), Max selbst nimmt die Essenswünsche entgegen, kocht vor deinen Augen – seine scogliera etwa, Spaghetti mit vielerlei Muscheln –und kredenzt dir insalata di mare sowie seine canapés mit frisch aufgeschnittenem, phantastisch zartem Lachs. Danach einen hausgemachten Santonego (siehe Ende des Kapitels). „Max’in“ ist ein kleiner Tempel des Genusses, und wer einmal da war, geht schwer vorbei.

      Obwohl auch das lohnen kann. Wenige Schritte weiter nämlich warten gleich zwei Restaurants, die seit Jahrzehnten mit konstanter Qualität aus den vielen Angeboten dieser Straße, die man vor lauter Lokalen nicht sieht, herausragen: das „De Toni“ und „Agli Artisti“. Das „Zu den Künstlern“ hat zudem eine Dependance an der kleinen Piazza XXVI Maggio am Alten Hafen, die einladende Osteria del Mar mit ähnlichem Angebot wie das Max’in. Die paar Euro mehr, die man dort zahlt, lohnen in jedem Fall. Es sind zwei kostbare Felsen in der Brandung der launischen, wechselhaften Gradeser Lokalflut. Daneben ein relativer Neuling: „La Perla“. Hier arbeitet sommers gerne der Drago von Grado (siehe sein eigenes Kapitel). Ein interessantes Experiment ist es auch, zwischen den Lokalen hin und her zu wandern, ein Glas da, einen Bissen dort, man bleibt in Bewegung und der Abend ein Abenteuer.

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      Vor demMax’in

      PS: Auch am Montag – denn diesen Tag sollte der Reisende unbedingt noch dazunehmen. Es ist schön, dem Städtchen flanierend beim Wochenbeginn zuzusehen. Und wer dem Dienstag und Mittwoch ein Schnippchen schlägt, darf sich schon bald auf das nächste Wochenende freuen!

      SANTONEGO

      Die Grappa von Grado – oder ihr Absinth? Wie in der legendären sogenannten Künstlerdroge ist die Basis des lokalen Schnapses assenzio – Wermut. Natürlich aus der Lagune, selbst gepflückt. Sie ist eine der bittersten Pflanzen der Erde und hat eine eminente Heilwirkung, besonders auf die Verdauung. Weshalb man das getrocknete Kraut auch bei uns in der Apotheke bekommt. Oder frei, in der Natur vor allem auf trockenen Böden und felsigen Abhängen. In Grado wird der assenzio im Juni, Juli gepflückt. Ab Ende Juli, Anfang August bekommt man den Santonego in vielen Lokalen, im Winter fast gar nicht.

       Zutaten für ? Personen:

      je nach Umfang gut 3 Zweige assenzio bzw. Wermut ca. ½ Glas Kristallzucker 1 Liter neutrale, weiße Grappa

       Zubereitung:

      Eine 1-Liter-Flasche mit Knebelverschluss auskochen. Die assenzio-Zweige waschen und in die Flasche stecken. ½ Glas Wasser und ebenso viel Zucker unter Rühren langsam aufkochen, bis ein Sirup entstanden ist. Vom Herd nehmen und etwas auskühlen lassen. Die Flasche bis 2 cm unter den Hals mit der Grappa füllen. Den noch warmen Zuckersirup (Menge nach Geschmack) dazugießen. Flasche mit Dichtungsring fest verschließen und sanft schwenken, damit sich alles gut vermischt – jedoch nicht schütteln, weil sonst Blasen entstehen. 5–7 Wochen an die Sonne bzw. einen warmen Ort stellen. Dann öffnen und in angenehmer Gesellschaft genießen.

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       Wo die Riva Dandolo in die Lagune mündet

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       1Lungomare („diga“)

       2Ristorante / Pizzeria „Vistamare“

       3Das ehemalige „Fortino“

       4Hotel „Villa Marin“

       5Basilica di Sant’Eufemia

       6Bar „Ai Patriarchi“

       7Lapidarium

       8Hotel Marea

       9Spiaggia azzurra

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