Nicht ohne meine Hüfte. Annette Frieboes-Esalnik
ich versuche, es zu glauben.” Sie schaltet ihren Fernseher ein, ich lese.
Dann wird das Abendessen hereingebracht. Ich habe keinen Appetit, esse aber trotzdem eine halbe Scheibe Brot. Dann lese ich weiter.
Die Nachtschwester kommt herein und stellt sich vor, gibt mir die Beruhigungstablette für zweiundzwanzig Uhr und erklärt mir nochmal den Ablauf:
„Gehen Sie jetzt in Ruhe duschen, natürlich ohne sich danach einzucremen, dann nehmen Sie die Tablette mit etwas Wasser und legen sich schlafen. Bitte nachts nicht allein aufstehen. Morgen werden Sie gegen sechs Uhr geweckt, machen sich etwas frisch, putzen die Zähne und ziehen das OP-Hemd und den sexy Einmalslip an. Dann nehmen Sie die Tablette und legen sich am besten nochmal hin, ok?”
„Ja, alles verstanden.”
„Haben Sie noch Fragen?”
„Nein, Sie haben das alles sehr verständlich ausgeführt. Danke.”
„Bitte, gerne. Dann wäre da noch eins für mich zu tun.” Sie kramt einen Einmalrasierer aus ihrer Tasche und hält ihn hoch.
„Darf ich mal sehen, ob ich da was zu tun habe?”
„Klar.” Ich öffne meine Hose, schiebe sie ein Stück herunter. Seit ein paar Tagen habe ich mich nicht mehr rasiert, aus Angst mich zu verletzen und dann nicht operiert zu werden. Doch die Schwester freut sich und packt den Rasierer wieder ein.
„Ein Lob auf die Frauen, bei den Männern hab’ ich da regelmäßig mehr Arbeit.” Wir lachen. Sie verabschiedet sich freundlich.
„Die sind ja alle sehr nett hier”, sage ich zu Bärbel.
„Ja, ich hab noch keine unfreundlich erlebt und ich bin schon ein paar Tage hier.”
„Und was haben Sie?”, frage ich, doch von Neugier gepackt.
„Meine Hüfte wurde ausgebessert. Ich habe meine erste schon sehr früh bekommen.”
„Oh.”
„Ja, damals war ich froh darüber, aber mit dem heutigen Standard ist das gar nicht zu vergleichen. Es hat sich so viel getan, es ist so vieles besser geworden. Bei Ihnen auch, das wird schon. Ich war am dritten Tag nach der OP schon wieder in der Cafeteria.”
„Ehrlich? Das sind ja gute Aussichten.”
Wir beenden unsere kurze Konversation, Bärbel widmet sich wieder ihrem Fernseher und ich wende mich meinem Buch zu. Hätte ich doch bloß ihre Zuversicht, aber ihre Worte bauen mich doch etwas auf, sie hat dasselbe hinter sich, das ich noch vor mir habe, und es geht ihr anscheinend gut. Also muss ja etwas Wahres daran sein. Irgendwann schaue ich auf die Uhr. Es ist bereits viertel vor elf.
Oh.
Ich liege immer noch mit Klamotten im Bett und lese. So langsam sollte ich tun, was die Schwester mir aufgetragen hat. Meine Bettnachbarin schaut immer noch fern, da jeder dabei sein eigenes Gerät mit Kopfhörer hat, störe ich sie nicht. Also nehme ich mein Nachthemd, einen neuen Slip und gehe ins Bad. Ich ziehe mich aus – zum letzten Mal selbständig, denke ich wehmütig. Wie das wohl in Zukunft aussehen wird? Ich dusche in aller Ruhe, die ich aufbringen kann, trockne mich ab, ziehe mich an und putze meine Zähne. Dann atme ich tief durch, als ich mich im Spiegel betrachte.
„Aus der Nummer kommst du jetzt nicht mehr raus”, sage ich laut zu mir, sehe mir wehmütig in die Augen und gehe zurück zum Bett. Die Kleidung verstaue ich im Schrank, die brauche ich wohl erst einmal nicht. Ich lege mich ins Bett, nehme die Tablette und lösche mein Licht. Wider Erwarten schlafe ich gleich ein.
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