Vertragt Euch!. Nicole Wilde

Vertragt Euch! - Nicole Wilde


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Blick bedeutet nicht „Freut mich, dich zu sehen!“

      Kratzen und Schnüffeln sind zwei weitere verbreitete Beschwichtigungssignale. In dem Moment, wo es im Spiel zwischen Hunden rau zuzugehen beginnt, könnte einer von beiden den Eindruck erwecken, als habe er plötzlich etwas Faszinierendes auf dem Boden entdeckt: „Wow! Was ist das? Auszeit!“ In Wirklichkeit nutzt er die vorgetäuschte Schnüffeluntersuchung als Möglichkeit, eine Pause in der Aktion zu schaffen, um den anderen Hund zu beruhigen. Genauso könnte es einen Hund plötzliches irgendwo jucken, wo vorher nichts gewesen war. Bei meinen beiden früheren Hunden, Soko und Mojo, war dieses Schauspiel zwischen den beiden oft vorhersehbar. Wenn das Spiel sich zu einem Punkt hochgeschaukelt hatte, an dem die Grobheit für Soko besorgniserregend wurde, konnte ich tatsächlich im Geist herunterzählen „3-2-1 …“ bis sie ein plötzliches Jucken verspürte – und indem sie sich am Hinterteil kratzte, wandte sie sich wirkungsvoll von Mojo ab und verlangte eine Auszeit, während derer sich beide Hunde beruhigten.

      Dies ist einer der wichtigsten Bestandteile der Hundekörpersprache, von dem Sie je hören werden, und einer, den viele Hundebesitzer übersehen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich in Häuser zu Situationen gerufen wurden, in der die Besitzer glaubten, ein Hund würde immer zu streiten beginnen, während in Wahrheit der andere Hund ihn heftig angestarrt und der mutmaßliche Angreifer darauf lediglich reagiert hatte. Ich bin in New York aufgewachsen, oft mit der Subway gefahren und kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass sowohl in der New Yorker Subway als auch zwischen Hunden nichts über ein fixes Anstarren geht.

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      Ein angespannter Moment. Beachten Sie das Einfrieren, Anstarren und die nach vorne gerichteten Ohren beim rechten Hund, wohingegen beim Hund links die Ohren zurückgelegt sind und er nicht so heftig starrt wie der andere. Gespannte Leinen, wie sie hier zu sehen sind, sollten beim Aufeinandertreffen von Hunden vermieden werden, denn sie können weitere Spannung erzeugen.

      Fixes Anstarren – das „böse Auge“, wie manche meiner Kunden es auch nennen – ist schlicht und ergreifend eine Drohung. Diese wird von anderen Hunden sofort wahrgenommen. Der konzentrierte, unbewegte Blick wird oftmals begleitet von einer vollkommenen Unbeweglichkeit des Körpers. Als Trainer würde ich lieber einem Hund begegnen, der auf mich zustürzt und anbellt, als einem, der stocksteif dasteht, den Kopf leicht senkt und starrt. Während der erste Hund sicherlich kein angenehmer Zeitgenosse ist, verschwendet er aber seine Energie damit, jede Menge Krach zu machen in der Absicht, mich wegzuscheuchen. Der zweite Hund spart seine Kräfte. Wehe, wenn er explodiert: geben Sie gut auf sich Acht!

      Anstarren kann man auch beobachten, wenn ein Hund etwas in seinem Besitz hat, das er nicht teilen möchte, wie im Beispiel von Daisy und Duke. Der Kopf wird höchstwahrscheinlich gesenkt sein, entweder leicht oder vollständig über dem Objekt, und das Starren kann durch ein Knurren begleitet werden. Das Anstarren kann in einer Vielzahl von Umständen vorkommen. Sagen wir einmal, einer Ihrer Hunde sitzt mit Ihnen auf dem Sofa und der andere nähert sich in der Hoffnung auf ein paar Streicheleinheiten. Der Hund auf dem Sofa könnte ein flüchtiges Anstarren zeigen, das von Ihnen unbemerkt bleibt, insbesondere, wenn er in diesem Moment von Ihnen abgewandt ist. Wenn der andere Hund mit Schnappen oder Knurren reagiert, mag es so scheinen, als würde der andere Hund herkommen und einen Streit anfangen, während in Wirklichkeit der Hund neben Ihnen der Impulsgeber war.

      Beobachten Sie Ihre Hunde sorgfältig. Wenn es eine Situation gibt, die typisch dafür ist, Spannung unter ihnen zu verursachen, beobachten Sie die Augen. Starrt einer den anderen heftig an? Falls dies der Fall ist, könnte das Ihr Schlüssel sein und der Moment zum Eingreifen, ehe die Dinge eskalieren.

      Eine andere Mimik, nach der man Ausschau halten sollte, ist das sogenannte Walauge. Dabei wird deutlich mehr vom Weißen des Auges sichtbar als normalerweise. Das Walauge kann beobachtet werden, wenn ein Hund sich vom anderen in Furcht abwendet, aber ein Auge auf die Bedrohung haben möchte. Auch kann man es beobachten, wenn ein Hund seinen Kopf zu etwas hinuntergesenkt hat, was er bewacht, aber ein Auge auf einen sich nähernden Hund behält. Kurz gesagt, ein Hund mit Walauge ist gestresst.

      Wie bereits gesagt, wird das Anstarren manchmal von einer vollständigen Bewegungslosigkeit des Körpers begleitet. Dieses sogenannte Einfrieren kann allerdings auch ohne Anstarren beobachtet werden. Wenn ein Hund einfriert, erlaubt ihm dieser eine Sekundenbruchteil, die Situation, mit der er konfrontiert ist, einzuschätzen. Vielleicht haben Sie so etwas schon einmal gesehen, als sich einem Hund ein ihm unbekannter Hund angenähert hat. Einer oder beide Hunde haben vielleicht plötzlich aufgehört, mit dem Schwanz zu wedeln. Die Schnauze, die bei vielen Hunden im Normalfall in einem hechelnden „Grinsen“ geöffnet ist, schließt sich und mag angespannt erscheinen. Es kann auch vorkommen, dass die Augenpartie angespannt ist und sich bei manchen Hunden senkrechte Falten zwischen den Augen zeigen. Bei dieser Art der Körpersprache können Sie die Anspannung, die in Wellen von den Hunden ausgeht, geradezu spüren. Es kann sein, dass nach dem Einfrieren, insbesondere, falls es von Anstarren begleitet wird, ein Hund sich als Nächstes auf einen anderen stürzt. Allerdings ist es in vielen Fällen, in denen sich Hunde begegnen, so, dass ein sehr kurzes Einfrieren von einer Vorderkörpertiefstellung (Play Bow) gefolgt wird, mit der ein Hund zeigt, dass er keine Bedrohung darstellt – und an dieser Stelle entspannen sich beide Hunde.

      Nochmals: Ein Einfrieren ist nicht in jedem Fall ein Zeichen dafür, dass ein Kampf folgt. Zusätzlich zum „Herumblödeln“ und Zeigen einer Vorderkörpertiefstellung zum Durchbrechen der Spannung kann es sein, dass ein Hund einfriert, sobald er eine Bedrohung entdeckt, und sich dann fürs Wegrennen entscheidet. Oder, falls der Hund für sich bestimmt hat, dass es da nichts gibt, worum er sich sorgen müsste, könnte dem Einfrieren eine Entspannung des Körpers folgen und alles wie gehabt weiterlaufen. Am häufigsten folgen dem Einfrieren Verhaltensweisen wie Kämpfen, Fliehen, Herumblödeln, sowie das Zurückkehren in einen entspannten Zustand.

      Knurren ist etwas Gutes. Ja, Sie haben richtig gelesen! Natürlich würden wir es vorziehen, wenn unsere Hunde uns nicht anknurren, weder einen anderen Hund noch sonst jemanden. Aber ein Knurren ist das Frühwarnsystem des Hundes. Es ist seine Art, einen anderen Hund oder eine Person wissen zu lassen, dass ihm etwas nicht passt. Um ein Menschenbeispiel zu verwenden: Stellen Sie sich vor, Sie stehen in der Kassenschlange beim Supermarkt. Ein anderer Kunde steht sehr dicht hinter Ihnen. Sie fühlen sich unwohl. Die Person rückt näher heran, dringt weiter in Ihren Wohlfühlabstand ein. Was würden Sie tun? Vielleicht versuchen Sie, etwas nach vorne zu gehen, aber wenn jemand vor Ihnen steht, wäre diese Option recht eingeschränkt. Wenn der Eindringling sich näher heranbewegt, bis Sie seinen Atem spüren können und irgendwann quasi an Sie gepresst wäre, wären Sie gezwungen, sich umzudrehen und (angenommen, Sie wählen die nette Variante) Sie müssten so etwas sagen wie „Entschuldigen Sie mal!“ Die Person würde dann hoffentlich merken, was sie da tut, sich entschuldigen und zurückweichen. Wenn dem nicht so wäre, würden Sie sich wahrscheinlich noch mehr aufregen und am Ende Ihre Stimme erheben, um Ihren Standpunkt noch mehr zu verdeutlichen.

      Im vorangegangenen Beispiel war Ihre Warnung mit Worten das Pendant zum Knurren eines Hundes. Jetzt stellen Sie sich dieselbe Situation vor, aber Sie könnten nicht sprechen. In der Schlange stehend, sich unwohl fühlend, was würden Sie tun? Klar, Sie könnten einfach weggehen, aber wenn Sie sich entscheiden zu bleiben, müssten Sie auf eine körperliche Handlung zurückgreifen. Sie könnten sich umdrehen und eine Hand auf die Brust der Person legen, um sie sanft wegzuschieben oder eine stärkere körperliche Annäherung unternehmen. Natürlich wird die Person es nicht schätzen, dass sie angefasst oder geschubst wird, und die Situation könnte eskalieren. Sehen Sie jetzt, wieso Knurren etwas Gutes ist? Ein Knurren ist die Art des Hundes, auszudrücken „Ich mag nicht, was du tust. Hör auf und lass das sofort!“ In der Unterhaltung zwischen Duke und Daisy,


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