Vertragt Euch!. Nicole Wilde
oder langes Fell haben. Alle Wunden sollte sich ein Tierarzt anschauen, denn auch bei oberflächlichen Wunden kann es zu Komplikationen wie einer Infektion kommen. Über Punktuationswunden können Bakterien in den Körper eindringen, deshalb müssen sie ordentlich gesäubert werden. Lässt man sie unbehandelt, können Bakterien Abszesse oder eine Gewebeinfektion verursachen, die sich in der Umgebung ausbreiten kann. Punktuationswunden können auch Schaden anrichten, wenn sie durch Muskeln oder Weichteile gehen. Ein Biss, der den Brustkorb durchdringt, kann einen Lungenkollaps verursachen. Selbst ohne sichtbare äußere Schäden sind innere Verletzungen möglich, besonders, falls ein Hund gepackt und ernsthaft geschüttelt worden ist.
Hoffentlich ist die Situation zwischen Ihren Hunden nicht so schlimm. Aber wenn sie kämpfen, ist es wichtig, den Ernst der Lage abzuschätzen – und man muss sich bewusst sein, dass Aggression dazu tendiert, mit der Zeit zu eskalieren. Auch wenn ein Hund jetzt gerade oberflächliche, einzelne Bisse anbringt, könnten diese Verletzungen heftiger werden, einschließlich mehrfacher tiefer Wunden. Umso mehr ein Grund, die Hilfe eines professionellen Verhaltensexperten in Anspruch zu nehmen.
Ehe wir weitermachen, lassen Sie uns einen Moment innehalten und über das D-Wort sprechen: Dominanz.
In den vergangenen Jahren hat das Thema Dominanz bei Hunden in den Medien viel Aufsehen erregt. Wenn man manchen Leuten zuhört, könnte man meinen, Hunde würden die Weltherrschaft zu übernehmen versuchen! So mancher Besitzer oder Trainer sieht das Anspringen als Dominanzverhalten oder das Ander-Leine-ziehen als Versuch, der Rudelführer zu werden. Sogar bei Stubenunreinheit habe ich gehört, wie man von Dominanzverhalten sprach: Ätsch, das hast du davon! All die eben genannten Verhalten sind kaum Zeichen für Dominanz bei einem Hund, sondern einfach ein Mangel an adäquatem Training. Wie kommt es zu diesen Fehleinschätzungen?
Um eine Antwort zu finden, müssen wir uns ins Jahr 1947 begeben, als ein Wolfsforscher namens Rudolph Schenkel Schweizer Wölfe im Zoo beobachtet hat. Er machte einen männlichen und einen weiblichen Leitwolf aus, die jede Art von Wettbewerb im Rudel unterdrückten und kontrollierten. Schenkel zog Parallelelen zwischen Hunden und Wölfen, indem er implizierte, dass es eine ähnliche Sozialstruktur unter domestizierten Haushunden geben musste. Diese Forschungsergebnisse wurden später in den 1970ern durch den Ethologen David Mech in seinem Buch The Wolf: Ecology and Behavior of an Endangered Species (Der Wolf: Ökologie und Verhalten einer gefährdeten Art) bekannt gemacht. Mech hatte in den Sechziger Jahren einige Zeit mit dem Studium von Wölfen im Michigan’s Isle Royal National Park verbracht und bestätigte Schenkels Forschungsergebnisse zur dominanzbasierten Rudeltheorie.
Dann aber untersuchten Mech und seine Zeitgenossen in jüngeren Jahren Wölfe sehr intensiv in der Wildnis, im Gegensatz zu solchen in Gefangenschaft, und fanden heraus, dass Wölfe tatsächlich in traditionellen Familien leben, die aus Eltern und Nachkommen bestehen. Ganz anders als das vorherrschende Dominanzmodell war diese Familiendynamik etwas, mit dem Menschen vertraut sind: Die Jungen folgen den Regeln der Eltern. Die Eltern waren keine Despoten, sondern wohlwollende Leittiere, die ihre Jungen liebten und anleiteten, teils durch Festlegung von Regeln und Grenzen. Wie in Menschenfamilien auch, wurden die Wolfswelpen schließlich erwachsen, trennten sich und gründeten eigene Familien, anstatt zu bleiben und zu versuchen, die Eltern zu stürzen. Zu dem Zeitpunkt, als Mech seine ursprünglichen Forschungsergebnisse über strikte hierarchische Strukturen widerrief und andere ihm dabei zustimmten und seine neuere Forschung bestätigten, hatten sich unglücklicherweise bereits viele Hundetrainer auf das Dominanzmodell gestürzt und sich darauf berufen. Sie hatten aus der veralteten Literatur eine der am meisten Schaden anrichtenden Fehleinschätzungen zum Hundeverhalten gezogen und nahmen sie als Rechtfertigung dafür her, Hunde in die Unterwerfung zu zwingen.
Das alles soll nicht heißen, dass es wahre Dominanz in der Hundewelt nicht gäbe. Wenn ein Welpe noch bei seinen Wurfgeschwistern ist, dann gibt es natürliches Positionsgerangel. Manche Welpen haben genetisch bedingt eher Selbstbewusstsein, während andere weniger davon besitzen. Dominante, selbstbewusste Welpen werden oftmals als erste zu den Zitzen der Mutter kommen und mögen auch ein selbstbewussteres Verhalten beim Spielen und alltäglichen Interaktionen mit anderen Welpen zeigen. Weniger selbstbewusste Welpen warten, bis sie an der Reihe sind, an die Zitze zu gehen, und ihre Körpersprache während des Spiels wird eher unterwürfiger Natur sein. Es ist nichts verkehrt daran, wenn ein Hund generell dominanter oder unterwürfiger ist, solange dieses Verhalten nicht extrem ist. Tatsächlich ist es eine gute Sache, dass nicht alle Hunde dominant sind, sonst hätten wir viel mehr Kämpfe um uns herum!
Ein Hund, der einen anderen dominiert, muss nicht durch die Bank weg in jeder Situation so sein. Vielleicht stellen Sie fest, dass einer Ihrer Hunde normalerweise der Dominantere beim Spielen ist und was den Zugang zu bestimmten Orten wie zum Beispiel das Sofa anbelangt. Aber vielleicht scheint Ihr anderer Hund dominant zu sein, wenn es ans Fressen geht. Ich habe Hunde in ihrem Zuhause gesehen, von denen der Besitzer den einen für dominanter hielt, während in Wirklichkeit der andere dem vermeintlich Dominanten nur Rechte an Dingen zugestand, die er selbst nicht so hoch einschätzte. Vielleicht finden Sie auch heraus, dass sich, obwohl einer Ihrer Hunde grundsätzlich der dominantere ist, dies mit der Zeit verändert. Mit anderen Worten, Dominanzhierarchien sind fließend, nicht starr.
Im Laufe der Jahre habe ich Besitzer oft den Gedanken äußern hören, man müsste den dominanten Hund bestärken oder entscheiden, welcher der „Alphahund“ sein solle. Aus nur ihnen bekannten Gründen wünschen sie sich, dass ein Hund durchsetzungsfähiger sein sollte, als er ist, oder sie möchten lediglich die Position des dominanten Hundes stärken. Sie fragen sich, ob sie diesen Hund zuerst füttern, ihm als erstem ihre Aufmerksamkeit schenken sollen und so fort. Es ist aber so: Sie können gar nicht entscheiden, welcher Hund dominant ist. Das entscheidet der Hund, und egal was Sie tun, es wird nichts daran ändern. Verschwenden Sie Ihre Zeit und Energie nicht damit, den von Ihnen als dominant erkannten oder gewünschten Hund zu fördern. Außerdem – abgesehen von den Dynamiken zwischen Ihren Hunden, raten Sie mal, wer tatsächlich die dominante Kraft in Ihrem Haus ist? Das sind Sie. Und das bringt uns zum nächsten Abschnitt, in dem wir uns damit befassen, wie man einen sanften, effizienten Führungsstil begründet – zusammen mit der Bereitstellung des richtigen Futters, Bewegung, mentaler Auslastung und Begrenzung, wo nötig.
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