DIE VERGESSENE KATHEDRALE (Die Ritter des Vatikan 7). Rick Jones
Reihe weiterer Korridor führte, die ebenfalls leer waren.
Sie wissen jetzt, dass ich hier bin.
Er betrat einen weiteren Gang und musterte seine Umgebung aufmerksam durch das Visier seiner Waffe. Die Aufwachräume befanden sich ganz in der Nähe, im nächsten Komplex.
Plötzlich hörte er die hastigen Schritte weiterer Carabinieri aus dem Westflügel, die auf ihn zuhielten. Dasselbe aus östlicher Richtung. Sie nahmen Mordechai offenbar in die Zange, flankierten ihn und zwangen ihn auf diese Weise in eine ausweglose Lage. Da dieser Korridor über eine Kurve verfügte, würden die Carabinieri nicht ins Schussfeld des flankierenden Teams geraten, weshalb sie von beiden Seiten das Feuer auf ihn eröffnen konnten.
Die Schritte wurden nun lauter und kamen immer näher. Die Carabinieri hatten ihn beinahe erreicht.
Mordechai überprüfte deshalb hastig den Druckauslöser, der mit den Semtex-Paketen unter seiner Weste verbunden war.
Vor und hinter ihm bezogen die Carabinieri nun Stellung und richteten ihre Sturmgewehre auf ihn. Mehr als ein Dutzend roter Laserpunkte tanzten jetzt über Mordechais Brust und Kopf.
Man befahl ihm, sich zu ergeben, doch Mordechai ignorierte ihre Rufe, stattdessen ließ er seinen Blick schweifen und entdeckte die Kameras in den Ecken des Korridors. Sie haben mich die ganze Zeit über beobachtet.
Weitere Befehle wie der, sich auf den Boden zu legen, wurden nun erteilt, doch Mordechai ignorierte auch diese und blieb genau zwischen den beiden Fraktionen stehen.
Als Antwort hob er schließlich sein Gewehr und feuerte mehrere kurze Salven auf die Männer. Die Kugeln durchschlugen die gewölbten Schutzblenden vor den Gesichtern der Carabinieri. Die Einschläge lösten tödliche Explosionen von rotem Nebel aus, die wie dichte Wolken aus den Männern hervorbrachen.
Drei der bewaffneten Männer sanken so schnell zu Boden, dass bereits alles Leben ihre Körper verlassen haben musste, bevor sie ihren Tod überhaupt kommen gesehen hatten.
Dann eröffneten die Carabinieri das Feuer, unerbittliche Salven, deren Kugeln in Mordechais Weste einschlugen und seinen Körper wie eine willenlose Puppe, die an Fäden befestigt war, herumtanzen ließen. Kurz darauf sank er in die Knie, doch die Schüsse verebbten immer noch nicht.
Eine der Kugeln traf seinen Unterarmschutz, und der Einschlag war stark genug, um ihm die Waffe aus der Hand zu reißen. Mordechai wurde mit weiteren Kugeln vollgepumpt. Die großkalibrigen Projektile ließen ihn wild hin und her zucken, bis schließlich eines der Geschosse eine weiche ungeschützte Stelle an seiner Hüfte traf, eine andere in seine Schulter einschlug und eine dritte ein Loch in seinen Bauch riss, kurz unterhalb der Kevlar-Weste.
Während Mordechai am Boden lag und die Welt sich mehr und mehr um ihn herum zu drehen begann, konnte er wieder die Stimmen hören … das Flüstern … die Gesänge der Meister, die ihn anwiesen, jedes Leben im Umkreis zu nehmen.
»Ja«, flüsterte er. »Ja, natürlich.«
Mordechai konnte den Schalter in seiner Rechten deutlich spüren. Er schloss seine Finger fester um den Zylinder, klappte die Abdeckung zurück und legte den Daumen auf den Druckknopf.
Die Stimmen wurden daraufhin lauter. Die Worte überlagerten sich, bis alles zu einem unverständlichen Lärm zusammenschmolz. Doch er wusste trotzdem, was sie ihm sagen wollten. Es war das, worauf sie ihn vorbereitet hatten, das, was die Meister ihm in den vergangenen drei Jahren tief im brasilianischen Dschungel beigebracht hatten.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Carabinieri mit schussbereiten Waffen auf ihn zustürmten und ihn auf Italienisch anbrüllten, was Mordechai als den Befehl deutete, sich zu ergeben.
Die Polizisten ragten hoch über ihm auf, undeutliche, verschwommene Schemen, die Schulter an Schulter standen. Als einer der Männer Mordechai auf die Seite drehte, um ihm Handschellen anzulegen, drückte Mordechai – der weder Angst, Wut noch irgendetwas anderes empfand – auf den Auslöser.
Kapitel 8
Mordechai war wirklich nahe herangekommen.
Die Wände zu dem Anbau, der zu den Aufwachräumen führte, explodierten mit ungeheurer Wucht und stürzten kurz darauf in sich zusammen. Trümmerteile aus Glassplittern und Betonbrocken rasten wie Geschosse durch die Luft und sorgten in einem Umkreis von vierhundert Metern für Verletzungen und Sachschäden.
Die Stützstrukturen und Träger wurden dadurch natürlich extrem geschwächt und nahmen dem Gebäude die Fähigkeit, sich selbst zu halten. Nur eine Minute später stürzte daher der gesamte Anbau in sich zusammen. Brodelnde Rauchwolken stiegen auf und breiteten sich in alle Richtungen aus. Dichter, erstickender Rauch erfüllte die Luft und nahm einem die Sicht.
Als sich der Staub ein wenig gelegt hatte, waren die Schreie weiterhin ununterbrochen zu hören. Der erste Schock war Angst und dann Tränen gewichen, zusammen mit der großen unbeantworteten Frage nach dem Warum. Die Welt schien sich nur noch mit der quälenden Langsamkeit eines grauenvollen Traumes zu bewegen.
Auf das Leben des Papstes war soeben ein zweiter Anschlag verübt worden, und irgendwo dort draußen lauerten unerkannt immer noch vier weitere Ritter.
***
Die Zimmer der Aufwachstation bebten. Die Druckwelle der Explosion ließ das Glas der Vitrinen zersplittern und Gegenstände fielen von den Tischen auf den Boden. Infusionsständer kippten um, Staubwolken tosten die Gänge entlang in dem wilden Versuch, sich auszubreiten, und füllten die Patientenzimmer mit einem dichten, staubigen Nebel. Als die Druckwelle die Carabinieri vor dem Aufwachraum von den Füßen riss, warf sich Kimball augenblicklich und ohne nachzudenken über den Pontifex und sorgte dafür, dass sich seine Intubation nicht löste, während Leviticus und Jesaja sich an den Edelstahltischen in der Nähe festklammerten.
Als das Beben endlich nachließ und der Staub sich lichtete, überprüfte Kimball sofort das Beatmungsgerät. Trotz der Explosion in dem angrenzenden Gebäude schien hier alles intakt geblieben zu sein – mit Ausnahme der Lampen, die gerade unkontrolliert flackerten und bestimmt bald ganz ausfallen würden.
»Der Papst«, rief Leviticus sofort mit sichtlicher Sorge. Jesaja stand direkt neben ihm.
Kimball wich von Bonasero zurück, der immer noch absolut regungslos in seinem Bett lag und dessen Brust sich in einem gleichmäßigen Rhythmus hob und senkte. Kalkartiger Staub begann sich auf die blütenweiße Bettdecke und das restliche Zimmer zu legen und überzog alles mit grauen Partikeln, die so fein wie Talkumpuder waren.
»Solange die Stromversorgung nicht komplett ausfällt, passiert ihm nichts.« Kimball deutete auf das Beatmungsgerät, welches den Einsturz des Anbaus offenbar schadlos überstanden hatte.
»Es geht ihm gut«, sagte er, dann befahl er: »Wir müssen Bonasero so schnell wie möglich hier rausschaffen. Das Gemelli ist für ihn nicht mehr sicher, und mittlerweile dürfte es nun allen klar sein, dass Pinchas nicht auf eigene Faust und allein gehandelt hat.«
»Du willst ihn aus Rom rausschaffen?«
Kimball schüttelte den Kopf. »Ich glaube auch nicht, dass er einen längeren Transport überstehen würde. Ich dachte eher an die päpstlichen Gemächer. Wir könnten dort ein Krankenzimmer für ihn einrichten, ihn rund um die Uhr von Schwestern betreuen lassen, und für die nötige Sicherheit garantieren, indem wir ihn beschützen.«
»Kimball, selbst der kurze Weg in den Vatikan könnte seinen Tod bedeuten«, wandte Leviticus ein.
»Ich glaube aber nicht, dass uns eine andere Wahl bleibt«, erwiderte Kimball ernst. »Wer immer diese Explosion ausgelöst hat, ist Bonasero gefährlich nahegekommen. Wir wissen zwar, wo Pinchas steckt, aber was wir nicht wissen, ist, wie viele weitere noch dort draußen sind. Wenn es sich bei ihnen tatsächlich um alle vermissten Vatikanritter handelt, müssen wir unverzüglich einen Sicherheitsring aus der Schweizergarde, der Vatikanpolizei und der Gendarmerie aufstellen, wobei