Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung
Was man damals und heute mit dem Begriff der Polizeigewalt meinte beziehungsweise meint, ist nur schwer zu vergleichen. Das Wort Polizei wird vom griechischen politeía (Staat) abgeleitet, und man verstand bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die gesamte innere Verwaltung darunter – sei sie nun städtisch oder staatlich. Sie wurde mit dem Begriff res politicae erfaßt, um sich von der res ecclesiasticae, der kirchlichen Verwaltung, zu unterscheiden.
Das Wort entstand um 1500 in Frankreich und beschrieb die Gesamtheit derjenigen Behörden, die die Aufgabe hatten, Störungen der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, Wohlfahrt und Ordnung entgegenzutreten. Nach der Reichspolizeiordnung von 1530 hatten die Behörden nicht nur Sicherheit und Ordnung herzustellen, sondern auch Sittenlosigkeit und Luxus einzudämmen sowie den Volkswohlstand zu heben. Aus diesem umfassenden Aufgabenverständnis leitete sich die Auffassung ab, daß die Behörden in alle Bereiche des Lebens gewaltsam eindringen dürften. Seit dem 17. Jahrhundert, als das Heerwesen, die Justizapparate und andere Behörden aufgebaut wurden, verstand man dann unter Polizei die innere Verwaltung im weitesten Sinne. Der Bogen reichte von Markt-, Gassen-, Armen-, Gesundheits-, Veterinär- und Baupolizei bis zur Sicherheitspolizei.
Der Bau der Festung Berlin hatte eine neue Institution geschaffen, der alle Bewohner – Bürger, Soldaten, Eximierte und Kolonisten – unterstanden: den Gouverneur der Festung. Er nahm allen innerhalb der Festungsmauer wohnenden Personen gegenüber eine gebietende Stellung ein. Ihm war bereits vor dem Bau der Festung ein Teil der Baupolizei übertragen worden, denn er hatte darüber zu wachen, daß Neubauten nicht die Anlagen und die Funktion der Festung beeinträchtigen. Ihm oblag die Erteilung von Bauerlaubnissen. Dem Gouverneur wurde nach und nach die Polizeigewalt in Berlin übertragen. Damit verbunden war die Aufstellung eines Haushaltes für diese Funktion, denn die Kosten für die Ausübung der Polizeigewalt durch den Gouverneur mußte der Landesherr übernehmen, da der Gouverneur als kurfürstlicher Beamter nicht in Abhängigkeit von den Stadtmagistraten geraten durfte.
Die Einrichtung der Garnison und die Zuwanderung hatten das städtische Armenwesen belastet. Soldatenfamilien, Invaliden und verarmte Einwanderer vermehrten die Zahl der Armen und trieben die Kosten in die Höhe. 1670 beantragte der Magistrat für derartige Aufgaben einen Zuschuß aus den kurfürstlichen Kassen. Der Kurfürst erkannte die Forderung an und übergab dem Gouverneur mit den Geldmitteln auch die Aufsicht. Ähnliches vollzog sich im Bereich des Wachtwesens. Dieses wurde vollständig dem Gouverneur unterstellt. Die Stadt hatte dafür die Kosten zu tragen. Immer weniger Bürger kamen ihrer Pflicht zur persönlichen Dienstleistung nach, sie stellten vielmehr Ersatzgelder, die der Magistrat einzog und von denen er die Mannschaft bezahlte. Die Unterbringung der Soldaten der Garnison war zunächst Sache des Magistrats gewesen, der die notwendigen Gelder – den Servis – einzog und die belegbaren Grundstücke angab. Auch dies wurde nach und nach dem Gouverneur übertragen. Ab 1680 flossen dem Gouverneur jährlich etwa 2000 Taler für Straßenreinigung, Pflasterweg, öffentliche Brunnen, Beleuchtung, Feuerlöschwesen und ähnliches zu. Damit erhielt er die Aufsicht über die Polizeigebiete. 4
Am 17. Januar 1709 erging das königliche »Rescript von Kombinierung der rathäuslichen Kollegien«, mit dem die Vereinigung der vier Magistrate zu einer Stadt befohlen wurde. Das alte Stadtrecht, wie es nach Herkommen und Rechtstiteln bestand, wurde beseitigt. Ohne Befragung oder Beratung setzte sich damit die unbeschränkte landesherrliche Gewalt gegenüber der Stadtgemeinde Berlin durch. In der Folgezeit wurden die Bereiche festgelegt, für die die Stadtgemeinde verantwortlich war: Kirchenwesen, Hospitäler, Schulen, städtische Gerichtspflege und Kämmereiverwaltung. Offen blieb beziehungsweise nicht eindeutig festgelegt wurde die Ausübung der Polizeigewalt und das Verhältnis zum Gouvernement sowie zur Hausvogtei (Gefängnis und Rechtsprechungsstätte).
1733 fing eine Kommission der kurmärkischen Kammer an, die städtischen Finanzen zu untersuchen, wobei sie sich vor allem mit dem Polizeiwesen befaßte. Sie stellte fest, daß es in der Stadt noch nicht einmal ein einheitliches Maß und Gewicht gäbe und keine Aufsicht über das Marktwesen ausgeübt würde. Daraufhin wurde am 16. Juli 1735 das »Patent über die Jurisdiktion in Polizeisachen in der Residenz« erlassen, das die Polizeigewalt des Magistrats auch auf die Eximierten und Soldaten ausdehnte. Das führte zur Trennung von Polizei- und Gerichtswesen und zur Ausformung der Polizeiverfassung. Zu den Aufgaben der Polizei rechnete man die Aufsicht über das Marktwesen einschließlich der Aufsicht über Maß und Gewicht, Vorkäuferei und Wirtshäuser. Hinzu kamen die Aufsicht über das Gesindewesen, das Feuerlösch- und Brunnenwesen, Pflaster und Brücken, Reinhaltung, Beleuchtung und Sicherheit auf den Straßen sowie die Sorge für die Sonntagsruhe.
Gegen diesen Schritt gab es Einwände des Gouvernements und aus den Kreisen der Eximierten, die sich nicht der Polizeibefugnis des Magistrats beugen wollten. Das Generaldirektorium, die 1723 gegründete oberste Innenbehörde des Staates, deren Mitglieder vom König ernannt wurden, entwarf deshalb eine Polizeiordnung, die am 20. Februar 1742 veröffentlicht wurde. Sie schuf die Behörde eines Polizeidirektors, der zugleich Stadtpräsident und wirkliches (nicht ehrenamtliches) Mitglied des Magistrats war. So war zwar die Verbindung zu den städtischen Behörden gewährleistet, aber dieser Polizeidirektor stand faktisch über dem Magistrat, denn er wurde vom König ernannt, also nicht gewählt, und seine vorgesetzte Behörde war das Generaldirektorium. Außerdem wurde der Sonderstatus der Eximierten aufgehoben. Hergestellt war damit die Einheitlichkeit bei der Ausübung der Polizeigewalt. Doch dem Magistrat war die Ausübung der Polizeigewalt genommen, denn der Polizeidirektor war Königlicher Beamter und beaufsichtigte den Magistrat. Dies Vorgehen war der entscheidende Schritt im Prozeß der Umwandlung zur Residenz. Die Polizei stellte die Einheitlichkeit des Handelns des Staates gegenüber den verschiedenen Rechtsgruppen dar, und sie war zum verbindenden Glied geworden.
Erster Polizeidirektor wurde Carl David Kircheisen, der in seiner Amtszeit zahlreiche Widerstände der Eximierten, die an ihren Privilegien festhalten wollten, beseitigte. Waren in Streitfälle aber Soldaten verwickelt, behielt der Gouverneur das Bestrafungsrecht bei polizeilichen Übertretungen. Was das bedeutete, soll ein Blick auf die Einwohnerzahlen Berlins erweisen: Im Jahre 1795 lebten 156 218 Menschen in Berlin, von denen 10 742 Bürger waren; unter den 183 960 Einwohnern im Jahre 1799 befanden sich 45 745 Militärpersonen.
Am 21. Februar 1747 trat eine Neuordnung der Verfassung der Stadt in Kraft, das »Rathäusliche Reglement der Residenzien Berlin«. Vorgesetzter des Magistrats wurde der Königliche Polizeidirektor, der zugleich Bürgermeister war. Er wurde vom König ernannt, während die anderen Mitglieder des Magistratskollegiums durch Wahl ergänzt wurden. Allerdings mußte der König die Wahl bestätigen. Das Wahlrecht blieb zwar unangetastet, aber der König behielt sich die Zuteilung der Ressorts, ja sogar die Bestätigung der Höhe des Gehaltes der Magistratsmitglieder vor.
Kompliziert blieb die Unterstellung unter die Behörden, die die Staatsaufsicht über die Stadt Berlin ausübten. Der Stadtpräsident – zugleich Polizeidirektor – unterstand dem Generaldirektorium, das die entscheidende Position in allen Finanzangelegenheiten der Stadt behielt. Die übrigen Amtsgeschäfte beaufsichtigte die Kurmärkische Kammer, die sich nach und nach in alle Angelegenheiten der Stadt einmischte und den »Magistrat selbständiger Handlungen entwöhnte«. 5
Über diese Struktur mischte sich der König immer stärker und häufiger direkt in die Angelegenheiten der Stadt ein; der Stadtpräsident hielt als Polizeidirektor beim König Vortrag über die Geschäfte der Berliner Stadtverwaltung. So verschwand einerseits jede selbständige Mitwirkung der Bürger Berlins an ihren ureigensten Geschäften, und andererseits nahm die Stadt mehr und mehr den Charakter einer königlich verwalteten und vom Hofe abhängigen Gemeinde an.
Bei den gewählten und bestätigten Mitgliedern des Magistratskollegiums verblieben das Stadtgericht, das Patronat über die Kirchen und das Innungswesen. Das Armenwesen der Stadt verwaltete die Königliche Armendirektion, während die gesamte Polizeiverwaltung aus der Verantwortung des Magistrats völlig ausschied. Diese Struktur von Polizeiverwaltung und Verfassung der Stadt Berlin hielt sich bis zum Jahre 1806.
Entsprechend ihrem Selbstverständnis als Sicherheitsbehörde hatte die Polizei einerseits Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung vorzubeugen, Straftaten zu verfolgen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen sowie Gefahren für den einzelnen