Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung

Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart - v.-Hinckeldey-Stiftung


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und stand auf der Seite von General von Wrangel, der im November 1848 das Stadtzentrum Berlins besetzte und die Nationalversammlung auflöste. Bezeugt ist jedoch auch, daß er den Sinngehalt einiger, allerdings nicht genuin politischer Forderungen der Barrikadenkämpfer des Jahres 1848 anerkannte. Er wollte seine Möglichkeiten nutzen, schob alles Hinderliche beiseite und begann in seinem Tätigkeitsbereich – eben Polizei nach damaligem Begriff –, die notwendigen Veränderungen, sprich kommunale Verbesserungen, herbeizuführen. Er organisierte die gesamte Polizeiverwaltung Berlins um, damit ein Beispiel für andere größere Städte gebend.

      Der erste Schritt war bereits mit der Bildung der Schutzmannschaft (23. Juni 1848) getan worden. 13

      Hinckeldey reorganisierte sie und richtete die Exekutive militärisch aus, um ein schlagkräftiges Instrument gegen mögliche Unruhestifter zu haben. Dann aber folgten die ersten Schritte zur Modernisierung der städtischen Infrastruktur: reorganisierte Straßenreinigung, Einrichtung von öffentlichen Speise-, Wasch- und Badeanstalten, Eröffnung der ersten Herberge für stellungslose weibliche Dienstboten, Reform der Gefängnisse in Berlin, Aufbau der Wasserversorgung von Berlin, Vorantreiben der öffentlichen Beleuchtung der Stadt, Aufbau einer Feuerwehr, die dann in Berlin als besonders mustergültig galt, Vernetzung – um den modernen Begriff zu gebrauchen – der Polizeistationen und der Feuerwehr durch Telegraphie, Einführung des Kooperationszwanges für die Berliner Fabrikarbeiter (1853), allerdings mit dem Verbot der politischen Betätigung, und Vorbereitung der Fluchtliniengesetzgebung.

      Dem gegenüber stand die Bildung der Geheimpolizei, aus der später die Politische Polizei hervorging. Ein Netz polizeilicher Überwachung, von Spitzeln unterstützt, überzog ganz Berlin, und das Ziel der Politischen Polizei war es nicht nur, politische Gegner zu verfolgen, sondern sie zu vernichten. Es soll hier nicht der Vorwurf erhoben werden, daß eine Politische Polizei aufgebaut wurde, sondern daß sie versuchte, menschliche Existenzen zu zerstören, und daß Unschuldige eingesperrt oder aus dem Lande vertrieben wurden. Derartige Verfolgungen trafen insbesondere während der Zeit des Sozialistengesetzes (Versammlungs-, Organisations- und Publikationsverbot für die Sozialdemokratie 1878-90) viele Menschen.

      Mit den von Hinckeldey eingeleiteten Veränderungen begann ein Prozeß der Umgestaltung der Stadt, die sie zu einer der modernsten Europas machte. Der Verwaltungsorganismus konnte auf alle kommunalen Anforderungen meisterhaft reagieren. Wer die drei Verwaltungsberichte des Berliner Polizeipräsidenten aus der Zeit zwischen 1871 und 1914 zur Kenntnis nimmt, wird dem zustimmen können. Alles war für den Bürger in die Wege geleitet, alles klappte wie am Schnürchen – von der Sauberkeit der Straßen bis zur medizinischen Versorgung. Alles war überschaubar geworden und konnte nur noch besser werden. Auch Hinckeldey frönte – wie viele zu seiner Zeit – einem unbedingten Fortschrittsglauben, meinte aber, daß nur die königliche Verwaltung ihn wirklich durchsetzen könne.

      Vom 18. Jahrhundert bis zur Revolution von 1918/19 war das politische Denken in Deutschland von einem angenommenen Gegensatz zwischen »Staat« und »Gesellschaft« bestimmt. 14 Mit der Reform der Stadtverfassung hatte Freiherr vom und zum Stein im Jahre 1808 beabsichtigt, diese strikte Antimonie von Staat und Gesellschaft aufzulockern und die im städtischen Bürgertum vorhandenen Kräfte für die preußische Monarchie nutzbar zu machen.

      Somit entwickelte sich die kommunale Selbstverwaltung zu einem politischen Emanzipationsforum der auf staatlicher Ebene zunächst machtlos bleibenden gesellschaftlichen Kräfte. In seinem Stadtregiment sah das liberale Bürgertum über Jahrzehnte hin ein Unterpfand seiner Opposition gegen den Obrigkeitsstaat. Auch in Berlin nahmen die alteingesessenen liberalen Bürger die Selbstverwaltung als Möglichkeit wahr, bürgerlich-genossenschaftliches Selbstbewußtsein zu entwickeln und sich damit gegenüber dem zentralstaatlichen Absolutheitsanspruch abzugrenzen. Als mit der Reichsgründung von 1871 die Städte von bloßer Hoheits- und Vermögensverwaltung zur Leistungsverwaltung übergingen, war damit auch ein gesamtgesellschaftlicher Wandel verbunden. Mit dem neuen Selbstverständnis, Dienstleistungseinrichtung für die Bürger zu sein, übernahm die städtische Verwaltung – wie der Staat – zunehmend vorsorgende Aufgaben. Weil Staat und Gemeinde somit das gleiche Ziel – die Fürsorge für den Bürger – verfolgten, entschärfte sich der krasse Gegensatz zwischen beiden öffentlichen Verwaltungen; die Selbstverwaltung löste sich mehr und mehr aus der Oppositionsrolle, in die sie sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts begeben hatte.

      Das Verhältnis zwischen den beiden Machtfaktoren blieb in Berlin dennoch angespannt, hatte die Stadt doch die besondere Funktion einer Haupt- und Residenzstadt. Auseinandersetzungen zwischen städtischen Gremien und dem Herrscherhaus hatten bereits eine lange Tradition. Die preußische Regierung und das »Rote Rathaus« bildeten die beiden Kräfte, die in Widerstreit miteinander gerieten. Konservativer Politik auf der einen Seite standen bürgerliche Eliten, im linken Flügel des Liberalismus organisiert, gegenüber. Der König war bestrebt, über den Polizeipräsidenten großen Einfluß auf die städtische Politik zu behalten und sich Geltung in der Stadt zu bewahren. Von daher wurde die staatliche Aufsicht über die städtische Politik in Berlin sehr streng gehandhabt.

      Die kommunale Verwaltung befand sich in ständiger Auseinandersetzung mit staatlichen Behörden, so mit der Ministerial-, Militär- und Baukommission, der die fiskalischen Gebäude, Grünflächen und Wasserstraßen im Stadtbereich unterstanden. Angelpunkt des schwierigen Verhältnisses war die starke Stellung des Polizeipräsidenten. Er hatte die Polizeigewalt und besaß die Befugnisse eines Regierungspräsidenten. Als Vertreter der bürokratisch-konservativen Staatsgewalt natürlicher Gegner des Liberalismus der Selbstverwaltungsorgane, wirkte er als ein starker Rivale des Magistrats, mit dem er sich über Zuständigkeiten und seine Amtsführung stritt.

      Als erstes Beispiel für diese Auseinandersetzungen sei auf die Verwaltung der Straßen der Stadt verwiesen, die ja seit 1442 im Besitz des Landesherrn waren. Eine Königliche Kabinettsordre aus dem Jahre 1838 bestimmte, daß die vor dem 1. Januar 1837 innerhalb der Stadtmauer neu errichteten Straßen und Brücken weiter dem Fiskus gehörten und von ihm zu unterhalten seien. Alle nach diesem Zeitpunkt neu angelegten Straßen sollten von der Stadt unterhalten werden. Der Fiskus sicherte sich aber die Eigentumsrechte, das heißt, die Stadt trug die Kosten und die Verantwortung, das Verfügungsrecht indes blieb ihr versagt. Nach langen Verhandlungen kam es im Dezember 1875 zu einer neuen Einigung, laut der die Verwaltung und der Unterhalt aller öffentlichen Straßen, Plätze und Brücken in die Hände der Stadt übergingen.

      Als »spektakulärste Form staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten« auf die städtische Selbstverwaltung galt das Recht des Königs, die kommunalen Spitzenbeamten, den Oberbürgermeister, zu bestätigen. 15 In der preußischen Haupt- und Residenzstadt wurde dieses Genehmigungsverfahren zur Kraftprobe zwischen König und städtischem Selbstbewußtsein; überliefert sind die geduldigen Worte des Berliner Oberbürgermeisters Martin Kirschner, dem der König lange Zeit die Bestätigung vorenthielt: »Ich kann warten!« 16

      Der Kirchbaulaststreit am Ende des 19. Jahrhunderts zeigte dann das gewonnene Selbstbewußtsein der Kommune, dokumentierte zugleich aber auch, daß es um mehr als eine Auseinandersetzung zwischen Magistrat und Polizeipräsidium ging. Der Streitpunkt war die Finanzierung des Neubaus von evangelischen Kirchen in der immer größer werdenden Stadt. Die Stadt war fest entschlossen, sich nicht den kirchlichen Forderungen nach Finanzierung des Kirchenbaus zu fügen, zog vor die Gerichte und bekam sowohl vom Kammergericht (13. März 1903) als auch vor dem Reichsgericht (13. Juni 1904) Recht. Damit war die anstehende Trennung allgemein-öffentlicher und kirchlicher Belange, die sich im Zuge der Modernisierung in der gesamten deutschen Gesellschaft herauskristallisierte, frühzeitig und punktuell für die Stadt Berlin vollzogen.

      All diese Entwicklungen vollzogen sich schrittweise und waren von Konflikten zwischen Magistrat und Polizeipräsidium begleitet. Die Novemberrevolution von 1918 beziehungsweise die Ausrufung der Republik hatte eine Entschärfung des Konflikts zur Folge. Denn die einstigen Streitpunkte wurden unbedeutend, da die Sicherung der königlichen/kaiserlichen Macht als Aufgabe wegfiel und die Widersprüche der Gesellschaft sich in andere Bereiche verlagerten. Gegenüber der Stadt behielt das Polizeipräsidium als Staatsaufsichtsbehörde zwar die überragende Stellung, aber das Präsidium beschränkte sich immer mehr darauf, nur Aufsichtsbehörde zu sein. Zahlreiche Aufgaben gingen in die städtische Verwaltung über, wie die Baupolizei,


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