Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung
und Polizeireviere mit dem nötigen Schutz- und Kriminalpolizeipersonal besetzt, so daß die Bevölkerung, die Hilfe oder Rat sucht, sich an die Polizei wenden kann. Außerdem arbeitet schon die zentrale Verwaltung, die sich im Polizeipräsidium befindet. Doch soll man nicht vergessen, daß die Polizei erst vor einigen Tagen gebildet wurde und daß zur Schaffung der nötigen Exaktheit der Arbeit erst bestimmte Schwierigkeiten, die mit den allgemeinen Zerstörungen der Stadt verbunden sind, überwunden werden müssen. Ich hoffe, daß zur Überwindung dieser Schwierigkeiten der Polizeiapparat auf die Unterstützung aller Kreise der Bevölkerung der Stadt rechnen kann. Ich und meine Mitarbeiter sind unsererseits bereit, der Bevölkerung die nötige Hilfe und den nötigen Schutz vor den Übertretern der Ordnung zu leisten. Das Polizeipräsidium befindet sich jetzt in Berlin N 4, Linienstraße 83-85. Die Polizeireviere befinden sich in den alten Gebäuden, die der Bevölkerung bekannt sind. Die Adressen der neuen Polizeireviere werden in der Zeitung veröffentlicht.
Der Präsident des Polizeipräsidiums
der Stadt Berlin
gez. Oberst Markgraf.
Probleme mit der Uniformierung
Die Polizeianwärter versahen ihren Dienst zunächst gänzlich unbewaffnet und in bürgerlicher Kleidung, nur eine Armbinde machte ihre Funktion kenntlich. Obwohl aus dem Befehl über die Aufstellung der uniformierten Polizei hervorging, daß die bis 1933 übliche Uniform eingeführt werden sollte, wurden Ende Mai/Anfang Juni 1945 die vorhandenen Bestände der grünen Dienstbekleidung der Ordnungspolizei ausgegeben, die bis zum 2. Mai 1945 in Gebrauch gewesen waren. Die nationalsozialistischen Hoheitszeichen wurden natürlich vorher entfernt. Die Beschaffung des erforderlichen blauen Uniformtuches war zunächst unmöglich.
Alle Polizeiangehörigen galten als Polizeianwärter. Schulterstücke und Dienstgradabzeichen gab es nicht. Die mit leitenden Aufgaben betrauten Polizeiangehörigen hatten lediglich das Recht, an der Mütze eine Silberkordel zu tragen und Offiziersspiegel anzulegen. Die übrigen Polizeikräfte trugen Mannschaftsspiegel.
Personalpolitik im Zeichen der sowjetischen Besatzungsmacht
Der am 17. Mai 1945 vom sowjetischen Militärkommandanten ernannte Magistrat der Stadt Berlin war politisch einseitig zusammengesetzt. Von 18 Stadträten gehörten neun der KPD an, die anderen standen ihr nahe. Als Oberbürgermeister setzte die sowjetische Besatzungsmacht Dr. Arthur Werner ein, der vor 1933 Regierungsbaumeister gewesen war. Warum die Wahl gerade auf den bis dahin unbekannten Mann fiel, blieb bis heute ungeklärt.
Bereits im Juni 1945 gab der Magistrat eine Verlautbarung heraus, laut der das Beamtenrecht abgeschafft war und alle im öffentlichen Dienst der Stadt Berlin stehenden Kräfte arbeitsrechtlich als Angestellte behandelt wurden. Das galt auch für die Angehörigen der Polizei.
Nachdem die Anfangsschwierigkeiten in den Mai- und Junitagen 1945 überwunden worden waren, vollzog sich der organisatorische und personelle Aufbau der Polizei in enger Anlehnung an die Strukturen, die während der Weimarer Republik bestanden hatten. Das Polizeipräsidium umfaßte die drei Sparten Verwaltung, Schutzpolizei und Kriminalpolizei. Die 21 Polizeiinspektionen (später zwanzig) mit je einem Verkehrskommando sowie die 159 Polizeireviere und 13 Revierzweigstellen unterstanden unmittelbar dem Kommando der Schutzpolizei. Darüber hinaus erfolgte die Errichtung einer Wasserschutzpolizeiinspektion mit vier WS-Revieren, einer Bereitschaftsinspektion mit vier Bereitschaften und einer Präsidialbereitschaft.
Die Angehörigen der Bereitschaftsinspektion wurden in der Polizeikaserne in Berlin-Mitte, Kleine Alexanderstraße 21-24, untergebracht und waren verpflichtet, an der Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen. Im Außendienst eingesetzte Polizeiangehörige bekamen die Lebensmittelkarte I (Schwerarbeiter); den im Innendienst beschäftigten Kräften wurde dagegen nur die Lebensmittelkarte II (Arbeiter) zugestanden.
In der Kleinen Alexanderstraße befanden sich auch die Diensträume des Kommandos der Schutzpolizei. Zum ersten Kommandeur der Schutzpolizei wurde Polizeimajor Karl Heinrich berufen. Er hatte bereits nach dem Ersten Weltkrieg der Schutzpolizei Berlin angehört. Der pflichtbewußte Polizeioffizier und aufrechte Sozialdemokrat war 1932 zum Leiter der Polizeiinspektion Mitte (»Linden«) aufgerückt. Als im gleichen Jahre Franz von Papen Reichskanzler wurde, kam es zu Spannungen. Heinrich nahm seinen Abschied. Wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus wurde er nach 1933 politisch verfolgt und längere Zeit inhaftiert. Seine starke Persönlichkeit beeindruckte selbst die Verantwortlichen der sowjetischen Besatzungsmacht, die sonst gegen Sozialdemokraten meist Einwände erhoben. Im Falle des Polizeimajors Heinrich machten sie jedoch eine Ausnahme und bestätigten ihn als Kommandeur der Schutzpolizei.
Heinrich zog als engere Mitarbeiter mehrere Polizeioffiziere heran, die 1933 aus dem Polizeidienst entfernt worden waren, und setzte sie unter anderem als Leiter der Organisationsabteilung, der Abteilung Verkehrswesen, der Polizei-Abteilung und der Abteilung Erziehung-Unterricht-Sport im Kommando der Schutzpolizei ein.
Auf die Besetzung der Posten des stellvertretenden Kommandeurs und des Leiters der Personalabteilung konnte er jedoch keinen Einfluß nehmen. Beide Positionen wurden mit 1933 aus dem Polizeidienst entlassenen Polizeiwachtmeistern besetzt, die der kommunistischen Ideologie anhingen und es als ihre wichtigste Aufgabe ansahen, Anhänger der KPD in den Polizeiapparat zu bringen. Rudolf Wagner als stellvertretender Kommandeur und Hans Seidel als Leiter der Personalabteilung arbeiteten mit den einseitig nach politischen – das heißt kommunistischen – Gesichtspunkten ausgewählten Inspektionsleitern und Reviervorstehern eng zusammen.
Es war daher für Heinrich vom ersten Tage an sehr schwierig, seiner Auffassung über den Neuaufbau der Schutzpolizei die erforderliche Geltung zu verschaffen. Hierbei muß in Betracht gezogen werden, daß alle organisatorischen Maßnahmen ohne die im Kampf um Berlin zerstörten oder verlorenen Unterlagen und Hilfsmittel getroffen werden mußten. Um so größer waren die Anstrengungen der Abteilungsleiter des Kommandos.
Berlin wird Vier-Sektoren-Stadt
Bereits während des Zweiten Weltkrieges hatten die Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition (UdSSR, USA und Großbritannien) weitreichende Beschlüsse hinsichtlich der Zukunft Deutschlands und seiner Hauptstadt gefaßt.
So war für Berlin eine Viermächte-Verwaltung vorgesehen (gemäß der Londoner Protokolle vom 12.9. 1944, der Zusatzvereinbarung vom 14.11.1944 und der Konferenz von Jalta vom 3.–11.2. 1945). Ende Juni/Anfang Juli 1945 übergab die sowjetische Militäradministration daher vereinbarungsgemäß zwölf der zwanzig Berliner Verwaltungsbezirke an die amerikanischen und britischen Streitkräfte. Kurze Zeit danach rückten entsprechend dem Zusatzabkommen vom 1. und 2. Mai 1945 auch französische Truppen in Berlin ein, die mit Wedding und Reinickendorf zwei der zwölf Westbezirke erhielten. Die Alliierte Kommandantur Berlin nahm am 11. Juli 1945 ihre Tätigkeit auf.
Innerhalb der Kommandantur wurde ein Komitee für öffentliche Sicherheit (Public Safety Committee) gebildet, das die Aufsicht über die Polizei ausübte. Sicherheitsoffiziere überwachten bei den Polizeiinspektionen die Arbeit der Schutzpolizeidienststellen.
Es zeigte sich, daß jede Besatzungsmacht andere Vorstellungen vom Polizeiwesen hatte. Das wirkte sich in den einzelnen Sektoren bald deutlich sichtbar aus.
Polizeikommandeur Heinrich verschwindet
Am 2. August 1945 trat ein für die Schutzpolizei außergewöhnliches Ereignis ein, dessen Hintergründe erst nach Jahren ans Licht der Öffentlichkeit kommen sollten. Polizeipräsident Markgraf hatte an diesem Tage den Kommandeur der Schutzpolizei zu sich bestellt. Von dieser Dienstbesprechung kehrte Heinrich jedoch nicht mehr zurück. Polizeipräsident Markgraf verweigerte jede Auskunft, obwohl er wußte, daß der Kommandeur von den sowjetischen Besatzungsbehörden festgenommen und abtransportiert worden war. Erst am 31. März 1948 berichtete die britisch lizensierte Zeitung »Telegraf« über das Schicksal Heinrichs, der in einem Lager umgekommen war.
Der Vorgang ist bezeichnend dafür, unter welchen Bedingungen die mit leitenden Aufgaben betrauten Polizeiangehörigen während dieser Zeit in Berlin