Makarios. Manfred Engeli
Die Kunst der kleinen Schritte
Liebe Leserin, lieber Leser!
Anleitung zum Unglücklichsein ist der provokative Titel eines Buches von Paul Watzlawick. Diese Kunst beherrschen wir Menschen auch ohne große Anleitung und wir geben sie von Generation zu Generation weiter. Sie hat natürlich eine Ursache, und der hat Gott den Kampf angesagt. Er will uns die Kunst lehren, durch die Beziehung mit ihm glücklich zu sein. Das Glück, das er für uns bereithält, wird im Neuen Testament mit dem griechischen Wort makarios ausgedrückt (zum Begriff siehe Anhang).
Heute würde ich mich makarios nennen. Das war nicht immer so. Während vieler Jahre waren meine Erfahrungen und unser Weg mit Gott als Ehepaar und Familie zunächst durch glückliche Umstände und auch äußerlich sichtbaren Segen geprägt. Dann gerieten wir in die Hitze des Schmelzofens des Leidens: Unser dreißigjähriger Sohn David, der in Frankreich an seiner ersten Pfarrstelle war, erkrankte und starb an einem Krebsleiden. Wenig mehr als ein Jahr später wurde bei mir ein weit fortgeschrittener, äußerst aggressiver Krebs diagnostiziert – ohne medizinische Chance auf Heilung. Bei mir hat Gott eingegriffen und ich lebe! Was für uns als Ehepaar und für unsere Kinder durch diesen zweimaligen Weg des Leidens bewirkt wurde, ist menschlich gesehen unlogisch und unerklärbar. Leiden und Not haben uns nicht von Gottes Liebe getrennt – wir haben seine Güte, Barmherzigkeit und Gnade noch viel tiefer erlebt und sind heute mehr makarios als jemals zuvor.
In diesem Buch findet unser Weg mit Gott seinen Ausdruck; es ist aber auch die Frucht meiner mehr als zwanzigjährigen psychotherapeutischen Erfahrung auf der Grundlage des christlichen Glaubens – ich bezeichne diese Tätigkeit im Folgenden als Seelsorge. Für mich ist die Bibel die Wahrheit, das vertrauenswürdige Wort Gottes, das in seinem Gesamtzeugnis eine Einheit bildet; sie ist die ursprüngliche und eigentliche Quelle der Erkenntnis. Durch sie schließt Gott uns alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis auf, die in Christus verborgen sind (vgl. Kol 2,3). Da ich in meinem eigenen Leben und in der seelsorgerlichen Arbeit erfahren habe, dass Gottes Wort außerdem eine Kraft ist, die uns verändert, schäme ich mich des Evangeliums nicht (vgl. Röm 1,16).
Was mir in den biblischen Aussagen jeweils auffällt und wichtig wird, hat sicher mit meiner eigenen Erfahrung als Mensch zu tun, aber auch mit dem Blickwinkel des Psychologen und des Seelsorgers. Ich habe entdeckt, dass die Bibel höchste Relevanz besitzt für das menschliche Leben.
Weshalb schreibe ich dieses Buch? Es geht mir um mehr als nur darum, meine Entdeckungen mit Ihnen zu teilen. Jesus sagt: Mein Vater wirkt bis jetzt (Joh 5,17). Ich habe erfahren, dass dies auch heute noch stimmt. Wenn Sie ihm eine Chance geben bei der Lektüre dieses Buches, werden Sie sein Wirken erfahren. Gewisse Bibeltexte, einzelne Aussagen, vielleicht eine Abbildung werden Ihr Herz ansprechen, denn Gott will zu unserem Herzen reden. Wenn Sie wahrnehmen, dass das geschieht, sollten Sie innehalten und dem, was in Ihnen bewegt wird, nachgehen. Vielleicht ergibt sich daraus eine Bitte an Gott – oder ein Schritt im Gebet. Es kann hilfreich sein, diese inneren Erfahrungen und das, was im Alltag daraus wird, aufzuschreiben – zum Beispiel in einem Lese-Tagebuch; oder Sie finden eine andere Ihnen entsprechende Art, um nicht zu vergessen, was Gott Ihnen Gutes getan hat (vgl. Ps 103,2).
So bitte ich denn: Gott segne Sie durch die Lektüre dieses Buches! Er schenke Ihnen eine geschärfte innere Wahrnehmung für das Neue, das er in Ihnen bewirkt:
Denkt nicht an das Frühere,
und auf das Vergangene achtet nicht!
Siehe, ich wirke Neues!
Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?
Ja, ich lege durch die Wüste einen Weg,
Ströme durch die Einöde (Jes 43,18–19).
1 Gott will unser Glück
Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun
(Jer 32,41 | LU).
Wenn mein leiblicher Vater das zu mir gesagt hätte, hätte ich das ernst genommen. Vielleicht hätte ich mich bei einigen seiner Handlungen und Entscheidungen gefragt, worin das Gute nun bestehen könnte. Vielleicht hätte ich auch einmal aus Unverständnis den Kopf geschüttelt; aber daran gezweifelt, dass er es ehrlich meint, hätte ich nicht.
Doch hier ist es der liebende himmlische Vater, der uns das sagt. Gott kann ja nicht lügen.
Aber erleben wir das tatsächlich so? Entspricht das unserer Erfahrung? Ist unser Gott ein liebevoller Vater, der Freude daran hat, uns mit Gutem zu beschenken? Die Sehnsucht nach einer liebenden Beziehung zu Gott als unserem Vater und dem uns verheißenen Glück ist tief eingeschrieben in unseren Herzen. Eigentlich wissen wir, dass dies unsere wahre Bestimmung ist. Aber die Realität unseres Lebens ist oft weit davon entfernt. Weshalb? Was können wir hier tun?
Gottes Weg zur Sohn- und Tochterschaft
Für den Weg zu unserer eigentlichen Bestimmung kommt Jesus Christus eine Schlüsselrolle zu. Er sagt von sich selbst:
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Niemand kommt zum Vater als nur durch mich (Joh 14,6).
Ihn, seinen geliebten Sohn, hat der Vater auf die Erde gesandt, um die Menschen mit sich zu versöhnen, sie aus der Herrschaft des Bösen zu befreien und die Macht des Feindes zu brechen. Allen, die ihn in ihr Leben aufnehmen, gibt er das Recht, Kinder Gottes zu werden (Joh 1,12). Sie können Gott als Vater finden und als Söhne oder Töchter Gottes leben. In Jesus Christus überwindet Gott die zerstörerischen Folgen des Sündenfalls und macht eine neue Schöpfung:
Wir sind sein Gebilde,
in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken,
die Gott vorher bereitet hat,
damit wir in ihnen wandeln sollen (Eph 2,10).
Es beeindruckt mich, wie leicht es der Vater seinen Kindern machen will: Er schafft sie nicht nur neu und befähigt sie dadurch, liebesfähig zu werden und Gutes zu tun; er bereitet auch alles für sie vor, sodass sie in die vorbereiteten Werke nur noch einzutreten brauchen. Zur Neuschöpfung gehört auch, dass Gottes Geist in ihnen Wohnung nimmt, ihre Herzen mit Frieden erfüllt (vgl. Joh 14,26f) und sie in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes hineinführt (vgl. Röm 8,21 | LU). Wir erkennen, dass der Vater seinen Söhnen und Töchtern wirklich Gutes tun und sie glücklich machen will. Gott wünscht sich, dass wir makarios werden.
Die Größe seines Angebots wird uns erst richtig bewusst, wenn wir es mit der Realität vergleichen, die wir erleben: Wir empfinden das Leben oft als mühseligen Kampf; es gibt so viel Stacheliges in unseren Beziehungen; wir sind bedrängt