Karins neuer Vater. Alrun von Berneck

Karins neuer Vater - Alrun von Berneck


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aber glaubt, die Dinge nach seinem Geschmack zurechtbiegen zu können, verbrennt sich zumeist die Finger und bürdet sich viel Kummer und Enttäuschung auf. Margot Fuhrmann war klug und ließ alles treiben.

      Zur Verlobung bekam sie dann eine Einladung und den Ehrenplatz an der Seite von Elsbeths Verlobtem, bei der Hochzeit war sie sogar Brautführerin, und die alte Vertrautheit kehrte für kurze Stunden zurück. Dann aber verloren sie sich fast aus den Augen, obwohl sie in der gleichen Stadt, wohnten. Elsbeth ging ganz auf in ihrem jungen Glück, und Margot mußte daran denken, ihre Arztpraxis einzurichten.

      Und dann traf Elsbeth nach dreijähriger, überaus glücklicher Ehe der furchtbare Schicksalsschlag. Ihr Mann wurde am Steuer seines Wagens von einem betrunkenen Lastwagenfahrer gerammt und gegen eine Hauswand gedrückt. Er war sofort tot. Durch einen reinen Zufall erfuhr Margot von dem Unfall und fuhr noch in der gleichen Stunde zu Elsbeth, die völlig zusammengebrochen war. Und in dieser Stunde der Not wußte sie plötzlich, daß die alte Freundschaft nicht die geringste Einbuße erlitten hatte.

      Von nun an kamen sie öfter zusammen, und immer fester schloß sich Elsbeth an die Freundin an.

      So verschieden die beiden jungen Frauen schon äußerlich waren, so ungleich waren sie auch im Charakter. Die schlanke, schwarzhaarige Margot Fuhrmann war von auffallender, herber Schönheit. Aber seltsamerweise wirkte sie nicht allzu sehr auf Männer, weil sie den Herren der Schöpfung zu selbstsicher im Leben stand und mit überlegener Ironie alle Situationen zu meistern wußte. Die blonde Elsbeth dagegen, jetzt als Frau noch schöner als damals, da sie noch ein junges Mädchen war, neigte ein wenig zur Vollschlankheit, was ihrer Figur und ihrem ganzen Aussehen einen gewissen sinnlichen Reiz verlieh, der zwar den Männern gleich angenehm in die Augen stach, dessen sich Elsbeth selbst aber glücklicherweise keineswegs bewußt war. Als echte Frau war sie weich und anlehnungsbedürftig und nicht immer sicher in ihren Entschlüssen und Entscheidungen.

      Die junge Ärztin die wieder auf die Straße zu ihrem Wagen zurückgekehrt war, überlegte angestrengt, wie sie der Freundin helfen konnte.

      Mit ihrer Mutter schien sich Elsbeth also nicht mehr so gut zu verstehen wie in der Zeit ihrer Ehe, eine andere Freundin hatte sie nicht. Da war es wohl nicht mehr als recht und billig, wenn sie Elsbeth jetzt zur Seite stand und ihr half, die Schwierigkeiten des Lebens zu überwinden. Doch wie sollte diese Hilfe aussehen? Das war so schnell nicht zu entscheiden.

      Sie war noch tief in Gedanken versunken, als sie Elsbeth mit hastigen Schritten auf sich zukommen sah.

      „Entschuldige bitte, Margot, wenn ich dich warten ließ!“

      „Aber Elsbeth, da gibt es doch nichts zu entschuldigen!“ wehrte die Ärztin heftig ab. „Ich habe gern auf dich gewartet. Und außerdem habe ich heute ausnahmsweise einmal sehr viel Zeit!“

      „Du willst mich also wirklich in die Stadt zurückfahren?“

      „Und bei dir noch ein Stündchen plaudern, wenn es dir recht ist!“

      „Das ist lieb von dir!“ antwortete Elsbeth und wischte sich die letzten Tränenspuren vom Gesicht. „Voher müssen wir aber eben bei Mama vorbeifahren und Karin abholen! Das macht dir doch nichts aus?“

      „Gut, fahren wir über Uhlenhorst zurück!“ stimmte die Ärztin sofort zu. „Das ist ja schließ lieh kein Umweg!“

      Sie stiegen ein und fuhren den gleichen Weg zurück, bis sie am Osterbekkanal rechts abbiegen mußten, um zur Villa von Frau Jakobsen zu gelangen. Während der Fahrt war Elsbeth sehr schweigsam, und Margot störte sie nicht in ihren Gedanken. Die Ärztin hatte größtes Verständnis dafür, daß die Freundin sich erst wieder zurechtfinden mußte. Die Erinnerungen, die am Grabe ihres Gatten auf sie eingestürmt waren, mußten erst wieder abklingen.

      Hin und wieder warf die Ärztin einen Blick nach rechts, wo sich Elsbeth in die Polster geduckt hatte und starr geradeaus sah. Die junge Frau tat ihr leid, zumal in ihrem jetzigen Stadium, wo sie anscheinend mit sich selbst nicht fertig wurde und bei ihrer Mutter auch keine Hilfe fand. Wenn Margot nur gewußt hätte, wie sie ihr helfen konnte!

      Als sie vor der Villa Jakobsen vorfuhren, sagte Elsbeth:

      „Kommst du mit hinein, Margot? Meine Mutter wird sich sicher freuen, wenn sie dich einmal wiedersieht!“

      „Lieber nicht, Elsbeth! Wenigstens nicht heute. Wir würden uns nur zu lange aufhalten. Wenn du allein gehst, wird sie dich sicher bald wieder ziehen lassen.“

      „Hast recht, Margot!“ sagte Elsbeth nach kurzem Überlegen und stieg dann aus. „Ich, werde mich auf jeden Fall beeilen!“

      Schon nach knapp zehn Minuten kam sie zurück. An der Hand führte sie ihr Töchterchen Karin, das der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war, nur daß die kindlichen Züge noch unausgeprägt und noch nicht vom Leben gezeichnet waren.

      „Siehst du, Karin, jetzt fahren wir mit Tante Margot Auto! Freust du dich auch darauf?“

      Ganz gegen ihre Gewohnheit nickte die Kleine nur. Elsbeth öffnete die Wagentür und sagte:

      „Gib Tante Margot die Hand, Karin!“

      Die Kleine reichte der Fahrerin ihr Patschhänd chen und sagte artig:

      „Guten Tag, Tante Margot!“

      „Du möchtest also mit uns Auto fahren, Karin?“ fragte die Ärztin und beugte sich weit vor. Dann hielt sie das Händchen der Kleinen für einen Augenblick fest. Sie stutzte und sah dem kleinen Fräulein aufmerksam ins Gesicht. Dann wandte sie sich an Elsbeth:

      „Fühlt sich Karin nicht wohl, Elsbeth?“

      „Wieso meinst du das, Margot? Die Kleine wird müde sein, sie hat den ganzen Tag bei der Omi gespielt!“

      „Aha!“ sagte die Ärztin nur. Aber plötzlich war Elsbeth mißtrauisch geworden, hastig fragte sie:

      „Oder meinst du ...?“

      „Nein, nein, ich meine gar nichts!“ beruhigte sie Margot. „Ich dachte nur ..., mir fiel bloß auf, daß sie so ruhig ist. Aber ich irre mich wohl. Schließlich habe ich sie ja wochenlang nicht gesehen!“

      „Monatelang!“ verbesserte Elsbeth mit leisem Vorwurf in der Stimme. „Du bist mindestens zwei Monate lang nicht bei mir gewesen, Margot!“

      „Darum habe ich mir auch heute Zeit genommen, Elsbeth! Wir werden sicher eine ganze Menge zu erzählen haben!“

      Als sie in Harvestehude ankamen, hatte Karin durchaus nicht den Wunsch, die Fahrt noch ein wenig auszudehnen. Sie wollte unbedingt ins Haus. Aber Elsbeth fiel das nicht weiter auf.

      Elsbeth begab sich sofort in die Küche, um das Abendbrot zu bereiten und Tee aufzuschütten. Margot bekümmerte sich um die kleine Karin, die sich zutraulich zu ihr auf die Couch gesetzt hatte. Das Mädelchen wußte ganz genau, daß es noch ein Weilchen aufbleiben durfte, wenn die Tante zu Besuch gekommen war. Aber im Gegensatz zu früheren Unterhaltungen zwischen den beiden war Karin heute keineswegs gesprächig. Als die Ärztin wie zufällig noch einmal nach ihrer Hand griff, stellte sie fest, daß die Kleine Temperatur hatte. Und mit der kundigen Hand der Ärztin fühlte sie auch sogleich den Puls.

      Da bin ich ja zur rechten Zeit gekommen, sagte sie zu sich selber, die Kleine muß sofort ins Bett! Sie wartete nicht ab, bis Elsbeth aus der Küche kam, sondern erhob sich und ließ Karin einige Augenblicke allein. Die Kleine blieb artig in ihrer Couchecke sitzen.

      „Sag mal, Elsbeth“, fragte sie vorsichtig, „fällt dir an Karin heute wirklich nichts auf?“

      „Nur das eine, daß sie müde ist! Oder glaubst du ...?“

      „Ich halte es für richtiger, du steckst sie erst ins Bett, Elsbeth! Um das Essen werde ich mich inzwischen bekümmern!“

      „Du meinst, weil sie sich müde gespielt hat?“ fragte Elsbeth. Der Ausdruck der Besorgnis in ihrem Gesicht verstärkte sich.

      „Nein, nicht nur darum, Elsbeth!“ sagte Margot langsam. „Als wir vorhin ausstiegen, gefiel mir das Aussehen


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