Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder  Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl


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und entsicherte die Waffe. Frost verstand. Sie würden es drauf ankommen lassen und zuerst schießen. So hätten sie wenigstens eine Chance.

      Die Bahn bimmelte, das Zeichen, dass sie gleich die Station erreichten. Frost zog ihre Waffe aus dem Gürtel und versicherte sich, dass sie geladen war. Einige der Mitfahrenden beäugten sie argwöhnisch und rückten zur Seite.

      Die Verfolger warteten nicht darauf, dass die Bahn anhielt. Der erste Schuss fiel überraschend laut und ließ die Heckscheibe bersten. Die Menschen im Wagen schrien auf und zogen die Köpfe ein. Frost lehnte sich sogleich aus der Tür und schoss zweimal zurück. Payne streckte den Arm aus der Heckscheibe und feuerte ebenfalls. Das Heulen und Knattern der Aetherbikes übertönte das Rattern der langsamer werdenden Straßenbahn.

      Immer wieder fielen Schüsse. Jeder, der konnte, verließ die Bahn und suchte das Weite. Frost lehnte sich keuchend neben Payne an die Seitenwand. Der Amerikaner zog sich aus der Heckscheibe zurück und lud die Waffe nach. »Einen habe ich erwischt«, sagte er.

      Blieb also noch einer übrig. Wer waren diese Männer? Gehörten sie zu diesem ominösen Russen oder zu Paynes Auftraggeber? Und was, zum Teufel, hatte der Pinkerton angestellt?

      »Frost?«

      »Ja?«

      »Ich glaube, wir sollten verschwinden.«

      Frost hob die Augenbrauen und schaute an Payne vorbei aus dem Heckfenster. Der übrig gebliebene Mann hatte sein Aetherbike in einiger Entfernung zwischen den Schienen abgestellt und blickte ihnen entgegen. Das Ding auf seiner Schulter ebenfalls.

      »Ist das eine Kanone?«

      »Das ist eine Kanone!«

      »Sie haben Recht, Payne. Verschwinden wir.« Frost drehte sich zu den Passagieren um. »Alle sofort raus aus der Bahn! Los, raus!«

      In dem Moment sprühten Funken über dem langen Rohr auf der Schulter des Verfolgers auf, und ein Donnern drang an ihre Ohren. Frost und Payne sprangen, zusammen mit einigen Passagieren, aus der Straßenbahn und warfen sich auf dem Gehweg neben der Station in den Schnee. Gleich darauf flog der hintere Teil des Wagens in die Luft. Frost presste sich die Hände auf die Ohren und kniff die Augen zusammen. Flammen schossen in die Höhe, gekappte Leitungen sprühten knisternde blaue Funken, und ein Schwall Hitze schoss über sie hinweg.

      »Alles noch dran?«, ächzte Frost und drehte sich auf die Seite. Payne nickte, doch er war ziemlich bleich im Gesicht. Sie half ihm auf die Beine. »Kommen Sie, ich kenne eine Abkürzung.«

      Das Aetherbike heulte hinter ihnen auf, als Frost und Payne die Straße entlangrannten. In der Mauer vor ihnen tauchte ein großes eisernes Tor auf. Frost musste kaum die Hand auf das Schloss legen, da sprang es auch schon auf. Hinter dem Tor breitete sich ein dunkler Park aus. Sie rannten über den Kiesweg und hielten sich in den Schatten zwischen den wenigen Aetherlaternen. Der Angreifer folgte ihnen auf dem Aetherbike durch das Tor. Im Rennen schaute Frost über die Schulter zurück.

      »Wehe, er wagt es, hier seine Kanone abzufeuern. Dieser Park ist denkmalgeschützt!«

      »Ihr Engländer seid komisch«, kommentierte Payne amüsiert, zuckte jedoch gleich darauf zusammen und presste die Hand wieder an die Seite.

      Sie erreichten die Mitte des Parks, wo sich ein gedeckter Pavillon befand. Im Licht der Aetherlaternen konnte Frost mehrere Schemen ausmachen. Vier Männer traten aus den Schatten heraus und stellten sich ihnen in den Weg. Ihre Gesichter waren eindeutig asiatisch geschnitten.

      Frost ächzte auf und blieb stehen. »Das darf doch wohl nicht wahr sein.«

      »Freunde von Ihnen, Miss Frost?«

      »Ach, halten Sie doch die Klappe, Payne.« Und sie hatte wirklich geglaubt, sie wäre die Kerle losgeworden.

      Sie saßen in der Falle. Hinter ihnen kam das Aetherbike kreischend auf dem schneebedeckten Kiesweg zum Stehen. Vor ihnen standen die Chinesen und kreisten sie langsam, aber sicher ein.

      »Hey, die gehören mir!«, rief der Aetherbikefahrer drohend.

      Die Chinesen antworteten nicht, warfen sich aber vielsagende Blicke zu. Aus dem Nichts zückte einer von ihnen eine Waffe und erschoss den Mann. Leblos sackte er unter dem Aetherbike zusammen.

      »Und was, schlagen Sie vor, tun wir jetzt?«, raunte Payne und fixierte die Chinesen.

      Frost blieb die Antwort im Halse stecken. Sie waren in der Unterzahl, und sie hatte den üblen Verdacht, dass der Pinkerton verletzt war und nicht mehr lange stehen würde. Eiskalter Schweiß brach ihr auf der Stirn aus. Die Organisation würde nicht zögern, Payne zu töten. Er war unwichtig. Frost würde man mit dem Leben davonkommen lassen, doch sie würde zum einen ihre Freiheit verlieren und zum anderen Payne. Der Pinkerton war immer noch ein Auftrag, den sie beenden wollte.

      Ein fünfter Mann trat hinter dem Pavillon hervor. Sein Gesicht lag im Schatten, denn er hatte seinen Hut tief in die Stirn gezogen. Er war eleganter gekleidet als die vier Handlanger. Und er hatte eindeutig das Sagen.

      »Du bist schwer zu erwischen heute, Lydia.«

      Frost riss die Augen auf. Ihr Magen verknotete sich. »Michael?«

      »Du hast mich angelogen, Lydia.«

      Frost trat einen Schritt zurück und ballte die Fäuste. Michaels Gesichtsausdruck war hart. Sie konnte seine Augen nicht sehen, doch sie wusste, dass sie zornig funkelten. Der Ton in seiner Stimme war ihr Beweis genug dafür.

      »Du hattest den Folianten bereits in deinem Besitz, als ich dich heute besucht habe.«

      »Hast du mir deshalb diese Affen auf den Hals gehetzt?«, fuhr sie Michael an. »Dachtest du etwa, das sei komisch?«

      Michael lachte leise, was Frost zusehends irritierte. Was ging hier vor? »Ich habe keine Lust auf Spielchen, Michael«, sagte sie. »Sag mir, was hier los ist.«

      Michael seufzte ergeben und schob sich den Hut in den Nacken. Endlich konnte Frost sein Gesicht erkennen. Auf den ersten Blick sah es noch genauso aus, wie sie es kannte. Doch eine neue Härte hatte sich in seine Augen geschlichen. »Die Organisation lässt niemanden gehen«, sagte er kryptisch.

      Frost klammerte sich an ihre Tasche. »Das brauchst du mir nicht zu erklären.«

      »Lóngtóu, wir verschwenden nur Zeit«, sagte einer der vier Männer, die Michael umstanden.

      Frost stutzte. Sie hatte sich gerade verhört, oder? Nein, das konnte nicht sein. »Hat er dich gerade Drachenkopf genannt?«, rief sie aus, wobei sie mit jedem Wort lauter wurde. »Du bist einer der verdammten Köpfe der Dragons?«

      Michael lächelte und breitete seine Arme aus. »Ich habe die Nachfolge meines Vaters angetreten, ganz recht. Man hat dich bei seiner Beerdigung übrigens schmerzlich vermisst. Madame Yueh schäumt deswegen immer noch.«

      »Ich wusste nicht, dass …« Die Worte blieben Frost im Halse stecken. Jetzt machte alles auf einmal Sinn. Michaels Distanziertheit und sein ungewöhnliches Verhalten der vergangenen Tage. Dass er zu einem der sieben obersten Drachen aufgestiegen war, erklärte wohl auch, warum sie ihn monatelang nicht gesehen hatte. Der neue Boss musste in sein Arbeitsgebiet eingeführt werden.

      Und der Auftrag von Madame Yueh … »Es war ein Test, richtig?« Frost konnte ihren Zorn kaum mehr zurückhalten. »Ihr wolltet wissen, ob ich ohne die Organisation überleben konnte.«

      »Lydia, du bist die Schlüsselmacherin. Du gehörst zu uns.«

      »Ich verstehe gar nichts.«

      »Seien Sie still, Payne«, zischte Frost und sah ihn scharf an. »Ich versuche gerade zu denken.«

      »Sieht man.«

      Frost stieß die Luft zwischen den Zähnen heraus. Amerikaner. »Warum gehen Sie nicht schon mal voraus, Mr. Payne?«, sagte sie bissig. »Einmal quer


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