Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder  Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl


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Payne machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger vor seinem Gesicht. »Das erklärt auch das.«

      Newman hob die Augenbrauen. »Wurden Sie verletzt?«

      »Nur ein Kratzer«, log Payne und räusperte sich. Die Wunde pochte ununterbrochen. Vielleicht sollte er doch noch einen Arzt aufsuchen. »Ich glaube, ich bin auf einer heißen Spur. Vermutlich steckt der Sammler hinter dem Anschlag. Man beobachtet mich, schon seit Längerem.«

      »Und was wollen Sie nun von mir?«

      Payne schaute Newman direkt an. »Sie wissen mehr über die Schlüsselmacherin, als Sie mir weismachen wollen. Ich habe mich zwei Tage vergebens nach ihr umgehört, aber niemand will etwas von ihr wissen.« Er zögerte kurz. »Außerdem brauche ich Geld. Alles, was ich besaß, ist im Feuer verbrannt.«

      Newman stieß die Luft zwischen den Zähnen aus und ließ sich zurückfallen. Payne befürchtete schon, mit der Frage nach Geld zu weit gegangen zu sein, als er doch noch antwortete. »Sie führt seit ein paar Monaten eine Agentur in Holborn.«

      »Die Schlüsselmacherin?«

      »Angeblich soll sie nun Zivilistin sein. Nennt sich Lydia Frost – ob das ihr richtiger Name ist, wissen wir nicht. Meine Informanten sicherten mir jedoch zu, dass es sich bei dieser Frau um die Schlüsselmacherin handelt.« Newman schaute Payne eindringlich an. »Auch ohne den Russen im Rücken hat sie immer noch mächtige Kontakte, Payne. Seien Sie vorsichtig.«

      Payne nickte und schluckte einen harten Kloß hinunter. Newman kramte in den Taschen seines Mantels und drückte ihm dann ein Bündel Geldscheine in die Hände.

      »Das sollte fürs Erste reichen. Das ziehe ich Ihnen aber vom Lohn ab, dass Ihnen das klar ist.«

      »Danke.« Wieder zögerte Payne. »Ich brauche eine Waffe. Mein Revolver war in der Wohnung.«

      »Die abgebrannt ist, ja, ich verstehe.« Newman seufzte und drückte ihm zwei weitere Scheine in die Hand. »Gehen Sie zu Sebastian in Cheapside.«

      Sebastian in Cheapside stellte sich als der Besitzer eines winzigen Buchladens heraus. Payne stand in der Mitte des Raumes und wagte kaum, sich zu bewegen, aus Angst, einen der Bücherstapel umzuwerfen und damit eine Kettenreaktion auszulösen. Jeder Zentimeter war vollgestellt, die schiefen und wackeligen Büchertürme reichten teilweise bis unter die Decke.

      Licht fiel kaum durch das einzige Fenster, dessen Glasscheiben so dreckig waren wie die Nacken von Kohlearbeitern. Eine Aetherlampe hing über dem Tresen in der hintersten Ecke. Es roch muffig nach altem Papier und Kleber. Payne schlängelte sich vorsichtig zwischen den Büchertürmen darauf zu.

      »Hallo?«

      Als sich niemand meldete, klopfte er laut auf die Holzplatte des Tresens.

      »Sind Sie auf der Suche nach einem bestimmten Buch, Sir?« Payne machte einen erschrockenen Satz, als wie aus dem Nichts plötzlich ein untersetzter Mann mittleren Alters unter dem Tresen hervorsprang.

      »Waren Sie da unten?«, fragte er und beugte sich hinüber. Doch er sah nur noch mehr Bücher.

      »Ich kann Ihnen jedes Buch beschaffen, das Sie suchen, Sir«, plapperte der Mann los. Das Aetherlicht spiegelte sich auf seiner Halbglatze, als er sich verschwörerisch über den Tresen beugte. »Selbst die etwas unkonventionellen, Sie verstehen.«

      »Ich bin eigentlich hier wegen …«, fing Payne an, unterbrach sich jedoch, als eine Straßenbahn direkt vor dem Laden vorbeiratterte. Das bläuliche Licht der Funken drang durch das dreckige Fenster, und die Büchersäulen begannen gefährlich zu wackeln. »Mr. Newman schickt mich.«

      Die wässrigen Augen des Buchhändlers wurden groß. »Oh, warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Folgen Sie mir.«

      Payne zuckte leicht die Schultern und schob sich dann am Bücherturm zu seiner Rechten vorbei, um Sebastian zu folgen. Hinter einem Vorhang versteckt verbarg sich ein zweiter Raum, ebenso klein wie der andere, doch er war beinahe leer. Nur ein einzelner Tisch stand in der Mitte. Selbst die Wände waren kahl, und die einzige Lichtquelle war eine altmodische Laterne, die von der Decke hing.

      Sebastian schlurfte zum Tisch. »Mr. Newman hat mir gesagt, dass Sie kommen würden. Hier, bitte sehr.«

      Erst jetzt sah Payne, dass sich eine flache Schachtel auf dem Tisch befand. Der Mann öffnete den Deckel und trat zur Seite, damit Payne sich den Inhalt ansehen konnte.

      »Ich dachte mir, Sie möchten etwas aus der Heimat. Colt Model 1873, Single Action Army, .45 Kaliber. The Peacemaker, wie ihr Amerikaner sie nennt.«

      Payne pfiff durch die Zähne und nahm den Revolver zur Hand. Er war schwer, aber perfekt ausbalanciert. Genauso eine Waffe hatte er als Pinkerton gehabt, sie jedoch während der Sache mit seinem ehemaligen Partner verloren. »Sie ist perfekt.«

      Sebastian schob eine Schachtel Munition über den Tisch. »Die kriegen Sie umsonst, weil Sie mir sympathisch sind.«

      Payne glaubte eine Spur englischen Humors herauszuhören, nahm die Patronen jedoch an sich. War doch eine gute Idee gewesen, sich zu waschen und neue Kleider zu besorgen, bevor er hierhergekommen war.

      Er drückte dem Mann ein paar Geldscheine in die Hand, bedankte sich und verließ den merkwürdigen Buchladen.

      Jetzt, wo er wusste, nach wem er suchte, war es ein Leichtes, die Agentur in Holborn zu finden. Diese Lydia Frost hatte eine Annonce im London Herald und in der Times geschaltet. Sie bezeichnete sich als eine Art Privatermittlerin, worüber Payne schmunzeln musste. Eine Diebin, die privat die Arbeit von Scotland Yard übernehmen wollte.

      Seit etwa zwei Stunden lehnte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Hausmauer und gab vor, in einem Penny Dreadful zu lesen. Der matschige Schnee hatte seine Stiefel längst durchtränkt und ihm war kalt, doch deswegen gab er seinen Beobachtungsposten noch lange nicht auf. Die Arbeit eines Pinkertons bestand oftmals aus stundenlangem Beobachten und Abwarten.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung und richtete sich etwas auf. Ein Glöckchen bimmelte, als die Tür zum Lokal der Agentur aufging. Eine Frau, etwa in Paynes Alter, mit beinahe schwarzen Haaren und einem braungrünen Kleid, tauchte auf der Treppe auf. Ihr dunkler Mantel war schlicht und unauffällig. Sie schien in Eile zu sein.

      Payne löste sich von der Wand und zog den Hut tief in die Stirn. Er musste ihr folgen, wenn er etwas über den Russen herausfinden wollte. Er hatte die Vermutung, dass sie wichtig genug war, um direkten Kontakt zum Russen zu haben. Oder zumindest genug mächtige Freunde.

      »Miss Frost?«

      Payne blieb wie angewurzelt stehen, als er die Stimme hörte. Direkt vor ihm ging eine zierliche Frau über die Straße und sprach die Schlüsselmacherin an.

      Verdammt, was machte Cecilia hier?

      Payne warf sich in den nächstbesten Hauseingang und zog den Hut noch tiefer ins Gesicht. Seine Frau durfte ihn nicht sehen. Seine ganze Arbeit der vergangenen zwei Monate wäre umsonst gewesen, zudem würde er sie nur in Gefahr bringen. Und warum, zum Teufel, redete sie mit der Schlüsselmacherin?

      Payne beugte sich etwas vor, doch über den Lärm einer vorbeifahrenden Straßenbahn verstand er kein Wort von dem, was die beiden Frauen sprachen. Erleichtert sah er jedoch, dass das Gespräch nur sehr kurz war und Cecilia bereits wieder über die Straße ging.

      So sehr er sich auch danach sehnte, mit seiner Frau zu sprechen, die Schlüsselmacherin ging momentan vor. Er folgte ihr unauffällig durch das Viertel, bis sie durch die Tore des Britischen Museums schritt. Payne wollte nicht riskieren, sie im weitläufigen und verwinkelten Gebäude zwischen all den Besuchern zu verlieren, also beschloss er, draußen zu warten. Irgendwann musste sie ja wieder herauskommen.

      Und sie kam schneller, als er gedacht hatte. Er hatte sich gerade erst eine Zigarette angezündet, als er den Radau hinter sich hörte. Leute wurden unsanft zur Seite geschubst. Payne drehte sich verwundert um, dann rannte sie auch schon an ihm vorbei. Gleich darauf wurde er beinahe


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