Reise durch Nordwestamerika. Alexander Mackenzie
Richtung Süden bis ins Gebiet der heutigen USA. Die Prärieindianer stammen vermutlich von ihnen ab.
Etwa 2000 Jahre waren die Gletscher in den Territories fast zusammengeschmolzen, die Gebiete entlang des »Mackenzie River«, um den Großen Sklaven- und Großen Bärensee und die westliche Arktisküste eisfrei. Allmählich verschob sich die Waldgrenze weiter nach Norden bis zu ihrem heutigen Verlauf. Das langsam wärmer werdende Klima lockte immer mehr Indianer aus der Prärie in den Norden, wo sie sich hauptsächlich in den wildreichen Waldgebieten aufhielten, feste Jagdgewohnheiten entwickelten und Ansiedlungen gründeten. Einige Stämme folgten den ebenfalls nordwärts ziehenden Karibuherden bis in das Tundragebiet entlang der Küste des Nordpolarmeeres, kehrten aber jeden Winter in die Wälder zurück, wo sie Nahrung und Brennholz finden konnten.
Zu dieser Zeit überquerten auch die Vorfahren der heutigen Eskimos vom Nordosten Asiens her das Eis der Beringstraße und zogen in Richtung Osten durch die kanadische Arktis. Dank ihrer vorzüglich ausgebildeten Jagdtechnik, insbesondere bei der Seehundjagd, konnten sie sich das ganze Jahr über mit Nahrung versorgen und in dieser menschenfeindlichen Region überleben.
Im Verlauf der nächsten Jahrtausende siedelten sich die Indianer immer mehr in den Wäldern an, die Eskimos hingegen im Tundragebiet, auf den nördlichen Inseln und an der Küste des Eismeeres. Um die Jahrtausendwende n. Chr. drangen noch einmal Eskimos über die Beringstraße und Alaska nach Kanada vor. Zu jener Zeit hatten weiter südlich die meisten Indianer ihre festen Gebiete und betrieben zum Teil sogar schon Ackerbau.
Als im 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der europäischen Kolonialexpansion und überseeischen Entdeckungen, die ersten Europäer nach Kanada aufbrachten, lebten in den Territories etwa 50 000 Indianer der verschiedensten Stämme und einige Tausend Eskimos.
1535 hatte der Franzose Jacques Cartier das Gebiet um den Sankt-Lorenz-Strom erforscht; für viele seiner Landsleute waren seine Berichte Anreiz genug, ein neues Leben zu wagen und sich dort anzusiedeln. Die Reichtümer der kanadischen Wälder lockten auch bald die Engländer an, doch wurden sie alles andere als willkommen geheißen und mussten vor den ansässigen französischen Siedlern in den Norden ausweichen. Die beiden Kolonialmächte Frankreich und England hatten schnell erkannt, welche Bedeutung die Ausbeutung des riesigen Pelzreichtums für den wirtschaftlichen Aufschwung ihrer Länder haben konnte. Die Geburtsstunde des internationalen Pelzhandels war gekommen. Überall im Osten des Landes errichteten Pelzhändler am Rande der Wildnis ihre Blockhütten, um von hier aus Handel zu treiben. Handelspartner waren die im Nordosten in den Wäldern lebenden sogenannten »Wilden«, die man mit europäischen Gebrauchsartikeln und »Feuerwasser« dazu brachte, im Austausch dafür der »zivilisierten« Welt ihre auf einsamen Jagdzügen erbeuteten Pelze zu liefern.
1670 wurde als Instrument und Repräsentant britischer Kolonialinteressen in Nordamerika die Hudson Bay Company gegründet, die im Laufe der Zeit zu einem der größten Handelsimperien der Erde werden sollte. Ihr erfolgreiches Vorgehen in Kanada beruhte zunächst einmal darauf, dass sie ihre Handelsniederlassungen weiter nach Norden vorschob und sich dabei immer größere Gebiete in der Wildnis der Northwest Territories erschloss. Als der damalige englische König, Karl II., die Bedeutung der Hudson Bay Company für die Wirtschaft Englands erkannte – die Männer der Company hatten den gesamten Pelzertrag des ersten Jahres ihrer Arbeit an den Königshof geschickt –, sagte er ihr seine volle Unterstützung zu. Am 2. Mai 1670 unterzeichnete er eine »Royal Charta«, einen Handelsbrief, in dem der Gesellschaft zu Handelszwecken ein Gebiet von 1,5 Millionen Quadratmeilen – ca. 40 % des heutigen Kanadas – überschrieben wurde. Dies beinhaltete das Handelsmonopol und die Gerichtsbarkeit in diesem Gebiet wie auch das Recht, eine eigene Flagge zu führen.
Natürlich waren diese Besitzansprüche der Engländer den Franzosen ein Dorn im Auge, hatten sie doch als Erste den Fuß in dieses Land gesetzt und damit auch das »Recht« auf dessen Ausbeutung! Immer weiter stießen sie über die Flüsse des Sankt-Lorenz-Strom-Gebietes ins Landesinnere vor, versuchten verzweifelt, den Handelsbestrebungen der Engländer Widerstand entgegenzusetzen und selbst mit den Indianern Geschäfte zu machen. Bis 1713 herrschte zwischen Engländern und Franzosen offener Krieg, wobei beide Teile sich bemühten, die Indianer auf ihre Seite zu ziehen – doch bei den Friedensverhandlungen in Utrecht erlitt Frankreich eine Niederlage: Es musste seine Ansprüche auf die Gebiete der Hudson Bay Company, auf Akadien und Neufundland an England abtreten. Obwohl die Company nun fest etabliert war, hinderte dies die Franco-Kanadier nicht, ihr weiterhin heftig Konkurrenz zu machen. Allerdings waren sie, da die schon erschlossenen östlichen Küstenregionen in englischem Besitz waren, gezwungen, ihre Niederlassungen mehr im Landesinneren anzulegen. Zwar waren auch die Engländer daran interessiert, den Pelzhandel mit im Nordwesten jagenden Indianern auszuweiten, doch ihre in diese Gebiete ausgeschickten Expeditionen waren ziemlich erfolglos. So ging der Kampf um die Vorherrschaft im Pelzgeschäft erbittert weiter, bis im Frieden zu Paris im Jahre 1763 Frankreich seine verbliebenen nordamerikanischen Besitzungen und damit auch Kanada an England abtreten musste.
Doch die Hudson Bay Company sollte sich über ihren Sieg nicht lange freuen können: Schottische Einwanderer hatten ohne staatliche Unterstützung zwei bedeutende private Handelsgesellschaften gegründet, die Montreal Company und die Northwest Company. Beide hatten ihren Sitz in Montreal und verschiedene Niederlassungen im ehemals französischen Kanada. Die Erfahrung französischer Pelzhändler nutzend, stießen sie immer weiter nach Nordwesten vor und schnitten die Hudson Bay Company allmählich von ihren Inlandquellen ab.
Diese neuen Gesellschaften arbeiteten nach einem strengen Leistungsprinzip, das von ihren Angestellten viel Privatinitiative erforderte. So konnten junge Männer nach einer mehrjährigen Lehrzeit in den Kontoren in Montreal zu sogenannten »Junior Clerks« aufsteigen. Die besonders Tüchtigen wurden in die Wildnis zu einer der Niederlassungen der Gesellschaften geschickt, wo sie dem »Postenchef« zur Hand gingen. Bewährten sie sich, avancierten sie zum »Clerk« und konnten nach einer gewissen Probezeit zum Leiter eines Außenpostens mit eigenem Distrikt ernannt werden. Ihr ganzer Erfolg hing nun von ihren Pelzlieferungen nach Montreal ab. Um erfolgreich zu sein, mussten sie neue Fanggebiete erschließen und mit den Indianern, die in ihrem Distrikt auf Jagd gingen, handelseinig werden. Konnten die jungen Postenchefs die Gewinne für ihre Gesellschaft so beträchtlich erhöhen, dass sie unentbehrlich wurden, erklärte man sie zu Partnern, d. h. zu Mitgesellschaftern der Company.
Für viele junge Männer, die diese Laufbahn einschlugen, gab es ein leuchtendes Vorbild: Alexander MacKenzie.
Wahrscheinlich 1755 in Inverness in Schottland geboren – leider gibt es über ihn nur wenige gesicherte biografische Daten –, kam er ungefähr im Alter von zehn Jahren als Halbwaise mit seinem Vater nach New York, wo Verwandte lebten. Als 1775 in Neu-England der Unabhängigkeitskrieg Nordamerikas ausbrach, kämpfte MacKenzies Vater aufseiten der königlichen Truppen Georgs III. und fiel. Der junge Alexander wurde von Verwandten nach Montreal geschickt, wo er 1779 in die Dienste der Montreal Company eintrat. Schon nach zwei Jahren war er persönlicher Sekretär des Direktors der Gesellschaft, Alexander MacLeod, nach vier Jahren bekam er Handlungsvollmacht, und kurz darauf wurde er als Postenchef nach Detroit, damals noch eine kleine Siedlung am Rande der Wildnis, beordert. Hier bewährte er sich so glänzend, dass er nach wenigen Monaten zum Partner der Montreal Company ernannt wurde, allerdings unter der Bedingung, den entlegensten Außenposten der Gesellschaft am Churchill River zu übernehmen. Diese Aufgabe war nicht ungefährlich, da er dabei in einen Distrikt vorstieß, auf den die Northwest Company Anspruch erhob. Denn schon 1773 hatte Joseph Frobisher den Churchill River entdeckt und Thomas Frobisher, der Gründer der Northwest Company, hier eine erste Niederlassung aufgebaut. Alexander MacKenzie jedoch war dieser Aufgabe gewachsen. Er überzeugte seinen Kontrahenten von der Northwest Company, Cuthbert Grant, dass es besser sei, gemeinsame Sache zu machen, und zwar gegen die Hudson Bay Company, in deren Gebiet sie ja beide eingedrungen waren. Diese Taktik leuchtete auch den Handelsherren in Montreal ein; 1784 schlossen sich die Montreal und die Northwest Company unter dem Namen der Letzteren zusammen, um gemeinsam den Kampf gegen das Handelsmonopol der Hudson Bay Company anzutreten.
Da die Hudson Bay Company bis auf die Expedition von Samuel Hearne, die er 1769 im Auftrag dieser Gesellschaft unternommen hatte1, in der Erforschung des Nordwestens von Kanada keine großen Erfolge zu verzeichnen hatte, setzte sich die neugegründete