Reise durch Nordwestamerika. Alexander Mackenzie
150 Felle
In den ersten Jahren, als der Pelzhandel wieder Aufschwung hatte, wurde in Montreal Pelzwerk für 225 000 Pfund Sterling gehandelt. Allerdings kam dies aus zwei verschiedenen Gebieten, teils von Detroit, teils von der Grande Portage. Davon gingen etwa ein Achtel aller Biberfelle, ein Drittel der Otterfelle und etwa die Hälfte der Felle junger Füchse in die amerikanischen Freistaaten, weil sie von dort leichter und schneller nach China abgesetzt werden konnten. Denn geht der Versand von London aus, ist es sehr schwer, dafür in China Retourware zu bekommen; sie kann nur auf die Schiffe der Ostindien-Company geladen werden, die mit den Chinesen Handelsbeziehungen hat. Außerdem müssen Privatkaufleute außer der Fracht an diese Gesellschaft noch einen gewissen Prozentsatz an Waren bezahlen. Auf amerikanischen Schiffen hingegen findet das Pelzwerk schnelleren Absatz, die Retourwaren werden ohne jede Einschränkung verladen und innerhalb Jahresfrist verkauft; vielleicht geht künftig das gesamte nordamerikanische Pelzwerk den Weg über New York und Philadelphia nach China!
Der Biber – meistgejagtes Pelztier
Die Anzahl der mit diesem Pelzhandel Beschäftigten beläuft sich auf 1300 Mann: 50 Clerks oder Handelsbedienstete der Gesellschaft, 71 Dolmetscher, 1120 Kanuführer und 35 Wegweiser. Da die Waren in Kanus aus Rinden transportiert werden, ist bei acht bis zehn Fahrzeugen immer ein Wegweiser oder Führer vonnöten. Ein Teil der angeführten Mannschaft bringt den Sommer über, von Mai bis Ende September, die Waren von Montreal an die Grande Portage, der andere Teil kommt aus dem Landesinneren, schafft die eingetauschten Pelze dorthin und nimmt die Waren des ersteren mit zurück. Ein Wegweiser erhält für diese Reise 800 bis 1000 Livres nebst Kleidung und Kost. Die Kanuführer sind, je nach Geschicklichkeit, in drei Klassen unterteilt und bekommen zwischen 200 und 600 Livres nebst Decken, einem Hemd, Paddel und Lebensmitteln. Sie dürfen auch ein wenig Handel treiben. Diejenigen, die von der Grande Portage aus weiterreisen und den Winter über im Landesinneren bleiben, erhalten doppelten Sold und auch mehr Kleidungsstücke. Die eigentlichen Pelzhändler oder Clerks, die unter den Eingeborenen leben, werden jahresweise angestellt. Manche bleiben bis zu drei Jahren in den Niederlassungen. Die Handelsdiener oder Lehrlinge8 müssen sich auf fünf oder sieben Jahre verpflichten, die Geschäfte der Gesellschaft in den nordwestlichen Niederlassungen zu regeln, und erhalten dafür 100 Pfund Sterling nebst Kleidung und Kost. Haben sie ausgelernt und ist keine Stelle frei, um weiterhin bei der Gesellschaft zu bleiben und für sie Handel zu treiben, so bekommen sie 300 Pfund Sterling Abfindung. Die Kanuführer, die in den verschiedenen Niederlassungen gebraucht und auch Nordmänner oder Winterer genannt werden, haben ein jährliches Gehalt von 400 bis 1200 Livres. Neben doppelter Kleidung haben sie Anspruch auf 14 Pfund Tabak und andere Kleinigkeiten. Normalerweise leben mit den Kanuführern der untersten Klasse etwa 700 indianische Frauen und Kinder. Auch diese müssen von der Gesellschaft ausgehalten werden.
Im Frühjahr werden in Montreal neue Kanus gekauft. Sie bestehen aus Birkenrinde und sind sehr leicht. Man kann sie mit einer aus acht bis zehn Personen bestehenden Mannschaft, mit 65 Ballen Waren, jeder etwa 90 Pfund schwer, mit 600 Pfund Zwieback, 200 Pfund Pemmikan, Erbsen usw. beladen. Dazu kommen das Gepäck der Mannschaft, ein Kessel, ein Segel, Beile, Rinde zum Ausbessern der Fahrzeuge, zerfaserte Wurzeln der Pechtanne, mit denen die Rinde zusammengenäht wird, mit Baumharz vermischtes Erdpech, ebenfalls zum Flicken des Bootes, und ein langes Tau, mit dem das erleichterte Fahrzeug über Stromschnellen und seichte Stellen gezogen wird. An steinigen, seichten Stellen verlässt die Mannschaft das Kanu, die Ladung wird ausgeladen und weitergetragen, und das Boot wird vom Ufer aus über die Stellen hinweggezogen; dies nennt man décharge. An Stellen mit Wasserfällen und Klippen wird das Kanu aus dem Wasser genommen und bergauf, bergab getragen; solche Stellen nennt man portage; zwischen Montreal und dem Huronen-See gibt es davon 36.
An einer westlichen Bucht des Oberen Sees liegt die Grande Portage. Dort haben die kanadischen Pelzhändler ein Fort errichtet. Wegen des vielen Nebels, der durch den See entsteht, konnte bisher Ackerbau kaum betrieben werden, erst seit Kurzem geraten dort Kartoffeln sehr gut. In diesem Fort erwarten die von Montreal kommenden Agenten mit ihren Begleitern die Ankunft der Pelzhändler oder Nordmänner, die gewöhnlich Anfang Juli dort eintreffen. Nach ihrer Ankunft werden sie auf Kosten der Gesellschaft mit Brot, Butter, Schweinefleisch, Branntwein und Tabak bewirtet, Dinge, die sie unter den Eingeborenen lange Zeit entbehren mussten. Diejenigen, deren Zeit abgelaufen ist, werden von anderen abgelöst oder von Neuem unter Vertrag genommen. Die Agenten prüfen ihre Rechnungen, und wenn einer etwas gespart hat, kann er den Männern der Gesellschaft sein Geld mitgeben, um es in Montreal an Freunde oder Verwandte überweisen zu lassen. Nach 14 Tagen treten sie ihre Rückreise an. Auch die Gruppe aus Montreal macht sich zur Abreise fertig, verpackt die Pelze zu Ballen pro 100 Pfund und ist im September wieder zu Hause.
Die Lebensart an der Grande Portage ist, solange dort die Geschäfte dauern, folgendermaßen: Alle Kaufleute, sowohl die Nordmänner als auch die Montrealer, speisen mit den Handelsdienern, Dolmetschern und Wegweisern im großen Saal des Forts, etwa 100 Personen, zusammen. Ihre Tafel besteht gewöhnlich aus Brot, Butter, Rindfleisch, Schinken, Wildbret, Erbsen, Kartoffeln und Mais. Dazu gibt es Wein, Branntwein, Tee und Milch. Für Letztere werden extra Kühe gehalten. Die Kanuführer aber, oft bis an die 600, müssen sich wie auf der ganzen Fahrt mit weniger behelfen. Sie erhalten lediglich Mehl aus Türkischem Weizen und Schmalz. Sie kochen sich aus abgehülstem Getreide, Schmalz und Salz eine Art Pudding, was eine gesunde Speise ergibt, die einem Mann über den ganzen Tag hilft. Doch denjenigen, die hart arbeiten müssen, reicht dies bei Weitem nicht.
Die Fahrt der Nordmänner zu den westlich gelegenen Niederlassungen verläuft ganz anders als die nach Montreal. Da sie viele kleine und seichte Flüsse passieren müssen, sind ihre Kanus nur halb so groß, gehen weniger tief und können deshalb auch nur 35 Ballen aufnehmen. Auch die Bootsmannschaften sind kleiner, vier bis sechs Mann sind genug, um sie vorwärts zu bringen. Jenseits der Grande Portage befahren sie zunächst einen kleinen Fluss mit vielen Wasserfällen und Klippen, sodass die Kanus oft getragen werden müssen. Dieser Fluss bildet einige Seen, darunter auch den Regensee. Nach großen Anstrengungen erreicht man den Holzsee (Lake of the Woods). Obwohl die Franzosen schon vor dem Siebenjährigen Krieg sich jenseits dieses Sees ausgebreitet hatten, war jene Gegend am Ende des Nordamerikanischen Krieges noch so unbekannt, dass man im Frieden von 17839 den Holzsee zur westlichen Grenze des nordamerikanischen Gebietes machte, die sich bis zum Mississippi hinzog. Nur der Unkenntnis über diese Gegend ist es zu verdanken, dass die Grenze zwischen dem Oberen See und dem Holzsee nicht feststeht. Das Westende dieses Sees liegt auf 49°37' nördl. Breite und 94°15' westl. Länge. Von hier geht es weiter zum Winnipeg-See, dann Richtung Nordwesten durch mehrere Seen und Flüsse, die alle miteinander verbunden sind, über große und kleine Portagen bei 56°42' nördl. Breite in den Athabaska hinein. Dieser ergießt sich bei 58°36' in den Athabaska-See, an dessen südöstlichem Ufer auf einer Landspitze das Fort Chipewyan erbaut ist. Die Fahrt bis hierhin dauert ungefähr dreieinhalb Monate.
Sobald die Mannschaft dort angekommen ist, wird sie verteilt: Einige werden an den Peace River geschickt, um dort mit den Biber- und Felsengebirgs-Indianern zu handeln; andere machen sich auf an den Sklavensee und über ihn hinaus; einige bleiben am Athabaska River, die übrigen in Chipewyan. Außer mit dem Handel beschäftigt man sich hier auch mit Fischfang; Weißfisch dient den Pelzhändlern als Hauptnahrungsmittel. Die Fische werden durch den Frost erhalten, sollte aber im Herbst laue Witterung eintreten, hängt man sie am Schwanz zum Trocknen auf, und in diesem Zustand behalten sie ihren Geschmack bis zum April. Die Kanadier dieser und weiter entfernterer Gebiete leben fast ausschließlich