Kojas Wanderjahre. Alois Theodor Sonnleitner
er wimmerte nicht einmal, bis er losgelassen wurde. — Dann schlich er auf seinen Platz, legte den Kopf auf die Vorderarme und schluchzte so bitterlich, dass Kojas Mitleid rege wurde. —
Der Lehrer war zu seinem unterbrochenen Mittagsmahl zurückgekehrt. Und so mäuschenstill war es in der Klasse geworden, dass nur das Weinen des Gezüchtigten zu hören war. Agi reichte Koja den mitgebrachten Kaffee und eine Buchtel. Er sollte seine Mahlzeit beenden. Aber Koja vermochte nichts mehr zu geniessen. Unsicher, wie er damit aufgenommen würde, trug er Kaffee und Buchtel zum armen Peter und rüttelte ihn leise an der Schulter. „Da nimm und iss.“ Der hob seine rotgeweinten Augen in ungläubigem Staunen, dann griff er nach der Spende. Lange sass er da, ohne die veränderte Sachlage recht zu begreifen. Seine Tränen versiegten. Und er begann zu essen; und je weiter er damit kam, desto mehr hellten sich seine Züge auf. Aber er ass nicht fertig. Das letzte Stück, gerade die Ecke mit der fetten, knusperigen Rinde, reichte er Koja. Und der nahm’s dankbar an.
Als der Lehrer wiederkam, fand er die versöhnten Gegner nebeneinander sitzen. Koja war zu Peter übersiedelt. Und der Lehrer liess die beiden beisammen. Von diesem Tage an waren sie unzertrennlich.
Peter, der bei den Ziegelöfen unweit des Storchnestes wohnte, holte Koja und Agi zur Schule ab und geleitete sie getreulich wieder heim. Und kein Junge wagte es mehr, den Kleinen zu hänseln.
Der Benjamin in der Klasse, noch lange nicht schulpflichtig, machte Koja nach der alten, eintönigen Methode nur langsame Fortschritte im Lesen; es war so gar nicht lustig. Beim Schreiben führte ihm anfangs Peter die Hand, bald aber hatte er Augen und Finger zusammengewöhnt und schrieb die Klein- und Grossbuchstaben des ABC’s der Reihe nach erkennbar nach, wenn auch nicht gerade schön.
Im Rechnen lernte er wohl zählen, aber das Einmaleins, welches die Grossen erst von der Tabelle herableierten und dann einzeln aus dem Gedächtnisse aufsagten, ging über sein Begriffsvermögen. Es entstand in ihm die Meinung: „Das kann ich nicht — das werde ich nie können.“
Als die Ostern kamen und die Weiden an den Wiesengräben im Schmucke ihrer gelbstäubenden und silberig glänzenden Blütenkätzchen standen, kochte die Grossmutter für die Kinder zweierlei Ostereier. In dem einen Topf, wo sie braune Zwiebelschalen gesotten hatte, wurden sie schön lichtbraun wie Kaffee, im anderen, wo sie Farbholz aufgekocht hatte, wurden sie rot wie Klatschmohn. Aber im Dorfe gab es Leute, die wahre Künstler waren in der Herstellung bunter Ostereier.
Koja hatte sich am Gründonnerstag beim Umgehen mit der Ratschen, deren hölzernes Geklapper das Läuten ersetzen musste, dem Peter angeschlossen. Der unterwies ihn auch im Flechten der zopfartigen Oster-Rute. Die schmiegsamen Weidengerten dazu fanden die Knaben reichlich am Ufer der alten Elbe. Ausgerüstet mit den geschmeidigen Weidenzöpfen machten sie in aller Frühe des Ostermontags in der Nachbarschaft die Runde, um den jungen Frauen und Mädchen die segenbringenden Rutenstreiche beizubringen. Ob diese auch mit gespielter Angst schrien und sich wehrten, wenn die Buben wacker streichend hinter ihnen herliefen, sie beschenkten die Ostergänger doch mit Ostereiern, von denen manche in allen Regenbogenfarben schimmerten, während andere gar schöne Schmuckzeichnungen aufwiesen. Die schönsten gab Koja der guten Agi zum Aufheben. Aber soviel er auch herumfragte, wie solche Wunder an Schönheit zustandegekommen wären, er erfuhr es nicht. Die es konnten, bewahrten ihr Geheimnis.
Peter aber machte aus seiner Kunst vor Koja gar kein Hehl. Aus der Menge der eingesammelten Eier suchte er die roten, die blauen und die braunen heraus und schmückte sie vor Kojas Augen mit Bildern eigener Erfindung, indem er mit der Spitze seines scharf geschliffenen Messers herausschabte, was weiss erscheinen sollte. Ins Weiss hinein trug er mit dem Pinsel Erdfarben ein und zwar so, dass jede Zeichnung einen ausgesparten weissen Rand behielt. Am schönsten gelangen ihm immer die Störche und die Hasen.
Das Zeichnen und Malen ging ihm so flink von der Hand, dass Koja meinte, er müsse es auch treffen. Er brachte einen Hahn zustande, über den ein jeder lachen musste, der ihn sah.
Und das war auch ein Erfolg.
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