Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann
gewährleistet wird. Die Feuerwehrgesetze enthalten kein Optimierungsgebot. Entscheidend ist alleine, dass die Gemeinde die Mindestanforderungen an eine leistungsfähige Feuerwehr erfüllt.
Leistungsfähige Feuerwehr
Eine Feuerwehr ist dann als leistungsfähig anzusehen, wenn sie die gesetzlichen Verpflichtungen des jeweiligen Feuerwehrgesetzes erfüllt, nämlich insbesondere die Bekämpfung von Bränden und den Schutz von Menschen, Tieren und Sachwerten vor Brandschäden (abwehrender Brandschutz) und die Hilfeleistung bei Not- und Unglücksfällen (Technische Hilfe)9 sicherzustellen. Dabei müssen die gemeindlichen Feuerwehren grundsätzlich dazu in der Lage sein, die Gefahren zu bekämpfen, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse erwartungs- und erfahrungsgemäß auftreten können (so auch Beschluss OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.05.2013 – Az.: 9 A 198/11).
Die gesetzlich geforderte Leistungsfähigkeit der Feuerwehr wird durch einen Bedarfsplan nachgewiesen. Die weit verbreitete Annahme, dass dieser Nachweis über die Auswertung des Zielerreichungsgrads erbracht wird, ist jedoch in Hinblick auf die Aussagekraft von Erreichungsgraden in der Regel nicht zutreffend (vgl. Kapitel 4.3.3). Vielmehr muss ein planerischer Nachweis erfolgen, bei dem die Feuerwehr so zu dimensionieren ist, dass sie planerisch die politisch geforderten Planungsziele unter normalen Umständen erreichen kann.
In Bayerischen Feuerwehrgesetz ist im Übrigen eine abweichende Formulierung zu finden, die die Leistungsfähigkeit nicht auf die Feuerwehr, sondern auf die Gemeinde bezieht, innerhalb derer Grenzen die gemeindliche Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten ist. In seinem Gesetzeskommentar zum bayerischen Feuerwehrrecht bezieht Schober (2014, S. 9 f) die Grenzen dieser Leistungsfähigkeit auf die verwaltungsmäßige und finanzielle Leistungskraft der Gemeinde, die sich ebenfalls je nach örtlichen Verhältnissen erheblich unterscheidet.
Örtliche Verhältnisse der Kommunen
Die gesetzlich geforderte Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse schließt per se aus, einen einzigen (gleichen) Standard für alle Kommunen anzusetzen, da hierdurch nicht den örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden würde. Damit kann (und muss) das Versorgungs- und Ausstattungsniveau unter den Kommunen unterschiedliche Ausmaße annehmen. Ein gleiches Planungsziel für alle Kommunen verstößt gegen die gesetzliche Vorgabe.
Wie bereits einleitend angemerkt unterscheiden sich die verschiedenen Gebiete in der Bundesrepublik signifikant voneinander. Allein die Gemeindegrößen variieren in den einzelnen Regionen Deutschlands erheblich und unterliegen bis heute hin nicht nur aufgrund des demografischen, gesellschaftlichen und damit strukturellen Wandels, sondern auch in territorialer Hinsicht stetigen Veränderungen. Während es in Deutschland im Jahr 1998 noch 14.197 Gemeinden gab, hat sich diese Zahl infolge zahlreicher Gebietsreformen bis zum Jahr 2017 auf 11.054 Gemeinden reduziert. Diese gehören mit Stand vom 31.12.2017 zu folgenden Größenklassen (Statistisches Bundesamt, 2018):
Auch die Verteilung dieser Gemeinden ist höchst unterschiedlich: Während es in Nordrhein-Westfalen nur drei Gemeinden unter 5.000 Einwohnern gibt, existieren in Rheinland-Pfalz mehr als 2.100 solcher Kleingemeinden.
Allein dieser Umstand macht deutlich, dass es aufgrund der Unterschiede in den Kommunen keine einheitliche oder gar gleiche Dimensionierung der Feuerwehr geben kann und darf, wie auch das VG Köln in einem Urteil vom 12. April 2013 (Az.: 9 K 6650/10) bekräftigt:
»Bei der Ausrüstung der Feuerwehr ist der Gemeinde zudem ein gewisser »Beurteilungsspielraum« zuzubilligen; da es auf die örtlichen Verhältnisse ankommt, können angesichts der unterschiedlichen Größe der Gemeinden, der jeweiligen Besonder heiten bei den vorhandenen Gefahrenpotentialen und der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten allgemein verbindliche Festlegungen nicht getroffen werden.«
Je mehr sich die Gemeinden voneinander unterscheiden und je inhomogener eine Gemeinde auch innerhalb ihrer Kommunalgrenzen ist, desto unterschiedlicher können die Planungsziele und die daran bemessenen Feuerwehrstrukturen ausfallen. Das Problem der vermeintlichen Gleichheit versinnbildlicht auch die in Bild 7 dargestellten Karikatur von Hans Traxler (1983). Die Aufgabe der Tiere, auf den Baum zu klettern, erscheint auf den ersten Blick gerecht, da an alle Tiere die gleiche Anforderung gestellt wird. Jedoch haben die Tiere hierzu ganz unterschiedliche Voraussetzungen, sodass die identischen Anforderungen eben nicht für alle gerecht sind.
Ebenso verhält es sich mit den Anforderungen an eine leistungsfähige Feuerwehr, die aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse in den Teilräumen der Bundesrepublik ebenfalls unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Was für ländliche Bereiche in Bayern passt, muss nicht auch zwingend für städtische Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen funktionieren.
Bild 7: Chancengleichheit nach Hans Traxler
Wert der Sicherheit
Zu den örtlichen Verhältnissen zählt auch die Finanz- und Verwaltungskraft der Gemeinde, die bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen ist, wie viel Sicherheit sich die Gesellschaft oder eine Kommune leisten will und kann.
Sicherheit kostet Geld. Je mehr Sicherheit gewünscht ist, desto höher ist der Aufwand (zum Beispiel in Form von Kosten): Dem Diagramm (Bild 8) lässt sich qualitativ entnehmen, dass analog zum Pareto-Prinzip10 bereits mit wenig Aufwand ein vergleichsweise hoher Wert an Sicherheit erzielt werden kann (gestrichelte Linie). Einfache Basismaßnahmen haben demnach bereits einen signifikanten Mehrwert und große Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau. Dahingegen bedarf es ungleich größeren Aufwandes, ein bereits hohes Sicherheitsniveau noch weiter zu erhöhen. Ein hundertprozentiges Sicherheitsniveau ist reell ohnehin nicht erreichbar. Die absolute Sicherheit gibt es nicht und ist auch nicht finanzierbar, da sie in der asymptotisch dargestellten Sicherheit-Kosten-Funktion unendlich hohen Kosten entspräche.
Bild 8: Relation von Sicherheit und Aufwand
Die Erwartungshaltung und das Anspruchsdenken der Bürger sind gegenüber dem Staat im Allgemeinen und der Feuerwehr im Speziellen hoch, jedoch scheint die Bereitschaft der Bürger für diese Sicherheit den entsprechenden Preis11 zu zahlen oder eine eigene Vorsorge12 zu treffen gering. Wie viel Geld die Feuerwehr dem Bürger konkret wert ist, lässt sich schwer beziffern. In Relation zu anderen Ausgaben würde vielleicht überraschen, wozu der Bürger wohl gewillt ist mehr Geld auszugeben: für die Feuerwehr oder beispielsweise für die Bundeswehr? Der jährliche Aufwand für den Wehretat beträgt rund 520,00 Euro je Bürger13 , während sich der jährliche Aufwand für die Feuerwehr schätzungsweise auf rund 34,00 Euro je Bürger14 beziffert. Ein Betrag, der für Sicherheit und Schutz von Leben zu hoch ist?
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