Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann

Feuerwehrbedarfsplanung - Thomas Lindemann


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zwei Löschfahrzeugen für diese Ortsfeuerwehr, würde die »Wegnahme« von drei Fahrzeugen mit hoher Wahrscheinlichkeit als »Downgrading« empfunden werden, welches erheblichen Einfluss auf die Motivationslage der ehrenamtlich tätigen Feuerwehrangehörigen hätte und Widerstand hervorrufen könnte. Zahlreiche ähnliche Beispiele lassen sich für historisch gewachsene Standort- und Organisationsstrukturen anführen. Auch wenn sich die Gemeinde nicht durch das Ehren- wie auch Hauptamt erpressbar machen darf, gilt es hier dennoch, tragfähige Lösungen zu finden, die sich eben nicht immer »eins zu eins« aus einer objektiven Analyse ableiten lassen (vgl. hierzu auch Kapitel 3.3 zur Nachvollziehbarkeit von Bedarfsplänen).

      Neben den historisch gewachsenen Strukturen beeinflussen auch die örtlich vorhandenen einsatztaktischen Konzepte die Bedarfsplanung. Ein Konzept mit Staffel- statt Zugwachen führt zu jeweils unterschiedlichen Standortstrukturen, das Vorgehen mit einem Drei-Mann- statt mit einem Zwei-Mann-Angriffstrupp zu einer jeweils anderen Funktionsbesetzung und die Nutzung eines Wechselladersystems statt mehreren Sonderfahrzeuge auf Einzelaufbauten zu einem jeweils anderen Fahrzeugkonzept.

      Zusätzlich schränkt die Finanzsituation der Kommune sowohl den Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Planungsziele als auch bei der konkreten Standort-, Fahrzeug- und Geräte- sowie Personalausstattung ein (vgl. auch Kapitel 2.3). Auch die Lobbyarbeit der Feuerwehrindustrie kann unter Umständen Einfluss auf die konkrete Ausstattung von Feuerwehren nehmen. Durch die Angebote und Wertschöpfungsideen der Industrie werden mitunter suggestiv Bedarfe generiert, die Eingang in Fahrzeug- und Gerätekonzeption finden. Nicht zuletzt spielen auch politische und individuelle Interessen bei der Bedarfsplanung eine Rolle. Zum Beispiel wenn eine Änderung der Planungsziele erfolgt, die die politischen Entscheidungsträger gegenüber der Bürger- und damit der Wählerschaft als höheres oder geringeres Versorgungsniveau zu rechtfertigen haben. Oder wenn die Kommune kein von den benachbarten Städten und Gemeinden abweichendes Planungsziel mit dem damit verbundenen vermeintlichen Unterschied im Sicherheits- bzw. Versorgungsniveau der Feuerwehr verantworten möchte. Die Einzelinteressen können sich auch auf einzelne Personen mit Einfluss und Gewicht beziehen, wenn sie beispielsweise Feuerwehrangehörige sind und besondere, aber sachfremde Ziele für sich und ihre Einheit erwirken möchten.

      2.3 Grundsätzliche Betrachtung der Bedarfsplanung

      Berlin ist nicht die Voreifel. Die Gegebenheiten im Ruhrgebiet unterscheiden sich von denen in Mecklenburg-Vorpommern. Lörrach liegt nicht auf einer Nordseeinsel, Plön nicht im Alpengebirge. Und Stuttgart ist weder Weimar noch die Oberlausitz. Die örtlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik sind ganz unterschiedlich. Folgerichtig existieren auch keine bundeseinheitlichen Standards für die Bedarfsplanung von Feuerwehren, zumal das Feuerwehrrecht in die Regelungskompetenz der Bundesländer fällt. Selbst in den einzelnen Bundesländern gibt es entgegen weit verbreiteter Meinung kaum verbindliche Regelungen und Zielvorgaben für die Bemessung von Feuerwehren (vgl. Kapitel 4.6), weshalb der Feuerwehrbedarfsplanung eine gewisse Mystik innewohnt. Vielmehr wird als Generalklausel in den Feuerwehrgesetzen der Länder wie folgt (oder mit ähnlicher Formulierung) gefordert:

      »Die Gemeinden haben eine den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten.«

      Die Gesetze selbst enthalten jedoch keine Angaben darüber, was unter den unbestimmten Rechtsbegriffen »den örtlichen Verhältnissen entsprechend« und »leistungsfähig« zu verstehen ist und wie eine Feuerwehr ausgestattet sein muss, um den durch diese Rechtsbegriffe charakterisierten Anforderungen zu genügen. Da auch keine naturwissenschaftlich begründeten Planungswerte existieren, auf Basis derer sich zwingende Planungsziele bestimmen, bleibt die Festlegung der kommunalen Planungsziele für die Feuerwehrbedarfsplanung und damit des Versorgungsniveaus der Feuerwehr eine politische Entscheidung.

      Selbstverwaltungsgarantie und Gestaltungsspielraum

      Über die konkrete Dimensionierung der Feuerwehr hat die Kommune durch ihren Stadt- oder Gemeinderat als politisches Entscheidungsgremium in Wahrnehmung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts verantwortungsbewusst selbst zu entscheiden. So ist gemäß Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden das Recht gewährleistet, »alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln« (kommunale Selbstverwaltungsgarantie).

      Die Formulierung »im Rahmen der Gesetze« impliziert dabei, dass das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht auch nur »im Rahmen der Gesetze« eingeschränkt werden kann und nicht etwa durch eine bloße Verwaltungsvorschrift (vgl. Urteil des VG Regensburg vom 22.10.2003 – Az.: RO 3 K 02.2309). Jede aufsichtsbehördliche Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff in die garantierte Selbstverantwortlichkeit der Kommune dar, weshalb sich das staatliche Einschreiten durch die kommunale Aufsichtsbehörde auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken hat (vgl. Kapitel 3.7). Die Aufsichtsbehörde hat bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse zu respektieren, dass sich ihre Maßnahmen gegen die unmittelbar gewählte gemeindliche Volksvertretung richtet, die die Gemeindegeschicke selbst bestimmt und selbst verantwortet (vgl. Urteil des OVG Lüneburg vom 18.09.1996 – Az.: 13 L 7342/94).

      Gemäß den Feuerwehrgesetzen der Länder handelt es sich bei der Aufstellung, Ausrüstung und Unterhaltung der Feuerwehr um eine Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis. Demnach steht der Gemeinde in Ausübung dieser Pflichtaufgabe ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, der eine Bandbreite von Handlungsmöglichkeiten für individuelle, auf die örtlichen Verhältnisse angepasste Konzepte und Lösungsansätze eröffnet (vgl. Bild 6).

      Gibt der Gesetzgeber bewusst keine Dimensionierungsvorgaben vor, gewährt er einen Gestaltungsspielraum, der durch die verantwortlichen Kommunen auszugestalten ist. Oder im Umkehrschluss: Wäre ein einheitlicher Standard im Sinne des Gesetzgebers, hätte er dies im Gesetz oder durch nachrangige Durchführungsverordnungen durch die Exekutive explizit vorgegeben.

      Bei der Feuerwehrbedarfsplanung gibt es daher nicht nur »die einzig richtige Lösung« bei der Ressourcenbestimmung, sondern eine Bandbreite an Lösungs- und Ausstattungsmöglichkeiten (vgl. Bild 6). In der Regel handelt es sich bei diesem Gestaltungsspielraum nicht um einen schmalen Grat, sondern um einen Rahmen mit nicht universell definierten Ober- und Untergrenzen, innerhalb derer sich bewegt werden kann. Bei Unterschreiten der Untergrenze besteht die Gefahr einer »Unterrüstung«, mit der kein wirksamer Schutz erzielt werden kann, der gesetzliche Auftrag verfehlt wird und damit ein Organisationsmangel vorzuliegen droht. Ein Überschreiten der Obergrenze führt zu einer unverhältnismäßigen »Überrüstung«, mit der ein unangemessener Umgang mit öffentlichen Mitteln vorliegt und damit gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verstoßen wird (vgl. Planungsgrundsätze in Kapitel 4.2).

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      Bild 6: Gestaltungsspielraum bei der Feuerwehrbedarfsplanung

      Die Gestaltungsfreiheit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung darf jedoch nicht in Willkür ausarten, vielmehr müssen die Gemeinden auch in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises sachgemäß und nach pflichtgemäßem Ermessen handeln. Das Verwaltungsgericht Neustadt a. d. Weinstraße äußert dazu, dass angesichts der von der Feuerwehr zu bekämpfenden Gefahren im Zweifel eher ein Mehr als ein Weniger an Personal und Hilfsmitteln zur Verfügung zu stellen ist (vgl. Gerichtsbescheid des VG Neustadt a. d. Weinstraße vom 17.09.1986 – Az.: 8 K 157/85).

      Damit ist eine Gemeinde auch nicht daran gehindert, für den Brandschutz mehr zu tun, als es ihrer Mindestverpflichtung entspricht. Schließlich geht es nicht nur um Erhaltung bedeutender Sachwerte, sondern vor allem auch um die Gesundheit und das Leben von Menschen. Dies hat der Rat in Wahrnehmung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts verantwortungsbewusst selbst zu entscheiden, darf aber auch nicht dem Übermaßverbot und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entgegenstehen.

      In mehreren Gerichtsurteilen (u. a. VG Braunschweig vom 19.10.2006 – Az.: 1 A 17/06 – und VG Regensburg vom 22. Oktober 2003 – Az.: RO 3 K 02.2309) zur Auslegung der Aufstellungs- und Ausstattungsverpflichtung einer leistungsfähigen Feuerwehr wird zudem deutlich gemacht, dass durch die Gemeinde keine optimale und bestmögliche


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