Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann

Feuerwehrbedarfsplanung - Thomas Lindemann


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      Mangel an Qualifikationen

      Aber nicht nur die sinkende absolute Anzahl an aktiven Mitgliedern in den Freiwilligen Feuerwehren stellt ein Problem dar. Auch ein Mangel an notwendigen Qualifikationen und der Bereitschaft zur Übernahme spezieller Funktionen ist zu befürchten. Dabei steht nicht nur die Fitness und Atemschutztauglichkeit eines jeden Einzelnen im Vordergrund. Die Zeit, die von jedem einzelnen Feuerwehrangehörigen in die Ausbildung sowie die regelmäßige Fortbildung investiert werden muss, ist mittlerweile ein so hohes Gut, dass die Bereitschaft, diese für den Qualifikationserwerb und -erhalt zu investieren, nur mit modernen, anforderungsgerechten und zielgruppenorientierten Schulungsmaßnahmen erzielt werden kann – welche wiederum (zumeist aus dem Ehrenamt heraus) vorbereitet und dargeboten werden müssen. Dazu kommt ein regelrechter Funktions- und Führungskräftemangel, da die Übernahme verantwortlicher Posten eine besondere Eignung der Person voraussetzt und häufig in einem größeren Zeitaufwand resultiert. Die Feuerwehrangehörigen, die in der Freiwilligen Feuerwehr Führungsaufgaben wahrnehmen, sind häufig auch im Hauptberuf Führungskraft. Bei dieser Doppelbelastung werden die Funktionäre sich im Zweifel für ihre beruflichen Verpflichtungen und gegen das ehrenamtliche Engagement entscheiden. Dabei wird an dieser Stelle deutlich, dass eine spürbare Reduzierung des Bürokratie- und Verwaltungsaufwands notwendig ist, damit mehr Zeit für die eigentliche Tätigkeit im Feuerwehrdienst zur Verfügung steht bzw. die zur Verfügung stehende Zeit effizient eingesetzt werden kann (vgl. »Ehrenamt braucht Hauptamt«, vgl. Kapitel 9.5.3.9).

      Sicherung des hauptamtlichen Personalbestands

      Auch die Gewinnung geeigneten hauptamtlichen Nachwuchses bei den Berufsfeuerwehren und hauptamtlich besetzten Wachen wird bei der aktuellen Arbeitsmarktsituation zunehmend schwieriger. Alle öffentlichen Bereiche sowie auch die privaten Unternehmen werben um qualifizierten und leistungsstarken Nachwuchs und unterbreiten mitunter die verlockenderen Angebote. Dabei konkurrieren die Feuerwehren als Arbeitgeber nicht nur mit anderen Branchen, sondern auch als Dienststellen untereinander: Es ist daher essentiell, sich als attraktiven Arbeitgeber darzustellen, um nicht nur neues Personal zu gewinnen, sondern auch die mühsam geworbenen, ausgebildeten und ständig weiterqualifizierten Kräfte zu erhalten und nicht an benachbarte Kommunen zu verlieren.

      Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass hohe Anforderungen sowohl an die hauptberuflichen-, aber insbesondere auch an die freiwilligen Feuerwehrangehörigen gestellt werden, die nicht jeder Bürger bereit ist, ehrenamtlich für die Gesellschaft ohne direkte Entlohnung, zu verrichten:

      image Ständige Alarmbereitschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch an Wochenenden und Feiertagen,

      image Übernahme von Verantwortung, die sogar bis zum Entscheiden über Leben oder Tod reicht,

      image Eingehen von Risiken,

      image Erhalt der körperlichen Fitness,

      image Absolvieren von Lehrgängen und Weiterbildungen,

      image ständige Fortbildung,

      image Pflege von Fahrzeugen, Geräten und Ausrüstungen,

      image hohes Engagement und Einsatzbereitschaft,

      image Einschränkungen im persönlichen Freizeitverhalten (z. B. Verzicht von Alkoholgenuss, Aufenthaltsort…).

      Dabei wird jedem Einzelnen das inzwischen wertvollste Gut unserer heutigen Gesellschaft abverlangt: die Investition von Zeit. Zeit, die damit nicht mehr für Familie, Freunde und Hobbies und andere Privataktivitäten zur Verfügung steht. All dieses kann und darf nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden und muss daher aktiv gefördert und wertgeschätzt werden. Personalfördernde Maßnahmen sind essentiell und unabdingbar für die personelle Sicherstellung der kommunalen Gefahrenabwehr, sodass sie auch im Bedarfsplan aufzuführen und politisch zu beschließen sind (vgl. Kapitel 9.5).

      2 Wie viel Feuerwehr braucht die Gemeinde?

      Wie im Kapitel 2.2 deutlich wird, gibt es eine Vielzahl von Einflussgrößen auf die Bemessung einer Feuerwehr, die nicht alle nur fachlich-technischer Natur sind. Feuerwehr lässt sich nicht vollständig »ausrechnen«. Die Frage, wie viel Feuerwehr sich eine Gemeinde leisten will und kann, ist demnach vor allem auch politisch und ethisch zu beantworten.

      Bevor in den anderen Teilen dieses Buches auf die rechtlichen, organisatorischen und methodischen Aspekte sowie auf die konkreten Planungsgrundlagen der Feuerwehrbedarfsplanung eingegangen wird, soll die Aufstellung und Bemessung der Feuerwehr im vorliegenden Kapitel einer grundsätzlichen und ethischen Betrachtung unterzogen werden. Dass zur Festlegung des richtigen Maßes an Sicherheit eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem Thema erforderlich ist, wird anhand einiger Extrembeispiele und einer outcome-orientierten Betrachtungsweise verdeutlicht, durch die die Möglichkeiten und Grenzen des Schutzauftrages des Staates auf die Metaebene gehoben wird und Anregungen für den Umgang mit exotischen und schwierigen Einzelfällen der Bedarfsplanung liefern soll.

      2.1 Ziele der Feuerwehrbedarfsplanung

      Die Aufstellung und regelmäßige Fortschreibung eines Feuerwehrbedarfsplans ist in vielen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Kapitel 4.6.1 Ziffer d). Die Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgabe ist jedoch nicht der einzige Grund, warum sich die Aufstellung eines Feuerwehrbedarfsplans lohnt.

      Der Feuerwehrbedarfsplan stellt ein multifunktionales Planungsinstrument für die Politik, die Verwaltung und die Feuerwehr dar, mit dem die strategische Ausrichtung der Feuerwehr und die Festlegung des örtlichen Sicherheitsniveaus in Bezug auf die Leistungen des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung erfolgen. Die Erstellung und Fortschreibung von Bedarfsplänen bietet anlassgebend die Gelegenheit für Politik und Verwaltung, sich intensiv mit der Feuerwehr und deren Belange auseinanderzusetzen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu artikulieren und gemeinsame strategische Zielvorstellungen festzulegen. Dies ist als Chance für alle beteiligten Seiten zu verstehen, die periodisch wiederkehrt.

      Durch den Feuerwehrbedarfsplan wird eine gründliche und nachvollziehbare Bestandsaufnahme der Feuerwehr vorgenommen, in der die gegenwärtige IST-Situation der Feuerwehr verständlich dargestellt, dokumentiert und analysiert wird. Gleichzeitig erfolgt eine objektive bzw. politisch legitimierte Bedarfserhebung (SOLL-Planung), die auf der einen Seite die Feuerwehr vor einer Unterdimensionierung schützt, auf der anderen Seite eine willkürliche Dimensionierung verhindert, die durch »Fürstentümer« und »Selbstverwirklichung« Einzelner entstehen könnte.

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