Brasilien. Martin Curi

Brasilien - Martin Curi


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der Fans falschen, da unbrasilianischen Spielweise. Lauthals wurde beklagt, dass die kreativen Artisten Ronaldinho Gaúcho, Neymar und Ganso nicht berufen worden waren. Zumindest mit den beiden letztgenannten Spielern können wir wohl bei der WM 2014 rechnen.

      Geschichtsschreibung im Vierjahresrhythmus

      Es wird deutlich, dass sich Brasilianer in dem Vierjahresrhythmus der Fußball-Weltmeisterschaften ihre Geschichte erzählen, was zu einer modernen Legendenbildung führt. Denn die Grenze zwischen historischen Fakten und Mythos verschwimmt mit der Zeit. Wir werden nie beweisen können, ob Obdulio 1950 tatsächlich Bigode geschlagen hat oder was mit Ronaldo in der Nacht vor dem Finale 1998 geschah.

      Doch das ist auch nicht wichtig. Denn wichtig ist, dass die Brasilianer anhand des Fußballs Geschichten über sich erzählen, in denen sie ihre Weltanschauung und ihre Identität definieren. Es wird eine Standortbestimmung vorgenommen, in der Brasilien sich in erster Linie als Gegensatz zu Europa und damit zu den ehemaligen Kolonialmächten positioniert. Dabei versucht man, diesen sowohl ähnlich zu sein – also reich, modern und nicht zuletzt hellhäutig – als auch anders – also kreativ, flexibel, emotional und dunkelhäutig. Wenn diese Selbstwahrnehmung durch Niederlagen gestört wird, dann werden sie als Tragödien wahrgenommen, die zu intensiven Diskussionen führen.

      Diese Ereignisse sind deshalb so dramatisch, weil es keinen Mittelweg gibt. In Brasilien sagt man, dass fünfmal eine WM gewonnen und 14-mal eine verloren wurde. Es gibt kein „nicht gewinnen“, es gibt nur Siege und Niederlagen. Im Falle des Triumphes fühlt man sich als die Besten der Welt, denn man konnte die ehemaligen europäischen Kolonialmächte besiegen. Verliert Brasilien jedoch, wird dies als Bestätigung der eigenen Minderwertigkeit interpretiert. In Brasilien hat dieser Minderwertigkeitskomplex sogar einen Namen: „Straßenköterkomplex“4.

      Identitäten können nur gebildet werden, wenn man ein Gegenüber hat, von dem man sich unterscheiden kann. Im Falle der WM 1950 wurde die brasilianische Ethnienmischung als charakteristischer Unterschied zu anderen Ländern wahrgenommen. Durch die Niederlage gegen Uruguay erfuhr dieses nationale Selbstverständnis eine Niederlage. 1982 fühlte man sich aufgrund des schönen Spiels, das die politische Aufbruchsstimmung nach der Militärdiktatur symbolisierte, überlegen. Bei der Tragödie von Sarrià verlor also nicht nur eine ganze Fußballphilosophie, sondern auch die Identität einer Nation.

      Bei der WM 1998 wurde schließlich die komplizierte Beziehung mit neoliberalen Marktmechanismen diskutiert. Brasilien fürchtete, dass das eigene Land, ganz wie in kolonialen Zeiten, zum Verkauf stand und geplündert werden sollte, ohne dass die Brasilianer dabei mitreden konnten. Die brasilianische Souveränität war bedroht.

      Der rote Faden bei dieser Mythenbildung ist, dass man sich selbst als minderwertig wahrnimmt und auf dem Fußballplatz ständig das Gegenteil beweisen will. Jeder Sieg birgt die Hoffnung, dass man sich jetzt endlich als Teil der Ersten Welt sehen kann, und jede Niederlage versagt die Erfüllung dieses Wunsches.

      1 Das Zitat stammt aus dem Jahr 1982 und aus einem von DaMatta organisierten Buch. Umbanda ist eine afro-brasilianische Religion. Die Azande leben im Kongo und wurden in einer berühmten etnographischen Studie von Evans-Pritchard beschrieben. Tupi und Gê sind Indianervölker in Brasilien. Guedes hat 1977 die erste sozialwissenschaftliche Arbeit zum Thema Fußball in Brasilien veröffentlicht.

      2 Eu sou a outra.

      3 „Deixa a vida me levar“, von Zeca Pagodinho.

      4 „Complexo Vira-Lata“. Der Begriff wurde von dem Schriftsteller Nelson Rodrigues kreiert.

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