Die Films der Prinzessin Fantouche. Arnold Höllriegel

Die Films der Prinzessin Fantouche - Arnold Höllriegel


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Kunstverständnis. Das ist sehr gescheit, daß Sie daran gedacht haben. Aber ich kenne den Polizeikommissär sehr gut; das werden wir gleich haben!«

      Er hob den Telephonhörer ab und ließ sich mit dem Nachbarhause verbinden. Die Schauspielerin hörte, wie er in den Apparat hineinsprach. »Hallo, wer dort? Ah, Sie selbst, Cavaliere Depretis! Ja, ich, Ippoliti. Sehen Sie Herr Nachbar, Sie erkennen sogar schon meine Stimme. Ja, also, was ich sagen wollte: Wundern Sie sich nicht, Cavaliere, wenn Sie mit Ihren berufsmäßigen Argusaugen bemerken, daß in meiner Villa verdächtige Dinge vorgehen. Ein schwarzer Bösewicht wird durchs Fenster einsteigen, und dann wird ein sehr geheimnisvolles Auto in rasendem Tempo an Ihrem Hause vorbeisausen. Nein, kein Verbrechen, natürlich, Sie Sherlock Holmes! Ganz einfach eine kleine Kinoaufnahme. Aber strengste Diskretion, bitte. Wenn Sie heute gegen Abend zu einer Flasche Capri Bianco zu mir herüberkommen wollen, vertraue ich Ihnen das Nähere an. Na, abgemacht, ich erwarte Sie. Auf Wiedersehen!«

      Der Bankier trat vom Telephon weg und drückte zweimal auf den Knopf der elektrischen Klingel. Ein tadellos befrackter Kammerdiener erschien in der Tür. »Matteo«, sagte sein Herr, »führen Sie den Mann herein, der unten auf die Dame wartet und rufen Sie das ganze Personal ins Nebenzimmer. Sie sollen warten, bis ich Sie rufe!«

      Matteo verbeugte sich schweigend, ging und kam mit dem Operateur zurück, einem intelligent aussehenden, schwarzhaarigen jungen Mann in bescheidener Kleidung. Die Prinzessin trat an den Operateur heran und sagte ihm leise einige Worte. Nachdem der Kammerdiener das Zimmer verlassen hatte, stellte sich der Operateur hinter die schwere Portiere, die eine Seitentür bedeckte. Vorher hatte er ein zusammenlegbares Stativ aus blankem Stahl und ein Kästchen unter seinem Mantel hervorgeholt, das nicht größer war als ein gewöhnlicher Klapp-Taschen-Kodak, sich aber durch eine daraus hervorragende kleine Kurbel als ein Kinematographen-Apparat erwies.

      Sobald der Operateur unsichtbar geworden war, erhob sich die junge Schauspielerin. »So, Herr Präsident, ich gehe jetzt hinaus. Sie müssen unterdessen mehrmals auf die Uhr sehen und überhaupt durch ihre Gesten andeuten, daß Sie jemand erwarten. Dann trete ich ein – Sie begrüßen mich stürmisch, aber ich lasse erkennen, daß ich mich schäme, weil die Dienerschaft im Hause ist. Sie lassen die Leute eintreten, währenddessen verstecke ich mich hinter dem Fenstervorhang – es macht ja nichts, wenn mich Ihre Diener halb und halb sehen. Ja, man soll sogar bemerken, daß ich durch das Fenster Signale gebe und ein Zettelchen hinabwerfe. Dieser Brief erscheint dann auf der weißen Wand und lautet: ›Ha, es ist gelungen! Halte Dich bereit, Giorgio. Deine Prinzessin Fantoche!‹ Also, Sie entlassen die Diener, und sobald sie weg sind, folgt die Beraubungsszene!«

      Ippoliti nickte ihr freundlich zu, und Marie Dupont verließ heiter lächelnd den eleganten Raum.

      Kaum war sie vor der Tür, als die bisher so runden Bewegungen des Bankiers steif und unnatürlich wurden. Er war in diesem Moment nicht der Bankier Ippoliti, sondern sollte den Bankier Ippoliti darstellen und stellte ihn natürlich sehr schlecht dar. Ein ganz leises, nur für den Eingeweihten hörbares Knistern, das hinter der Portiere hervordrang, machte den als Kinodarsteller dilettierenden Geldmann vollkommen nervös. Er riß die Uhr so heftig aus der Tasche, daß die feine goldene Kette zerriß und machte dann ein höchst verdutztes Gesicht. Er stand furchtbar verlegen da, wußte nicht, was er mit seinen Armen und Beinen anfangen sollte, und war ganz aufrichtig erfreut, daß die Prinzessin Fantoche nach einem kurzen Klopfen endlich wieder eintrat. Sie trug jetzt einen schwarzen Schleier, der ihr Gesicht vollkommen verhüllte.

      »Kommen Sie mir doch entgegen Herr Präsident. Küssen Sie mir die Hand. Etwas stürmischer, bitte. Jetzt ziehen Sie mich sanft in die Mitte des Zimmers. Legen Sie die Hand aufs Herz. Aber bitte, sehen Sie doch mich an und nicht krampfhaft den Vorhang, hinter dem der Operateur steht! So, jetzt bitte, einen Kniefall. Schneller, schneller!«

      Während die Schauspielerin so mit kurzen sachlichen Worten Regie führte und die Bewegungen ihres unbehilflichen Partners dirigierte, drückten ihre Gesten in geradezu meisterhafter Weise die kokette Befangenheit einer vornehmen Dame aus, die sich der eleganten Attacke eines nicht ungern gesehenen Herrn zunächst zu erwehren trachtet. Als der wohlbeleibte Liebhaber vor ihr kniete, schlug sie den Schleier zurück und lächelte ihm zu, wies aber mit bestimmter Miene auf die Tür und auf die elektrische Klingel. »Hier wird eine erklärende Inschrift eingeschaltet!« sagte sie, ohne ihr charakteristisches Spiel zu unterbrechen.

      Der Bankier erhob sich nicht ohne Mühe, staubte sorgfältig die Knieteile seiner Hose ab und klingelte. Unterdessen zog die Prinzessin wieder den Schleier vor das Gesicht und trat an das Fenster, dessen Spitzenvorhang die edlen Umrisse ihrer schlanken Gestalt nur halb und halb verbarg.

      Auf das Klingelzeichen des Bankiers traten der Kammerdiener, der Lakai, der Gärtner, der Chauffeur, der Reitknecht, der piemontesische Koch und zwei Dienstmädchen ein. Zu ihrer Freude forderte ihr Herr sie auf, spazieren zu gehen und nicht vor Abend wiederzukommen. Die Leute wunderten sich nicht weiter, und der Koch riskierte hinter dem Rücken des Gärtners sogar ein verschmitztes Lächeln. Man hatte die schöne Dame kommen gesehen, und der Patron war ein alter Junggeselle, der gar nicht so selten die Dienerschaft wegschickte, wenn Damenbesuch kam.

      Während die Leute in ihren Feiertagskleidern das Haus verließen, stellte sich der Operateur an das Fenster und bannte das lustig hinwegeilende Domestikenvölkchen auf den Film. Dann ging er selbst hinunter, um den maskierten Einbrecher aufzunehmen, der behend an dem Rebenspalier der Außenwand in die Höhe klomm und bald als drohende schwarze Gestalt im Fenster erschien. Zugleich kam der Operateur wieder und fixierte die Szene, in der die Prinzessin ihren Galan mit dem Revolver im Schach hielt, während ihr Komplize in das Zimmer drang.

      »Sie spielen schlecht, Herr Präsident!« sagte Marie Dupont, »Sie zeigen nicht genug Entsetzen. Stellen Sie sich vor, der Revolver sei wirklich geladen!«

      Ippoliti schmunzelte innerlich und versuchte mit wenig Glück, äußerlich Angst zu zeigen.

      Der verlarvte Einbrecher schritt auf den Bankier zu, zog einen festen Strick aus der Tasche und fesselte das unglückliche Opfer. Der Schauspieler machte das sehr realistisch, und als der Präsident der OCI gebunden am Boden lag, belobte er den Mann nach Gebühr.

      Prinzessin Fantoche ließ den Revolver sinken. »So, jetzt sind wir gleich fertig, Herr Präsident! Sagten Sie nicht, daß der Kassaschlüssel in der linken Rocktasche steckt?«

      »In der rechten!« antwortete Ippoliti. »Bitte, machen Sie schnell, ich liege sehr unbequem, der Herr hat mich etwas fest gebunden. Und bitte, nehmen Sie nur die Papiere, die im obersten Fach des Geldschrankes liegen; das sind belanglose Dokumente.«

      »Also im unteren Fach!« sagte Marie Dupont lächelnd. »Ich muß ihnen nämlich anvertrauen, Herr Präsident, wir haben Sie in unverantwortlicher Weise hintergangen. Wir sind wirkliche Einbrecher!«

      Sie beugte sich über ihn und zog den Schlüsselbund aus seiner rechten Rocktasche. Er wälzte sich herum, um dem Operateur sein lächelndes Gesicht zu verbergen. Plötzlich prustete er los.

      »Ausgezeichnet – ausgezeichnet, Fräulein. Ich werde Ihnen – ich werde« – er rang mit einem erstickenden Lachanfall, ehe er den Satz vollenden konnte – »ich werde Ihnen eine Extragratifikation bewilligen. Sie wollen – hahaha! – daß ich ein recht echtes entsetztes Gesicht mache, und versuchen einen kleinen Bluff.«

      Prinzessin Fantoche war an den mächtigen eisernen Geldschrank getreten und hatte sein kompliziertes Schloß leicht geöffnet. Einen Augenblick hörte man nur das leise Kurbelgeräusch des Aufnahmeapparates. Dann klang vom Geldschrank her eine melodische, aber etwas impertinent gefärbte Frauenstimme:

      »Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, hole ich mir die Extragratifikation höchst persönlich. Sind das Päckchen zu hundert Tausendlirescheinen? Mein Kompliment, Herr Präsident, Sie sind gut versehen! Drei – vier – sechs – sieben – acht! Ah, in dem achten Päckchen sind nur fünfzig Scheine, aber ich nehme das nicht so genau. Die Goldrollen lasse ich Ihnen da, Herr Präsident!«

      Sie schloß den Geldschrank mit großer Sorgfalt wieder zu und trat in den Gesichtskreis des auf dem Boden liegenden Bankiers. Sie sah ihm spöttisch ins Gesicht und machte sich daran, die Bündel mit


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