Die Films der Prinzessin Fantouche. Arnold Höllriegel

Die Films der Prinzessin Fantouche - Arnold Höllriegel


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Ungnade seines Chefs sichtlich zusammen. »Ich – ich bitte vielmals um Verzeihung, daß ich Sie bemühen mußte, Herr Präfekt. Aber – uns ist da ein Film zur Zensurierung eingereicht worden – man muß ihn konfiszieren selbstverständlich – es ist unerhört – es zeigt sich wieder, wohin man heutzutage gelangt – «

      »Cavaliere«, sagte der Präfekt ruhig. »Ich sehe, Sie können keine klare und verständliche Meldung erstatten. Unsere Polizei hat viele Intelligenzen, die größten aber verwalten natürlich die Zensorstellen. Also, wenn Sie nicht vernünftig reden können, dann zeigen Sie schon einmal den fürchterlichen Film, obwohl mir heute gar nicht nach Kino zumute ist. Aber wehe Ihnen, wenn Sie mich umsonst belästigt haben!«

      Während der arme Paoli ganz verdutzt zusammenhanglose Worte stammelte, wurde auf einen Wink des Präfekten der Raum verdunkelt, und ein als Operateur ausgebildeter Subalternbeamter setzte den Vorführungsapparat der Zensurstelle in Tätigkeit. Der Präfekt setzte sich auf einen Stuhl und starrte grimmig auf die weiße Wand, die aus dem Dunkel des großen, kahlen Zimmers hervorleuchtete.

      Wie gewöhnlich erschien auf der weißen Fläche zuerst eine Art lebender Fabrikmarke. Es war eine nett gezeichnete Marionette, eine Frauenfigur, die einige tanzende Bewegungen ausführte und dann verschwand.

      Der Präfekt nickte verständnisvoll mit dem Kopf. »Fantoche«, sagte er laut, ohne sich aber an Paoli zu wenden, »Fantoche bedeutet soviel wie Marionette. Ich hatte den Streich erwartet. Aber die Dame wird sich die Finger verbrennen; sie ist zu frech!«

      Richtig, jetzt stand auf der weißen Wand in großen Buchstaben zu lesen: »Der erste Film der Prinzessin Fantoche: Die Geburtstagsüberraschung des Bankiers Ippoliti.«

      Die Inschrift verschwand, und es erschien von der hellsten Rivierasonne beschienen, die Villa des Bankiers Ippoliti in San Francesco d’Albaro. Man sah das vergoldete Gittertor und dahinter die Palmen und Zypressen des herrlichen Parkes. Ein kleines, zweisitziges Auto erschien in rasendem Tempo vor dem Tor. Eine schwarz gekleidete Dame stieg aus und drückte auf den Knopf der elektrischen Torglocke. Ein Lakai erschien, öffnete das Tor und ließ die Dame ein.

      Kaum war die Dame mit dem Lakaien im Hause verschwunden, als der Chauffeur der Voiturette abstieg und seine Kappe sowie seine große Autobrille abnahm, unter der aber nicht sein Gesicht, sondern eine schwarze Halbmaske zum Vorschein kam. Der Pseudochauffeur zog ein Bündel Dietriche aus der Tasche, öffnete das Tor und schlüpfte in den Park. Man sah, wie er sich in einer dichten Myrthenhecke unweit der Hauswand versteckte.

      Und nun wechselte der Schauplatz. Man sah das Arbeitszimmer des Bankiers Ippoliti, und in greifbarer Deutlichkeit rollten sich die Szenen ab, die der Operateur der Prinzessin Fantoche am vorigen Tage aufgenommen hatte. Man sah den Bankier, der ungeschickt genug freudige Erwartung mimte, den Eintritt der »Prinzessin«, die Entlassung der Dienerschaft. Man sah den verlarvten Mann durch das Fenster klettern, sah, wie der Bankier gefesselt wurde, und bemerkte, wie er dabei ein heimliches Lächeln zu verbergen gesucht hatte. Dann folgte der freche Kassenraub. Ja, sogar die Abfahrt der beiden Verbrecher war aufgenommen worden. Mit wachsendem Erstaunen verfolgten die Anwesenden das Auto auf seinem Weg.

      »Na«, sagte der Präfekt sarkastisch, »wenn die Heimfahrt der famosen Prinzessin ganz auf den Film gekommen ist, erfahren wir ja die Adresse. Aber Donnerwetter, was ist denn – «

      Er sprang erregt auf, und das, was der Apparat eben auf die Wand projizierte, war wirklich seltsam genug.

      Man sah, wie sich die Voiturette einem wenig einladenden Hause näherte. Es war, wie der Präfekt sofort erkannte, das Polizeikommisariat von San Francesco d’Albaro. Ein Polizeibeamter, der in voller Uniform von der Tür stand, winkte dem Chauffeur, und dieser hielt sofort das Auto an. Die tief verschleierte Dame beugte sich aus dem Auto und führte ein Gespräch mit dem Kommissär, der dabei freundlich lächelte, sich den Bart strich und den Schwerenöter zu spielen schien. Auch der Chauffeur beteiligte sich an dem Gespräch. Er nahm die Brille ab und zeigte auf seine schwarze Larve. Dann ging der Kommissär ins Haus hinein und kam mit einigen Polizisten wieder, die lachend ihre Säbel und Revolver zogen und scheinbar auf das kleine Auto eindrangen. Wie ein Blitz fuhr die Voiturette davon. Die Polizisten schossen ihre Revolver ab, der Kommissär rannte mit drohenden Gebärden ein Stück nach – und der merkwürdige Film war zu Ende.

      »Licht!« sagte der Präfekt kurz.

      »Man muß diesen Film unbedingt verbieten!« sagte der Zensor Paoli mit klagender Stimme.

      Ohne auf ihn zu achten, ging der Präfekt zum Haustelephon, das an der Wand befestigt war, und rief seinen Sekretär an: »Hallo, Signor Negri! Hören Sie? Ist der Kommissär Depretis schon in der Präfektur? Gut, er soll sofort zu mir herüberkommen. Ja, in der Filmzensur!«

      Wenige Minuten darauf stand der Polizeikommissär von San Francesco d’Albaro vor seinem Chef.

      »Signor Depretis«, sagte der Präfekt streng. »Ich habe Sie in die Präfektur beschieden, um Ihren ausführlichen Rapport anzuhören. Aber vor allem sagen Sie mir, was bedeutet das?«

      Er gab dem Mann am Projektionsapparat den Befehl, den letzten Teil des Films noch einmal vorzuführen. Es geschah, und dann zuckte das elektrische Licht wieder auf.

      Der Cavaliere Depretis war rot wie ein Krebs und zitterte an allen Gliedern. »Herr Präfekt, ich sehe, ich habe eine furchtbare Dummheit gemacht! Aber wer konnte ahnen – – Ich kenne den Herrn Ippoliti genau, und er hatte mir telephonisch gesagt, daß nur eine Kinoaufnahme gemacht werden sollte. Und dann fuhren die Leute an mir vorbei, der Operateur auf dem Motorrad hinterdrein und da – und da – «

      »Und da«, ergänzte der Präfekt, »haben Sie sich von der schönen Unbekannten bestimmen lassen, dem Film einen effektvollen Schluß zu geben.«

      Depretis nickte zerknirscht. »Ja, sie bat mich, das Auto doch zum Spaß zu verfolgen. Und – da haben wir eben ein paar blinde Schüsse abgegeben. Verzeihen Sie, Herr Präfekt, es war nicht ganz korrekt – es war unverzeihlich, aber – «

      »Schon gut!« sagte der Präfekt. »Ihre Entschuldigungen helfen uns jetzt nichts. Wir sind schön blamiert. Einen Orden kann ich Ihnen wirklich nicht dafür verleihen. Kommen Sie, wir bringen Ihre Aussagen zu Protokoll. Sie haben auch noch zu berichten, wie sie dann nachher den Ippoliti gefunden und befreit haben.«

      Er wandte sich zum Gehen, gefolgt von dem gänzlich vernichteten Kommissär. Aber der Beamte, der den Apparat bedient hatte, hielt ihn zurück. »Herr Präfekt, es sind noch Streifen mit einer langen Inschrift da!«

      Der Präfekt zeigte ein Lächeln voll grimmigen Galgenhumors. »Das kann ja gut werden. Los!«

      Es war tatsächlich eine lange Inschrift, die in großen Lettern auf der Wand erschien, und mehrmals mußte ein neuer Streifen vor das Objekt geschoben werden. Die Inschrift aber lautete:

      »Verehrlicher Herr Polizeipräfekt!

      Ich hoffe, mein Film hat Ihnen eine angenehme halbe Stunde bereitet. Zu ergötzen und die Zeit zu vertreiben, ist ja die edelste Aufgabe der Kinematographie, die Sie und besonders Ihr Freund, der Zensor Paoli, so gern fördern. Ich habe während meiner allzu kurzen Dienstzeit bei der OCI von dem Herrn sehr viel Gutes sprechen gehört.«

      »Verbieten!« fauchte der gekränkte Zensor. Der Präfekt gebot Ruhe und man las weiter:

      »Ich bezweifle nicht, daß mein erster Film beim Publikum einen ganz ungeheuren Erfolg haben wird. Aber ich kenne die Schwächen dieser Erstlingsarbeit und werde mich bemühen, in Hinkunft noch viel sensationellere Aufnahmen zu liefern. Ich denke, ich werde jeden Mittwoch einen neuen Fantoche-Film auf den Markt bringen und den vollsten Beifall aller Kinobesucher erringen können, aber nur, wenn mir die Polizei wie bisher ihre vollste Unterstützung angedeihen läßt.

      Die Vervielfältigung und den Vertrieb meiner Films gedenke ich aus alter Freundschaft der bewährten OCI zu übertragen. Ich bin, was Herr Ippoliti auch sagen mag, keine Materialistin, der es nur auf das Geld ankommt. Außerdem genügt mir vorläufig die dreiviertel Million, die mir Herr Ippoliti so freundlich geborgt hat. (Hoffentlich muß er jetzt seinen Geburtstagsgästen nicht wirklich nur


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